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Im Juni 1992, vor 30 Jahren, beginnt einer der längsten und spektakulärsten Erpressungsfälle der deutschen Kriminalgeschichte: Die Karriere des „genialen“ Kaufhauserpressers „Dagobert“. Zwei Jahre lang dauert sein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei - von den Medien begleitet, von vielen bejubelt. Dagobert wird zum Volkshelden. Der Film erzählt die Geschichte dieser „Entenjagd“.

Am 13. Juni 1992 explodiert in einem Hamburger Kaufhaus eine Rohrbombe. Eine Million D-Mark fordert der Erpresser, der sich Dagobert nennt – in Anlehnung an den schwerreichen Comic-Enterich. Dagobert versucht, die Polizei mit raffinierten Geldübergabeversuchen zu überlisten … ein Nervenkrieg beginnt, der für Schlagzeilen sorgt. Das Phantom narrt die Polizei – und wird mit jeder gescheiterten Geldübergabe mehr zum „Volkshelden“. 61 Prozent der Deutschen finden den gewitzten Bastler sympathisch, ergibt eine ARD-Umfrage im April 1993. Geliebter Gauner … bis Ende 1993 eine Bombe mitten im Berliner Weihnachtsgeschäft explodiert. Gelingt es der Polizei, Dagobert jetzt dingfest zu machen?

Sechs Sprengstoffanschläge, ca. 30 gescheiterte Geldübergaben: Der Fall „Dagobert“ bewegte, ängstigte und amüsierte das frisch vereinte Deutschland Anfang der 90er Jahre. Zwei Jahre lieferte sich der Erpresser ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei – begleitet von den Medien, zunehmend bejubelt von der Öffentlichkeit. „Dagobert – Schlauer als die Polizei erlaubt?“, titelte die Presse im Frühjahr 1993: Die Polizei musste mit jeder gescheiterten Geldübergabe mehr Häme aushalten. Für die Angestellte des Kaufhaus-Konzerns Karstadt dagegen stand „Dagobert“ für die Angst, zur Arbeit zu gehen. In den Kaufhäusern erinnerte eine verschlüsselte Durchsage die Angestellten jeden Abend kurz vor Ladenschluss daran, nach zurückgelassenen Taschen und Koffern zu sehen.

Der Film von Tim Evers blickt jenseits der Verbrecher-Jagd auch auf die gesellschaftlichen Begleiterscheinungen eines heute längst legendären Kriminalfalls. Der Erpresser selbst wird in „Jagd auf Dagobert“ wieder zum Phantom, tritt nicht in Erscheinung – nur seine Stimme ist zu hören. Stattdessen rückt ins Zentrum, was der „Fall Dagobert“ im Land ausgelöst hat. Denn dieser Dagobert war auch eine Projektionsfläche – ob Gentleman-Gauner, fantasievoller Verbrecher oder „Robin Hood“, der „das System“ herausforderte. „Jagd auf Dagobert - Wie ein Verbrecher zum Volkshelden“ wurde: Die True-Crime-History zeichnet den Fall als deutsches Sittenbild nach – Jagd-Szenen aus einem Land, das auch noch auf der Suche nach sich selbst war.

Mo., 13. Juni 2022
ARD Mediathek

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