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Nach einem Jahrzehnt gibt die Europäische Bürgerbeauftragte Emily O'Reilly ihr Amt ab. Sie fordert mehr Transparenz in den Verfahren der EU-Kommission, externe Kontrolle des Parlaments, und nicht nur Grenzschutz, sondern auch Seenotrettung durch die EU-Küstenwache Frontex.

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Transkript
00:00Die Europäische Kommission sollte transparenter sein und Rechenschaft darüber abgeben, wer sie beeinflusst,
00:08und sie sollte offen sein, alle beteiligten Parteien anzuhören.
00:11Das sind die Schlüsselforderungen der Europäischen Bürgerbeauftragten.
00:14Emily O'Reilly, bei uns zu Gast in The Global Conversation.
00:19Frau O'Reilly, danke, dass Sie unsere Einladung angenommen haben.
00:24Nach gut einem Jahrzehnt werden Sie demnächst Ihren Posten als Europäische Bürgerbeauftragte abgeben.
00:29Sie haben dort überwacht, wie transparent die Institutionen der Europäischen Union arbeiten.
00:38Es bleibt immer noch eine Menge zu tun, und erst vergangene Woche haben Sie eine neue Untersuchung angestoßen
00:44zur Entscheidung der Europäischen Kommission, einige Auflagen der gemeinsamen Agrarpolitik zu lockern.
00:49Es fließt ja viel Geld an die Bauern, aber sie sind dieses Jahr immer wieder auf die Straße gezogen.
00:56Welche Erklärungen erwarten Sie von Ursula von der Leyen? Ich schätze, Sie haben um einen Termin gebeten.
01:05Ja, wir werden uns die entsprechenden Dokumente genau ansehen, und wir werden die zuständigen Beamten befragen.
01:12Im Prinzip geht es, wie Sie sagen, um die gemeinsame Agrarpolitik und Änderungen, die vorgenommen wurden,
01:18um die Vorgaben zum Umweltschutz für die Landwirte ein bisschen weniger belastend und weniger schwierig zu machen.
01:24Es gab tatsächlich große Bauernproteste hier in Brüssel und anderswo.
01:29Daraufhin wurden diese Änderungen vorgenommen. Das rief aber Umweltorganisationen auf den Plan, die sich beklagten.
01:35So die Beschwerde, die wir bekamen, dass nur Landwirtschaftsverbände konsultiert worden waren.
01:41Jetzt versuchen wir herauszufinden, was genau geschah, wie diese Änderungen erarbeitet wurden.
01:49Wer wurde zur Rate gezogen? Wer wurde berücksichtigt?
01:53Und wenn wir die Antworten darauf bekommen haben, werden wir entscheiden, ob Sie es richtig gemacht haben,
01:58oder ob wir Empfehlungen abgeben müssen, wie Sie es in Zukunft machen sollen.
02:03Oder wir geben Ihnen einfach nur eine allgemeine Handlungsanleitung, wie Sie diese speziellen Themen korrekt managen,
02:09die ja große Bedeutung für die Bürgerinnen und Bürger haben.
02:14Bei dieser Angelegenheit bleibt also der Eindruck von gewisser Ungerechtigkeit bei der Behandlung der verschiedenen Beteiligten?
02:23Das ist eine Art Leitmotiv bei unserer Arbeit, denn bei vielem, was wir gemacht haben, geht es als Hauptthema um Einflussnahme.
02:29Wer beeinflusst die Regeln, die Gesetze, die in Brüssel gemacht werden?
02:32Brüssel ist ein riesiges Lobbyistenzentrum, das zweitgrößte Lobbyistenzentrum der Welt hinter Washington.
02:39Deshalb haben die Bürger ein Recht darauf zu wissen, wie die Regeln gemacht werden und wer darauf Einfluss nimmt.
02:45Ein Teil unserer Arbeit ist, wenn wir Beschwerden erhalten oder auf eigene Initiative eine Untersuchung einleiten,
02:51dass wir sicherstellen, dass die Kommission oder andere Institutionen alle Seiten anhören und dass sie nicht Entscheidungen treffen,
02:57die zu sehr oder unangemessen von einer Seite in der Debatte beeinflusst sind.
03:03Lobbyarbeit ist, wie Sie schon sagten, extrem wichtig.
03:07Aber die meisten Lobbyisten sind registriert und wohlbekannt.
03:11Was ein bisschen geheimer sein könnte, das sind Berater, die Experten und Expertinnen, die hinzugezogen werden.
03:17Im Zusammenhang mit diesem Fall gab es Berichte von diesem deutschen Wissenschaftler,
03:23der möglicherweise 150.000 Euro erhalten hat für sechs Monate Beratungstätigkeit zum Thema Landwirtschaft.
03:30Trägt so etwas auch zu dieser Wahrnehmung bei, dass nicht genügend Transparenz darüber herrscht,
03:36wer die Entscheidungen trifft und wer berät?
03:40Viele Leute sagen von der Kommission, dass sie eine riesige Verwaltung sei.
03:45Aber tatsächlich ist sie ziemlich klein im Vergleich zu den Verwaltungen der Mitgliedstaaten.
03:49Dadurch hat sie ganz klar nicht all die interne Expertise, die sie braucht, wenn sie Verordnungen entwirft oder darüber berät.
03:56Also holt sie verschiedene Experten aus unterschiedlichen Bereichen dazu.
04:00Bei einer unserer Untersuchungen, die wir vor ein paar Jahren durchführten,
04:03wollten wir herausfinden, wie ausgewogen diese Expertengruppen sind.
04:07Und natürlich, wenn Sie ein großes Unternehmen sind, dann haben Sie viel Geld und können viele Leute bezahlen,
04:12die für Sie Auge und Ohr in Brüssel sind und herausfinden, was da so läuft.
04:16Wenn Sie aber eine NGO sind mit einem kleinen Budget,
04:19dann haben Sie nicht dieselben Möglichkeiten, Leute einzusetzen, die das herausfinden.
04:23Deshalb hat die Kommission die Pflicht, sicherzustellen,
04:26dass NGOs, die Zivilgesellschaft, genauso gehört werden wie die anderen.
04:31Und meinen Sie, dass es jetzt ausgewogen abläuft, nach all den Jahren, die Sie für die Beobachtung zuständig waren?
04:37Ja, schon. Ich finde, dass es jetzt mehr Bewusstsein dafür gibt.
04:40Auf jeden Fall innerhalb der Kommission. Sowohl dank unserer Arbeit, als auch dank der Arbeit der Medien
04:45und der Arbeit, die die Zivilgesellschaft und andere geleistet haben.
04:48Aber immer noch taucht hin und wieder so ein Vorfall auf.
04:51Man befasst sich mit diesen Dingen von Fall zu Fall.
04:54Aber grundsätzlich meine ich, dass kulturell die Akzeptanz dafür gewachsen ist,
04:57dass mehr Ausgewogenheit vonnöten ist, wenn man wichtige Fragen des öffentlichen Interesses entscheidet.
05:02Jede Stimme muss gehört werden.
05:05Einer der berüchtigsten Fälle, in denen die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen verwickelt war,
05:12das war der Nachrichtenaustausch mit dem Vorstandsvorsitzenden von Pfizer in der Corona-Pandemie,
05:18als es um einen Vertrag für Impfstoffe ging.
05:21Die Kommissionspräsidentin hat sich bis heute geweigert, darüber Informationen herauszugeben.
05:28Sie selbst sehen das als Missstand in der Verwaltung an.
05:31Aber von der Leyen hat auf diesen Rat oder diese Kritik nicht besonders gehört.
05:37Legt sie Wert auf diese Kritik?
05:42Der Europäische Gerichtshof befasst sich ja jetzt mit der ganzen Angelegenheit.
05:48Wir werden sehen, was dann passiert.
05:50Wir haben eine Liste von Fragen gestellt.
05:52Wir fanden Verwaltungsmissstände heraus.
05:54Vor allem deswegen, weil die Kommission anfangs nicht akzeptierte,
05:57dass diese Kurznachrichten, diese Textnachrichten Dokumente sind.
06:01Man muss aber kein Genie sein und kein Anwalt, um Verordnung 1049 lesen zu können
06:07und zu sehen, dass es doch Dokumente sind.
06:09Denn das Medium spielt keine Rolle. Das Thema spielt die Rolle.
06:12Wenn man also textet oder auf WhatsApp schreibt über das, was passiert
06:16oder was man mit Themen macht, die mit dem Betrieb der Institution zu tun haben,
06:20dann sind das Dokumente.
06:22Das heißt nicht, dass sie sofort veröffentlicht werden müssen.
06:24Sie können überprüft werden auf Ausnahmen, die Verordnung 1049 vorsieht.
06:29Wir haben aber Verwaltungsmissstand festgestellt,
06:32weil die Kommission zuerst nicht akzeptieren wollte, dass es sich um Dokumente handelt,
06:36die es meiner Ansicht nach eindeutig sind.
06:39In Bezug darauf passiert also nichts.
06:41Ich habe die Kommission kritisiert und dann hat die New York Times,
06:44das Medium, das ursprünglich darüber berichtete, die Kommission vor Gericht gebracht.
06:49Wir wissen nicht, wann der Fall vor Gericht verhandelt wird,
06:51aber ich denke, das wird zu jedermanns Vorteil sein.
06:54Das oberste Gericht in der EU wird Klarheit in diesen Fall bringen.
07:00Aber meinen Sie, dass seine Lektion gelernt wurde,
07:03dass Ursula von der Leyen in gewisser Weise ihr Verhalten in diese Richtung verändert hat?
07:07Ich weiß nicht, was sie täglich so tut.
07:09Ich bin mir sicher, dass sie jetzt darauf achtet.
07:11Aber innerhalb der Kommission haben wir Diskussionen mit den Leuten.
07:15Ich weiß, dass die Kommission jetzt ihrem Personal eine Handlungsanleitung gegeben hat
07:19in Bezug auf Rückhaltung von Textnachrichten
07:22und wie diese korrekt registriert und veröffentlicht werden sollen und all das.
07:26Das Thema ist ganz allgemein behandelt worden
07:28und ich glaube, dass wir jetzt alle wissen,
07:30wenn wir unsere Geschäfte auf WhatsApp oder Snapchat oder wo auch immer erledigen,
07:34dass gerade wenn man in der öffentlichen Verwaltung arbeitet,
07:37dass diese Nachrichten potenziell veröffentlicht werden können.
07:40Wie Sie eben erwähnten, Sie wissen, dass diese Nachrichten Dokumente sind.
07:45Würden Sie sagen, dass der Zugang zu Dokumenten eines der Hauptthemen ist
07:49bei den Beschwerden, die Sie erhalten?
07:51Transparenz ist generell ein großes Thema.
07:55Ich würde sagen, gut ein Viertel oder sogar mehr der Beschwerden,
07:58die bei uns eingehen, beziehen sich generell auf Transparenz und Zugang zu Dokumenten.
08:02Und wie ich schon sagte, ist das der Punkt, an dem wir auf den meisten Widerstand treffen.
08:06Ich meine im Allgemeinen, denn ich stehe gut mit der Kommission.
08:09Wir arbeiten in der Tat sehr gut mit ihr zusammen, auch beim Zugang zu Dokumenten.
08:13Aber wir stellen fest, dass es zu enormen Verzögerungen kommen kann.
08:16Und wenn die Dokumente Themen enthalten,
08:18die von der Kommission als politisch sensibel eingestuft werden,
08:21dann kann es zu Verzögerungen kommen,
08:23die über die gesetzlich zulässigen Fristen hinausgehen.
08:26Deshalb haben wir dem Parlament im letzten Jahr einen Bericht vorgelegt,
08:29einen Sonderbericht zu diesem Thema.
08:31Das habe ich nur zweimal in den vergangenen elf Jahren getan.
08:34Das zeigt, wie wichtig mir das ist.
08:36Das Parlament hat unsere Arbeit und unsere Empfehlungen mit überwältigender Mehrheit unterstützt.
08:41Wir werden also sehen, was jetzt mit der neuen Kommission geschieht
08:44und ob diese besonderen Lektionen gelernt wurden.
08:50Denn manchmal denken die Leute, dass Themen wie Transparenz und Zugang zu Dokumenten
08:54nur für NGOs, die Zivilgesellschaft, Wissenschaftler und Bürgerbeauftragte von Belang sind.
08:59Aber sie sind so wichtig, weil die Bürger nach dem EU-Vertrag das Recht haben,
09:03am Leben der Union teilzunehmen.
09:07Würden Sie das Kultur der Geheimhaltung nennen?
09:09Oder liegt es nur daran, dass intensive Bürokratien zu schwierig für den Zugang zu Dokumenten sind?
09:14Nein.
09:15Meiner Meinung nach ist der Reflex in den meisten öffentlichen Verwaltungen,
09:19in die Defensive zu gehen, sich zu fragen, kann uns das in Schwierigkeiten bringen?
09:23Aber die Standardposition in Bezug auf den Zugang in den Verträgen und Verordnungen ist aber,
09:28zu veröffentlichen, herauszugeben.
09:30Man sollte also, sobald man Zugang zu Dokumenten bekommt, sagen,
09:33wie kann ich das veröffentlichen, während es meist anders herumläuft?
09:37Wie kann ich verhindern, dass das veröffentlicht wird, wenn es um ein bestimmtes Thema geht?
09:41Die Kommission wird sagen, wir geben doch tausende Dokumente heraus
09:44und viele Prozent unserer Erstanfragen werden akzeptiert.
09:47Aber wir reden hier nicht über die breite Mehrheit der Fälle.
09:50Wir reden über diejenigen Fälle, in denen es um Fragen von großem öffentlichen Interesse geht,
09:54um Umweltschutz, Verteidigung, Sicherheit, internationale Beziehungen zum Beispiel.
10:03Kommen wir auf die Europäische Kommission, auf Ursula von der Leyens Wiederwahl zurück.
10:08Sie hat 26 Kandidaten für die künftige Exekutive vorgestellt.
10:12Das Europäische Parlament wird diese Kandidaten jetzt überprüfen,
10:18zunächst den Lebenslauf und die Finanzerklärung.
10:21Finden Sie, dass das Parlament genug Werkzeuge hat, um wirklich zu überprüfen,
10:25wenn der Verdacht auf einen Interessenskonflikt besteht?
10:30Das ist eine gute Frage.
10:34Das Parlament hat bestimmte Ermittlungsbefugnisse,
10:39aber nicht dieselben wie zum Beispiel die Europäische Staatsanwaltschaft
10:43oder Olaf, die Antibetrugsbehörde.
10:48Deshalb denke ich schon, dass es ein Problem mit einigen nominierten Kommissaren geben könnte.
10:53Ich habe absolut keine Ahnung.
10:57Aber ich halte es für wichtiger, ob das Parlament wirklich seine Rolle
11:02als Rechenschaftsmechanismus für die Kommission ausfüllt,
11:07also zu gewährleisten, dass die Kommission rechenschaftspflichtig ist.
11:13Und Sie wissen, über die Zeit tun einige Parlamente dies in sehr starker Weise,
11:17andere nicht so sehr.
11:21Es ist wahrscheinlich noch zu früh, zu sagen, wie stark dieses Parlament sein wird,
11:25die Kommission zur Rechenschaft zu ziehen.
11:30Okay, erinnern wir uns einmal an den Korruptionsskandal,
11:34in dem Europaabgeordnete verstrickt waren.
11:37Das sogenannte Qatargate Ende 2022, das immer noch in den Gerichten anhängig ist.
11:42Sind die neuen Regeln strikt genug, um Fehlverhalten der frisch gewählten Abgeordneten
11:47des Europäischen Parlaments zu verhindern?
11:52Die Regeln sind verschärft worden, was die Aufzeichnung von Treffen angeht,
11:56die die Abgeordneten haben.
12:00Sie können nicht mehr einfach wie privat herumgehen und Leute treffen,
12:04die nicht reguliert sind.
12:09Aber unser Anliegen war, auch wenn wir sehr erfreut über die Regeln sind, was die Folgen sind.
12:14Was passiert zum Beispiel, wenn sich herausstellt, dass jemand eine bestimmte Regel gebrochen hat?
12:19Denn weder die Kommission noch das Parlament, insbesondere das Parlament,
12:23sind aus der Selbstregulierung herausgekommen.
12:28Wissen Sie, da gibt es einen Ausschuss im Parlament, der sich mit mutmaßlichen Verletzungen
12:33von Staatspräsidenten und der Präsident entscheidet danach.
12:38Es gab einen Vorstoß, unabhängige Experten einzubinden, unabhängige Leute in diesem bestimmten Ausschuss.
12:43Doch das ist vom Parlament niedergestimmt worden.
12:48So sind also die Leute in dem Ausschuss selbst Abgeordnete, auch wenn ich mir sicher bin,
12:52dass es gute, ganz wunderbare, aufrichtige Menschen sind.
12:57Ich fand Sie tatsächlich sehr kritisch, als die Abgeordneten sich so dagegen sträubten,
13:02dass man ihre Geschäfte ebenfalls unter die Lupe nimmt. Sollte dies eine Option sein?
13:06Das war ein großes Thema zwischen Olaf und dem Parlament.
13:10Die Leute vom Olaf meinen, dass sie unter seinem Statut das Recht haben,
13:14genauso zu ermitteln, wie sie bei anderen Institutionen ermitteln können.
13:18Sie können in dein Büro kommen, in deinen Computer schauen. Das Parlament sieht das anders.
13:22Und deshalb waren es bei Qatargate zum Beispiel, glaube ich, die Sicherheitskräfte aus Belgien
13:26oder vielleicht anderen Staaten, die all das aufdeckten.
13:30Das ist eine eigene Antibetrugsbehörde. Und ich weiß, dass der Chef von Olaf darauf hingewiesen hat,
13:34dass das Parlament ihnen denselben Zugang zugestehen muss wie die anderen Institutionen.
13:38Das geht also noch weiter.
13:42Darum wird sich vielleicht Ihr Nachfolger weiter kümmern müssen.
13:46Ein anderes wichtiges Thema während dieser Übergangsphase nach den Wahlen ist,
13:50dass sehr viele Beamte, die Kommissare eingeschlossen, weggehen und im privaten Sektor arbeiten.
13:54Der sogenannte Drehtüreffekt.
13:58Sehen Sie Anzeichen dafür, dass es dieses Mal anders sein könnte?
14:02Es gibt bereits Fälle, Leute von der Kommission, von der Wettbewerbsabteilung,
14:06einen Direktor der Europäischen Investitionsbank.
14:10Ist das nur die Spitze des Eisbergs?
14:14Präsident von der Leyen hat entscheidenden Kommissaren geschrieben
14:18und sie an ihre Pflichten erinnert bezüglich der Abkühlungsphasen.
14:22Und wieder geht es darum, ob das adäquat überwacht wird.
14:26Wenn Leute weggehen, ist es nicht ganz klar,
14:30wie das überwacht wird, falls sie Verhaltenskodizes verletzen,
14:34die für sie gelten oder Regeln oder Protokolle.
14:38Es war ein so langwieriger Prozess,
14:42die Kommission dazu zu bringen, wirklich zu versuchen, ihre Kultur zu ändern
14:46und mehr Verständnis dafür zu haben, warum dies wichtig ist
14:50und welche Schaden bestimmte Drehtürfälle anrichten können.
14:54Unter den Institutionen, die der oder die Bürgerbeauftragte überwacht,
14:58sind auch EU-Agenturen, namentlich Frontex.
15:02Sie stehen der EU-Agentur für Grenzkontrolle und Küstenwache
15:06sehr kritisch gegenüber, vor allem im Zusammenhang
15:10mit der Adrianaschiffstragödie im vergangenen Jahr.
15:14Damals starben mehr als 500 Menschen im Mittelmeer.
15:18Was sollte sich bei der Seenotrettung ändern?
15:22Wir haben uns speziell mit Frontex befasst.
15:26Das ist die Agentur für Küstenwache und Grenzschutz.
15:30Und deshalb würde man erwarten, dass sie bei der Suche und Rettung eine Rolle spielt.
15:34Aber sie haben uns ganz klar zu verstehen gegeben,
15:38dass sie keine Such- und Rettungsmissionen sind,
15:42sondern für die Überwachung zuständig.
15:46Ja, aber wir entdeckten im Laufe unserer Ermittlungen,
15:50dass es keinen Such- und Rettungseinsatz in der EU gibt.
15:54Sollte dies eine europäische Bemühung sein,
15:58wie es sie in der Vergangenheit gab, nach dem Krieg in Syrien?
16:02Exakt, ganz genau. So wurden vielen NGOs,
16:06die diese Rettungseinsätze im Mittelmeer ausführen,
16:10mit Strafverfolgung gedroht oder sie wurden verfolgt.
16:14Wir fanden auch heraus, dass Frontex, wenn solch ein Vorfall stattfindet,
16:18also kann Frontex nicht unabhängig handeln.
16:22Bei vier Anlässen, während die Adriana noch auf dem Meer war und bevor sie sank,
16:26hat Frontex versucht, die griechischen Behörden zu kontaktieren und Hilfe anzubieten.
16:30Die griechischen Behörden, die griechische Küstenwache haben einfach nicht geantwortet.
16:34Als wir all das zusammengetragen hatten,
16:38haben wir es den Gesetzgebern ausgehändigt.
16:42Das ist die Kluft zwischen dem, was die Bürger erwarten, dass man tun könnte,
16:46und dem Gesetz in der Praxis passiert.
16:50Wenn Sie diese Kluft überwinden wollen, dann tun Sie es.
16:54Man muss die Weise, wie Frontex handeln kann, verändern.
16:58Das Migrations- und Asylpaket ist bei dieser Thematik auch eine Schlüsselaufgabe.
17:02Das wirft nicht nur Fragen nach Legalität auf,
17:06sondern auch nach, sagen wir, Gerechtigkeit anstatt Menschlichkeit.
17:10Und dann gibt es da diese Politik der Externalisierung des Managements
17:14außerhalb der EU, Tunesien, Ägypten, Libanon.
17:18Was sind die größten Risiken, die Sie in dieser Strategie sehen?
17:22Es gab da viel exzellente Berichterstattung über das,
17:26was in einigen dieser Länder geschieht.
17:30Erst diese oder letzte Woche veröffentlichte der Guardian aus Großbritannien
17:34einen großen Bericht darüber,
17:38was den Migranten in Tunesien widerfährt.
17:42Und wie Sie wissen, hat die EU jetzt eine gemeinsame Absichtserklärung mit Tunesien,
17:46der zufolge sie Geld gibt und im Gegenzug hilft Tunesien,
17:50die Migranten an der Überquerung des Meeres zu hindern.
17:54Und die Kommission weiß selbst, dass es riskant ist,
17:58denn sie weiß, dass dort Missbrauch betrieben wird.
18:02Aber können diese Probleme behoben werden,
18:06jetzt, wo sie einmal entdeckt und gemeldet wurden?
18:10Das, was wir untersucht haben, ist, dass wir die Kommission befragt haben,
18:14ob sie eine Folgenabschätzung für die Grundrechte durchgeführt hat,
18:18bevor sie die Daten erstellt hat. Nein, das haben sie nicht.
18:22Aber sie haben Menschenrechtsklauseln in den Verträgen,
18:26die sie mit den durchführenden Stellen geschlossen haben,
18:30also den Stellen, die das Geld in Tunesien ausgeben.
18:34Also geht es wieder darum, diese Klauseln zu überwachen und zu verfolgen?
18:38Aber die zweite Frage ist, ist die EU bereit,
18:42die Überweisungen zu stoppen oder das Geld zurückzufordern,
18:46wenn sie den Eindruck hat, dass Menschenrechte verletzt werden?
18:50Ich verstehe, wie politisch schwierig das ist.
18:54Sie haben da Europa, das in gewisser Weise leicht nach rechts abdriftet,
18:58wo Migration als Machtinstrument von bestimmten Gruppierungen
19:02und bestimmten Politikern benutzt wird.
19:06Wir kommen zum Ende unseres Interviews.
19:10Ich erwähnte, dass Sie diesen Job seit einem Jahrzehnt machen.
19:14Welche Hauptschlussfolgerungen ziehen Sie aus all diesen Erfahrungen
19:18und den Treffen mit Leuten in jener Zeit?
19:22Und wenn Sie einen Rat oder Vorschläge an Ihre Nachfolger weitergeben könnten,
19:26was wäre dies?
19:30Mein Rat wäre, tun Sie, was Sie zu tun haben.
19:34Ich bin ein europäischer Bürgerbeauftragter.
19:38Das nenne ich ein kleines Büro mit einem großen Mandat.
19:42Er ist der Wachhund über die gesamte europäische Verwaltung.
19:46Es ist kein kleines Büro, das mit kleinen Beschwerden zu tun hat
19:50und seinen Kopf einzieht.
19:54Es muss seine Rolle ausfüllen.
19:58Und das habe ich in den vergangenen elf Jahren versucht.

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