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Warum Donald Trump die Präsidentschaftswahl gegen Kamala Harris gewonnen hat und wie das die USA und die Welt verändern wird, analysiert Eric Frey. Er ist leitender Redakteur des STANDARD.
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Transkript
00:00Wird Donald Trump erneut Präsident der USA? Das zeigen zumindest die aktuellen
00:05Ergebnisse zur US-Präsidentschaftswahl 2024. Wieso Kamala Harris die Aufholjagd
00:11nicht mehr schaffen dürfte, wie Trump die Mehrheit auf seine Seite gebracht hat und
00:15was eine erneute Trump-Präsidentschaft für die USA und die Welt bedeutet,
00:19darüber sprechen wir jetzt mit Eric Frei. Er ist leitender Redakteur beim Standard.
00:23Schönen guten Morgen, Eric Frei. Guten Morgen, Scholt. Eric, wie lautet denn der
00:28aktuelle Zwischenstand, wie eindeutig ist dieses Ergebnis? Ich glaube, die Wahl
00:32ist gelaufen. Donald Trump wird der nächste Präsident der USA werden. Der
00:36erste seit 120 Jahren, der nach einer Wahlniederlage wieder ins Amt
00:40zurückkehrt. Die Swing States gehen offenbar. Einige hat er schon
00:46eindeutig gewonnen und einige andere tendieren auch zu Trump und ich sehe
00:51für Kamala Harris eigentlich keine Chance mehr, die Präsidentschaft zu
00:53gewinnen. Das Senat geht auch an die Republikaner. Das war aber auch zu
00:57erwarten, weil dort die demokratische Mehrheit nicht nur sehr knapp war, sondern
01:01auch sehr fragil und sehr viele Demokraten in stark republikanischen
01:06Bundesstaaten der Wahl stellen mussten und die einzige offene Frage ist noch, ob
01:10das Repräsentantenhaus auch republikanisch wird. Da gibt es
01:14unterschiedliche Prognosen, aber wenn man sich die ganze Tendenz dieser Wahl,
01:18des Wahltags, der Wahlnacht anschaut, dann haben die Republikaner auf breiter
01:22Front zugelegt und wenn man das umsetzt, dann könnte es auch gut sein, dass Trump
01:28am Ende nicht nur das Weiße Haus hat, sondern auch einen Kongress, der von
01:34seiner Partei kontrolliert wird und ihm dann wahrscheinlich auch sehr gefügig ist.
01:38Die Umfragen haben ein viel knapperes Rennen vorausgesagt. Worauf führst du
01:43denn diese eindeutigen Ergebnisse jetzt zurück und könnte es auch noch ein
01:48Nachspiel geben? Gibt es Möglichkeiten für eine rechtliche Anfechtung? Siehst
01:51du da noch irgendeinen Spielraum? Das amerikanische Wahlsystem ist ja so, dass
01:56ja die Gesamtstimmenzahl ja nicht entscheidend ist, sondern dieser Ausgang
02:00in diesen unterschiedlichen Bundesstaaten. Bei der Gesamtstimmenzahl
02:04gibt es Prognosen, dass auch Trump da diesmal erstmals eine ganz knappe
02:09Mehrheit haben würde. Das würde eigentlich die Umfragen bestätigen, die
02:13ja auch gesagt haben, es ist Kopf an Kopf. Dann aber ergibt sich einfach in einigen
02:17Bundesstaaten eine stärkere Tendenz zu Trump, als man es erwartet hat. Aber die
02:24Aussage Kopf an Kopf sagt immer eigentlich auch, wir wissen es nicht
02:27genau und wenn dieses Ergebnis so wie es ausgeht, dürfte trotzdem weiterhin in
02:31vielen Bundesstaaten innerhalb der Schwankungsbreiten sein. Also für die
02:36Meinungsforscher keine Niederlage, aber sie haben sich auch nicht sehr viel
02:39getraut. Sie haben eigentlich im Vorfeld erklärt, wir wissen nicht, wie diese Wahl
02:42ausgehen wird. Worauf führst du denn Trumps Erfolg zurück?
02:46Wie hat er die Mehrheit auf seine Seite gebracht? Ja, rückblickend kann man dann sagen,
02:49naja, wir haben es ja immer schon gewusst, es war ja logisch. Aber es gibt
02:52verschiedene Faktoren. Der eine ist von den Themen, die bestimmend waren. Ein ganz
02:56wichtiges Thema für die Amerikaner und Amerikanerinnen war die Inflation. Die ist
03:00zwar deutlich zurückgegangen, aber das Leben ist teurer geworden. Dass auch die
03:04Einkommen gestiegen sind, das merken die Menschen viel weniger oder nehmen es als
03:08selbstverständlich oder als eigene Leistung nach. Also die Wirtschaftslage,
03:12die in den USA eigentlich sehr gut ist, vor allem im Vergleich zur europäischen
03:16Wirtschaft, wurde nicht so wahrgenommen. Und dieses It's the economy stupid,
03:21dieser Satz, hat diesmal bedeutet, es ist nicht die reale Ökonomie, aber die
03:26wahrgenommene Wirtschaft, die hier entschieden hat. Und das zweite große
03:30Thema war die Einwanderung. Bei der Einwanderungspolitik hat die Biden-
03:35Regierung, nachdem sie 2021 an die Macht kam, versucht, alles anders zu
03:41machen als Trump und hat damit eine eher lockere, offene Politik betrieben.
03:46Nicht so extrem, wie Trump das behauptet hat, aber erst ganz am Ende,
03:51im letzten Jahr, dann die Zügel strenger gezogen. Und das war offenbar zu spät
03:56für die Amerikaner. Selbst die, die jetzt von Einwanderung nicht betroffen
04:00sind, ist das grundsätzlich das Phänomen, genauso wie in Europa, etwas, was ihnen
04:05ein Unwohlgefühl gibt, wo sie das Gefühl haben, ihr geht ihr Land verloren. Und
04:10Trump hat das mit einer unglaublichen Brutalität im Wahlkampf ständig
04:14hereingepeitscht, mit massiven Übertreibungen. Da kann man sagen, bitte,
04:18der Mann ist ja verrückt. Haitianer essen keine Hunde und Katzen in dieser
04:24Stadt Springfield. Aber es hat natürlich auf der emotionalen Ebene gewirkt.
04:29Das zweite Thema ist demografisch und auch die Frage, welche
04:33Bevölkerungsgruppen wurden angesprochen. Trump hat große Fortschritte gemacht bei
04:38Minderheiten, bei Schwarzen und Latinos, vor allem bei Männern, die offenbar auch
04:43eher konservativer in ihrem Denken sind. Zwar jahrelang immer Demokraten gestimmt
04:48haben, aber sich da weniger jetzt bei dieser Partei auch zu Hause fühlen.
04:53Während Harris hat sehr stark auf das Frauenthema gesetzt, hier auch das
04:58Abtreibungsthema. Und sicher hat sie dort auch Frauenstimmen dazu gewonnen, aber
05:04offenbar weniger, als Trump Männerstimmen gewonnen hat. Und hier
05:08nicht nur Stimmen von weißen Männern, wie in der Vergangenheit, sondern auch von
05:13Schwarzen und von Latino-Männern. Und der große Unterschied ist, der sich hier
05:19ergeben hat, das werden auch diese ganzen Umfrageergebnisse, auch
05:23diese Exit-Polls zeigen, ist, es ist ein Bildungsthema geworden.
05:27Die gebildeteren Schichten, die den College-Abschluss haben, gehen
05:31mehrheitlich immer mehr zu den Demokraten. Die mit weniger Bildung, die
05:35es wirtschaftlich schwerer haben, gehen immer mehr zu den Republikanern. Und wenn
05:39man sich die einfach die Zahlen anschaut, ist die Zahl der College-Absolventen in
05:44den USA ist auch höchstens ein Drittel. Das heißt, dass der Wählerpool, den
05:49die Republikaner haben, ist dadurch sehr groß geworden.
05:53Kamala Harris hat auch für Verbesserungen für den Mittelstand
05:56geworben. Hat das nichts gebracht, um diesen starken Poll in Richtung Donald
06:02Trump bezüglich Wirtschaftsthemen abzufedern?
06:04Kamala Harris ist eine, man kann sagen, sie ist eine kluge, disziplinierte, auch
06:11sympathische Frau. Als Kandidatin war sie offenbar nicht gut genug. Es hat
06:16ihr irgendwo dieses Charisma, diese Glaubwürdigkeit gefehlt. Ja, sie hat
06:20Sachen versprochen, aber dazu war sie auch zu stark an die
06:23Biden-Regierung als Vizepräsident von Biden irgendwie verbunden. Das heißt,
06:28dieser Satz von Trump, naja, du hast vier Jahre Zeit gehabt, das zu machen, warum
06:32hast du es nicht gemacht, hat auch gewirkt. Und vergessen wir nicht, Joe Biden war
06:37ein höchst oder ist ein höchst unpopulärer Präsident. Seine
06:41Zustimmungsraten waren jetzt die letzten Jahre immer unter 40 Prozent.
06:46Und das hat bedeutet, dass eine Mehrheit der Amerikaner mit Biden unzufrieden
06:51waren, damit auch mit seiner Vizepräsidentin Harris auch nicht
06:55zufrieden waren. Und ihre Versuche, sich von ihm abzunabeln, haben einfach nicht
07:00gereicht. Und in Wirklichkeit hat sie es auch gar nicht versucht. Also es war
07:03schon eine Wahl zwischen Status Quo und Wende, Wechsel, Change.
07:09Trump, obwohl er schon Präsident war, hat diesen Change repräsentiert, so wie
07:15einst Barack Obama im Jahr 2008. Und da haben Harris Versprechungen
07:22offenbar zu wenig wirken können. Die Demokraten haben versucht, diesen
07:26Wahlkampf als Wahl zwischen einem Verbrecher und einer Verbrechensjägerin
07:30darzustellen. War den Wählerinnen und Wählern egal, dass Trump mehrfache
07:35Korruptionsvorwürfe hat, das Verfahren gegen ihn laufen, ist das
07:39alles egal? Also die Verfahren gegen ihn haben ihm
07:43nicht geschadet. Die wurden dann doch von sehr vielen als
07:47politisch motiviert gesehen, was sie möglicherweise auch zum Teil waren. Also
07:51gerade das New Yorker-Verfahren, um das Schweigegeld, da wäre nicht
07:57Donald Trump gewesen, wäre man deshalb wahrscheinlich nicht vor Gericht
08:00gelandet. Aber es war etwas anderes. Trump wurde ja nicht nur
08:05strafrechtlich verurteilt, wenn auch noch nicht rechtskräftig.
08:09Er ist ja fast schon wie ein Mafioso, wie ein brutaler Mensch, fast wie ein
08:16Krimineller in seinem Wahlkampf aufgetreten. Er hat ja versprochen, dass
08:20er Menschen ins Gefängnis werfen wird, die ihm widersprochen
08:26haben. Also er ist wirklich als Autoritärer, als Despot aufgetreten.
08:31Und dass das die Menschen zu wenig vom Kopf gestoßen hat, das ist das
08:36Erstaunliche. Und da kann man nur sagen, er war ja schon Präsident. Diese vier
08:40Jahre von Trump waren rückblickend ja eigentlich gar nicht so schlimm. Es war
08:46friedlich, die Wirtschaft ist gelaufen. Er hat zwar sehr viel Unsinn
08:50gesagt, aber das wurde alles, dann hat er wenig Konsequenzen gehabt.
08:53Wahrscheinlich haben die viele Leute gesagt, naja, so ist er halt, wir kennen
08:56ihn schon, man muss das nicht ganz ernst nehmen. Er ist letztlich ein
09:00Entertainer, er ist eine Fernsehfigur. Das alles wird schon nicht so
09:06schlimm werden und zumindest ist er entschlossen und stark. Und da kam noch
09:11ein Stück Sexismus dazu. Harris als Frau, naja, vielleicht ist die nicht stark
09:16genug. Und dann wirklich Sachen, das durchzusetzen, was wir brauchen.
09:20Ein Despot dürfte also wieder ins Weiße Haus einziehen.
09:24Was wird eine erneute Trump-Präsidentschaft für die USA und
09:29auch für uns alle und die Welt bedeuten? Ja, und ich glaube, dieses Wort
09:32Despot, Autokrat, aber noch vielleicht noch ein echter Autokrat, ist das, was uns
09:38erwartet. Trump hat ganz stark die Neigung dazu. Er hat sie immer gehabt und
09:44dass die Tatsache, dass er jetzt wiedergewählt wurde, mit seiner Art, mit
09:49seinen Versprechen, dürfte dazu führen, dass er in dieser zweiten Amtszeit
09:54wirklich keine Grenzen mehr hat. Auch die Menschen, die ihn in der ersten Amtszeit
09:57zurückgehalten haben, die sind weg. Er hat sich nur jetzt mit Loyalisten
10:01umgeben. Die Partei hat er in der Tasche. Also ich glaube, er wird tatsächlich das
10:06umsetzen, was er versprochen hat, seine Feinde zu bekämpfen, mit allen Mitteln
10:11der Justiz, vielleicht sogar mit dem Militär. Und die Möglichkeiten dazu hat
10:17er. Die amerikanische Präsidentschaft ist ein sehr, sehr starkes Amt und seine
10:23Feinde sind nicht nur die Demokraten. Das sind auch alle Republikaner, die
10:27ihm je entgegengetreten sind. Also die USA wird sich als Land sicher ganz, ganz
10:32stark ändern. Und für die Welt bedeutet das auch massive Änderungen, weil
10:37jahrzehntelang war doch die USA die Verteidigerin der Demokratie liberaler
10:45Werte einer regelnbasierten Weltordnung. Trump wird das alles über den
10:51Haufen werfen. All das, woran eigentlich die Europäische Union noch glaubt, der
10:56Protektionismus wird massiv zunehmen. Also diese Zölle wird Trump mit allen
11:01Mitteln, die er kann, sehr wohl auch einführen. Für die Ukraine ist die
11:08Situation katastrophal. Sie ist ja ohnehin schon militärisch in starker
11:12Bedrängnis und jetzt verliert sie dann ihren stärkste Unterstützung. Und ja, die
11:17Welt, die irgendwie nach 1989 entstanden ist mit Unterführung der USA, wo es doch
11:24die Hoffnung zumindest gab, dass sich liberale Demokratie ausbreitet und
11:29stärker wird. Ich glaube, da haben wir jetzt einen Wendepunkt erreicht, der
11:34hoffentlich nicht mit den 1930er Jahren vergleichbar ist. Das wäre eine echte
11:40Katastrophe, aber sicher in eine Zukunft hineingeht, die uns europäischen,
11:46liberalen, demokratischen Werten ganz und gar nicht entspricht.
11:51Erik Frey, vielen Dank für diese Einschätzung. Sehr gerne. Vielen Dank auch
11:56Ihnen fürs Zusehen. Alle weiteren Infos, Hintergründe, Analysen, Podcasts und
12:01Videos zu US-Wahl 2024 finden Sie auf derstandard.at

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