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00:00 Wale sind die größten Lebewesen, die es jemals gegeben hat.
00:03 In all den Millionen Jahren der Erdgeschichte gab es nicht ein uns bekanntes Tier, das größer
00:08 war als ein Blauwal.
00:10 Selbst die größten Meeresreptilien wie das Monster von Aramberi kommen noch nicht mal
00:15 ansatzweise an dieses heute lebende Tier heran.
00:18 Mit bis zu 30 Metern Länge und 200 Tonnen Gewicht haben sie genug Volumen für 200 weiße
00:24 Haie oder 40 afrikanische Elefanten.
00:27 Wale sind wirklich mächtige, schöne Wesen und wirken auf mich fast wie mythische Kreaturen
00:32 und können dementsprechend extrem alt werden.
00:34 Beim Blauwal sind es mindestens 100 Jahre, so alt waren nämlich gestrandete Tiere, die
00:39 man untersucht hat.
00:40 Das heißt aber, sie können wahrscheinlich noch deutlich älter werden, wenn sie einen
00:44 natürlichen Tod sterben.
00:46 Bei einem Grönlandwal sind sogar 211 Jahre bestätigt.
00:49 Und wenn ein Wal mal stirbt, dann hat das Einfluss auf viele, viele kleinere Tiere und
00:54 ihr gesamtes Ökosystem.
00:56 Manchmal passieren außerdem auch sehr seltsame Dinge mit Walen, die wir uns natürlich auch
01:01 nochmal genauer ansehen werden.
01:03 Fürs erste verbleiben Wale nach dem Ableben an der Meeresoberfläche.
01:07 Ihr Körper voller Blubber, also Fett und Gasen, lässt sie nämlich oben schwimmen,
01:12 für einige Stunden oder sogar mehrere Tage.
01:15 Je mehr Blubber ein Wal hat, desto länger treibt er an der Oberfläche.
01:19 Während dieser Zeit beginnen viele Raubtiere damit, den Kadaver anzufressen.
01:24 Darunter befinden sich vor allem Seevögel und Haie.
01:27 Haie holen so viel wie sie nur können von einem solchen Wal und fressen für bis zu
01:31 sechs Stunden am Stück.
01:32 Sie hören erst aufzufressen, wenn sie kaum noch die Kraft haben, Stücke herauszureißen.
01:37 Man hat beobachtet, dass ein Walkadaver in der Umgebung die Anzahl der Angriffe von weißen
01:43 Haien auf Seerobben massiv reduziert hat.
01:46 Ein solches Fest mal beschäftigt eine ganze Menge Haie.
01:49 Die sind währenddessen auch deutlich weniger aggressiv, obwohl sie beim Fressen öfters
01:53 aneinanderstoßen.
01:55 Es gibt aber selbst bei Haien eine Hierarchie und die größten Exemplare bekommen die besten
02:00 Stellen des Wals.
02:01 Die großen Haie legen sogar recht weite Strecken zurück, wenn sie den Geruch eines Falkadavers
02:06 aufnehmen, um sich am Gelage beteiligen zu können.
02:09 Für Wale, die im flachen Wasser gestorben sind, ändert sich nicht mehr viel, denn wenn
02:13 sie nach ein paar Stunden oder Tagen zu Boden sinken, weil die Gase den Körper verlassen
02:18 haben, fressen die gleichen Fische und Wale weiter an ihnen.
02:21 Deswegen ist der Wal schnell bis auf die Knochen abgenagt, denn die Tiere, die ihn fressen,
02:26 sind verhältnismäßig groß und brauchen mehr zu essen.
02:29 Außerdem gibt es im flachen, warmen Gewässer einfach viel mehr Raubtiere.
02:33 Die meisten Wale verenden aber im offenen Meer und dort dauert der Prozess deutlich
02:38 länger.
02:39 Der sogenannte Walsturz, also das Sinken des Wals auf den Meeresgrund in einer Tiefe von
02:44 über 1000 Metern, hat einen gigantischen Einfluss auf das dortige Ökosystem.
02:49 Es entsteht nämlich eine wahre Oase für die Bewohner der Tiefsee in der batipilagialen
02:54 Zone bis 4000 Metern und der abissopilagialen Zone bis 6000 Meter Tiefe.
02:59 Das liegt daran, dass es hier unten für gewöhnlich fast nichts gibt.
03:03 Ein einziger Wal-Kadaver hat mehr Nährstoffe als sonst in 200 Jahren auf 1 Hektar Meeresboden
03:09 fallen.
03:10 Kommt der Wal endlich unten an, machen sich spezialisierte Organismen direkt auf den Weg
03:14 zur Fallstelle.
03:15 Einige von ihnen sind auf Walstürze spezialisiert und legen auf dem Meeresboden kilometerweite
03:21 Strecken zurück, um zu den Kadavern zu gelangen.
03:23 Aufgrund der kalten Temperaturen und der geringen Anzahl an Raubtieren dauert der Zersetzungsprozess
03:29 in der Tiefe mehrere Jahrzehnte, weshalb ein Wal gleich mehrere Generationen diverser spezialisierter
03:36 Organismen ernähren kann.
03:37 Erst vor zwei Jahren haben Wissenschaftler der EV Nautilus in der Tiefsee eine frische
03:42 Walsturzstelle gefunden, was uns dabei hilft, genauer zu sehen, was hier unten so passiert.
03:47 Dabei fand man an nur einem Walsturz mehr als 12.000 einzelne Organismen aus 43 verschiedenen
03:54 Spezies, von denen ein paar sogar noch unbekannt waren.
03:57 Die Zersetzung des Körpers verläuft in vier Phasen.
04:01 In der ersten Phase beginnen mobile Aasfresser wie Schleimaale oder Schlafeihe damit Fleisch
04:07 und Blubber zu konsumieren.
04:08 Dabei fressen sie insgesamt 40 bis 60 Kilogramm des Wals pro Tag.
04:13 Bei einem normalen Wal dauert allein dieses Stadium bereits mehrere Monate und bei noch
04:18 größeren Exemplaren kann es auch über eineinhalb Jahre dauern.
04:22 Schleimaale sehen heute übrigens noch fast genauso aus wie vor 300 Millionen Jahren.
04:27 Sie gehören also zu den ältesten Spezies der Erde.
04:30 An ihren Köpfen befinden sich kleine Tentakel.
04:33 Im Gegensatz zu den meisten Tieren haben sie keinen Kiefermaul, sondern Hornzähne, die
04:38 sich horizontal bewegen und wie ein Raspelapparat funktionieren.
04:42 Exemplare der verschiedenen Unterarten sind zwischen 4 cm und 1 m lang.
04:47 Die Schlafeihe variieren auch sehr stark in der Größe, zwischen 68 cm bei den kleinen
04:53 Arten und 7,4 m bei der größten Art, dem Grönlandhai.
04:57 Der nebenbei auch noch 2 Tonnen schwer und unglaubliche 500 Jahre alt werden kann.
05:03 Er ist damit das Wirbeltier mit der längsten Lebensspanne.
05:06 Es beteiligen sich aber auch kleinere Tiere wie Grenadierfische und Millionen von winzigen
05:12 Flohkrebsen am Festmahl.
05:13 Ist das weiche Gewebe aufgegessen, beginnt Phase 2.
05:17 Hier kommen opportunistische Organismen hinzu, die sich auf die Fetzen auf den Knochen und
05:22 sogar den umliegenden Boden stürzen, um die darin enthaltenen Nährstoffe des zerfallenen
05:27 Körpers zu bekommen.
05:28 Zu diesen Organismen gehören Ringelwürmer wie Vielborster, Ranzenkrebse und viele weitere
05:34 Krustentiere und Weichtiere wie Schnecken.
05:36 Einige Arten davon haben sich komplett auf diese Phase des Wallsturzes spezialisiert.
05:42 Bis das Gewebe von den Knochen und der Umgebung komplett aufgezehrt wurde, kann es mehr als
05:46 vier Jahre dauern.
05:48 Dann ist wirklich für die meisten Tiere Schluss und es beginnt Phase 3.
05:52 Das Sulfolfile-Stadium.
05:54 Dabei spielt Osedax, ein Bartwurm, eine wichtige Rolle.
05:58 Diese Würmer leben auf den Knochen und ernähren sich über ein Wurzelsystem von den Nährstoffen
06:03 in den Knochen.
06:04 Indem sie Säure absondern, setzen sie Nährstoffe aus dem Mineralgerüst frei.
06:09 Jetzt etablieren sich Schwefelwasserstoff-imitierende Bakterien, die in den Knochen eingebettete
06:14 Lipide abbauen.
06:16 Und die Bakterienansammlungen bieten dann wiederum Nahrung für Venusmuscheln und Napfschnecken.
06:21 Ihre filtrierende Ernährungsweise kann nämlich gemeinsam mit Nahrungspartikeln auch im Wasser
06:26 enthaltene Bakterien aufnehmen.
06:28 Die dritte Phase dauert 50 bis 100 Jahre.
06:32 Erst dann beginnt die vierte und letzte Phase, bekannt als Riffstadium.
06:37 Darüber ist noch nicht sehr viel bekannt, aber einige Wissenschaftler gehen davon aus,
06:41 dass das Skelett, welches nur noch aus harten Mineralien besteht, ganz am Ende noch als
06:46 Struktur für die Tiergruppe der Filtrierer dient.
06:48 Man fand an einem Knochen in 4800 Meter Tiefe zum Beispiel drei Seeanemonen.
06:55 Dieser Knochen ist bereits vor etwa 10.000 Jahren auf den Meeresgrund gesunken, weshalb
06:59 das hier die mit Abstand längste Phase ist.
07:03 Das passiert also mit Walen, wenn sie sterben.
07:05 Aber kommen wir zurück zu den außergewöhnlichen Wal-Kadavern, die wir uns am Anfang angesehen
07:10 haben.
07:11 Was hat es damit auf sich?
07:12 Was man hier sieht, ist ein Wal mit einer extrem geschwollenen Zunge.
07:16 Von weit weg wird sie manchmal mit einer Boje verwechselt.
07:20 Tatsächlich passiert es aber sogar öfters, dass die Zunge derartig anschwillt und durch
07:24 die Gase im Inneren des Körpers nach außen gedrückt wird.
07:27 Alle Wale, bei denen das Phänomen auftritt, sind Batenwale.
07:31 Die ernähren sich, indem sie Plankton aus dem Wasser filtern.
07:34 Um das Wasser wieder herauszubekommen, haben sie sehr spezielle Zungen.
07:38 Und die füllen sich nach dem Ableben mit den Gasen aus dem Körper und blasen die Zunge
07:42 wie einen Ballon auf.
07:44 Das kann allerdings auch nach einem Unfall mit einem Wal passieren, wenn er zum Beispiel
07:48 von einem Schiff gerammt wird, was wirklich ein furchtbares Ende sein muss.
07:53 Traurige Sache.
07:54 Aber ich hoffe, ihr habt mal wieder was gelernt.
07:56 Macht's gut und passt auf eure Zungen auf.
07:59 Tschau
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