Schlittert Österreich in eine Wirtschaftskrise? Wird die Europäische Union abgehängt? Und wenn ja, was tun wir dagegen? Wie kommen wir da wieder raus? Darüber hat DER STANDARD mit Martin Kocher, Minister für Arbeit und Wirtschaft, und Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo), gesprochen.
Das Interview fand am 6. Dezember beim Europäischen Wirtschaftsgipfel in Lech statt – für eine Live-Aufzeichnung des STANDARD-Podcasts "Thema des Tages".
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NewsTranskript
00:00Mein Name ist Scholt Wilhelm, ich bin Journalist beim Standard, dort verantwortlich für alle
00:04Podcasts und Videoproduktionen.
00:06Herzlich willkommen zu dieser Live-Aufzeichnung von Thema des Tages, dem Nachrichten-Podcast
00:10des Standard.
00:11Ja, schlittert Österreich in eine Wirtschaftskrise?
00:19Wird die Europäische Union abgehängt und wenn ja, was machen wir dagegen, wie kommen
00:25wir da wieder raus?
00:27Das möchten wir alle heute hier herausfinden und zwar mit einerseits Martin Kocher, Minister
00:32für Arbeit und Wirtschaft und einmal Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen
00:37Instituts für Wirtschaftsforschung.
00:40Vielen Dank, dass Sie beide heute da sind.
00:41Danke schön.
00:42Herr Kocher, ich möchte mit Ihnen anfangen und einer kleinen Challenge.
00:52Man sagt, wenn man sich wirklich gut in einem Gebiet auskennt, dann kann man sein Thema
00:56einem Fünfjährigen erklären.
00:58Wir tun jetzt so, als wäre ich nicht fünf, sondern 15 und habe jetzt gerade in den Nachrichten
01:05gelesen in den letzten Wochen verschiedenste Hiobsbotschaften, große Pleiten, die Wirtschaft
01:10schrumpft, Arbeitslosenzahlen gehen in die Höhe.
01:13Wenn Sie es in ganz klaren, einfachen Worten ausdrücken müssten, wie steht es Ende 2024
01:20um Österreichs Wirtschaft?
01:21Na ja, die Wirtschaft hat natürlich immer Zyklen, es geht nach oben und nach unten und
01:27wir haben 2023 in der ARD erlebt, dass nach einem sehr starken wirtschaftlichen Jahr ein
01:31schwächeres Jahr war und das ist auch gar nicht ungewöhnlich, nachdem 2022 so stark
01:36war vom Wachstum her.
01:37Aber jetzt sehen wir einfach auch zu wenig Zuversicht und die Zuversicht, die da fehlt,
01:43die treibt dann die Entscheidungen von den entscheidenden Wirtschaftsobjekten, sagen
01:48wir, also von denen, die die Entscheidungen treffen, die Konsumentinnen und Konsumenten
01:51konsumieren nicht, sie sparen und die Unternehmen investieren nicht und halten das sich auch
01:56zurück und möglicherweise können sie auch gar nicht investieren, weil sie nicht genug
02:00Kapital und Liquidität haben, um das zu tun und das deutet darauf hin, dass es mehr Zuversicht
02:05braucht und Zuversicht kann nur entstehen, wenn man positive Aussichten hat und wenn
02:08man strukturelle Schwierigkeiten, über die wir später noch sprechen werden, aus dem
02:12Weg räumt und deswegen sind wir jetzt aus einer etwas üblichen Auf- und Abbewegung
02:16der Wirtschaft in eine Phase gekommen, wo es größere Reformen braucht, um wieder Zuversicht
02:23zu geben.
02:24Wir werden gleich über diese Zuversicht noch sprechen, lassen Sie uns trotzdem nochmal
02:28zurückblicken.
02:29Im Sommer, vergangenen Sommer wurde ein leichtes Wachstum noch in Aussicht gestellt aus dem
02:35Finanzministerium, dann vergingen ein paar Wochen und Anfang Herbst hieß es plötzlich,
02:41es ist doch eine Rezension, es ist doch eine schrumpfende Wirtschaft.
02:45Was ist denn in diesen kritischen wenigen Wochen passiert, dass der Optimismus plötzlich
02:52weg war und plötzlich auch das Wachstum weg war und können Sie es irgendwo nachvollziehen,
02:57dass sich der eine oder andere Wähler oder die Wählerin hinters Licht geführt fühlt?
03:01Jetzt muss ich auf die linke Seite schauen, also nicht linkspolitisch, sondern neben mir
03:08sitzend, kann ich jetzt nicht ganz ersparen, aber ich weiß, wie schwierig das natürlich
03:12ist.
03:13Der Wirtschaftsforscher macht nicht keine eigenen Prognosen, die Regierung macht keine
03:15eigenen Prognosen.
03:16Jetzt gibt es Einschätzungen, die wir abgeben, aber die Prognosen stammen von den Wirtschaftsforscherinnen
03:21und Wirtschaftsforschern und da gibt es gewisse Zyklen, wo man Daten bekommt und dann kann
03:25man die Prognosen machen und manchmal gibt es eben größere Anpassungen, jetzt können
03:28wir lange erklären, woran die liegen, vielleicht, also du bist näher dran.
03:32Wenn Sie die Forschung verantworten, wie konnte man sich da suieren?
03:36Naja, also ein ganz zentraler Treiber unserer österreichischen Konjunktur, der ist gar
03:42nicht im Inland zu verorten, sondern das ist in Deutschland und im Nachgang nach dem Karlsruher
03:49Gerichtsurteil, wo sozusagen Deutschland von einem expansiven Kurs sehr schnell in einen
03:54sehr restriktiven Wirtschaftskurs einschwenken musste, in diesem Nachgang hat sich dann eben
03:59die Konjunktur in Deutschland stark eingetrübt, überraschend eingetrübt und das kann man
04:05in Österreich nicht einfach ungeschehen machen, das drückt bei uns dann stark auf
04:08die Industrienachfrage, unsere Industrieunternehmen sind in die deutschen Wertschöpfungsketten
04:12stark integriert, deswegen ist es auch der Export und gerade nach Deutschland, der sozusagen
04:18im späten Frühjahr in Österreich stark nachgelassen hat und das ist einer der Gründe.
04:23Wir haben aber sicher auch unterschätzt, wie sehr das Inflationstrauma auf den Menschen
04:28lastet.
04:29Das ist Psychologie und die Modelle sagen, der Arbeitsmarkt ist stabil für eine Rezession,
04:36ziemlich stabil, überraschend stabil, die Realeinkommen steigen, wir haben ja sehr hohe
04:41Lohnsteigerungen gesehen, die Inflation geht zurück, es ist eigentlich angerichtet für
04:46einen Konsumboom und der kam nicht.
04:50Das hat uns überrascht, man kann sagen, das ist ein Prognosefehler für die Psychologie
04:54und für die Stimmung im Land, da gibt es viele Verantwortliche, aber wahrscheinlich
04:58ist das WIFO oder das IAS am wenigsten dafür verantwortlich, wie die Gefühlslage der Österreicherinnen
05:03und der Österreicher ist und diese psychologischen Schocks sozusagen, die machen das Prognosegeschäft
05:11gerade jetzt, das war in der Vergangenheit auch immer wieder so, sehr schwierig.
05:15Jetzt sind wir von der Datenanalyse in die Psychologie gewandert, Herr Koch, Sie wollen
05:19noch etwas ergänzen?
05:20Nein, aber es ist ja immer so, dass gar diese Wendepunkte, wann wird es besser, vom Zeitpunkt
05:25her extrem schwer vorherzusagen sind und wir sehen es natürlich jetzt auch, durch diese
05:30Unsicherheit, die existiert, wird eben weniger konsumiert, es wird mehr gespart, das heißt
05:34natürlich auch, dass der nächste Auffang möglicherweise stärker wird, aber man traut
05:37sich jetzt auch nicht sagen, das wird wirklich stärker, weil eben diese Unsicherheit immer
05:40noch da ist und diese Zuversicht fehlt, aber die kann man auch nicht verordnen, so ist
05:43es leider.
05:44Vielleicht wird es doch mal schwieriger, wie es aussieht, weil ich glaube gestern oder
05:47heute das Institut der deutschen Wirtschaft die Prognose für Deutschland, nächstes Jahr
05:52auf 0,1% abgesenkt, der Sachverstand, ich denke gerade vor ein paar Tagen, hat von
05:570,9% auf 0,4% abgesenkt, jetzt kann man dann wieder sagen, uh, das WIFO hat sich verrechnet,
06:02naja, wenn die deutsche Konjunktur überraschend schwach ist, wie sich das jetzt für das nächste
06:07Jahr wieder anbahnt, dann wird das auch in Österreich Spuren hinterlassen, das sind
06:12keine Rechenfehler, sondern das ist leider die Tatsache, dass wir in Österreich eingebunden
06:16sind in diese größeren Konjunkturkontexte.
06:18Darauf haben wir auch noch zu sprechen, ich möchte noch mal ganz kurz auf die großen
06:22Pleiten der vergangenen Wochen zu sprechen kommen oder vergangenen Monate eigentlich.
06:26Natürlich gibt es unterschiedliche Wege, wie man zu einem Konkurs kommt, aber interessant
06:30ist, dass bei diesen großen Pleiten, ich sage jetzt mal ein paar Beispiele, Signer,
06:35KTM, Kika-Liner, dass es bei all denen im Nachhinein so ein paar Aha-Momente gab, wo
06:40man sich gedacht hätte, hätte da nicht jemand einschreiten müssen, hätte das nicht vorher
06:46auffallen müssen.
06:47Ich sage die Beispiele ganz konkret, Signer ist über Jahre lang immer größer geworden,
06:53schnell gewachsen, die Unternehmenswerte sind im Papier irrsinnig groß geworden, dann kommt
06:57die Zinsänderung und von einem auf den anderen Tag fällt das Ganze wie ein Kartenhaus zusammen.
07:01Bei KTM gab es nach diesem Boom in der Corona-Zeit einen Abschwung oder beziehungsweise man hat
07:08sich abgezeichnet, dass man nicht mehr so gut dasteht, trotzdem wurden auch im vergangenen
07:11April Millionen-Dividenden ausgezahlt an die Anteilseigner und bei Kika-Liner gab es
07:16da die berühmte Steuerstundung von 150 Millionen Euro unter dem Bundeskanzler Sebastian Kurz,
07:24ohne irgendeine Sicherheit dafür zu verlangen.
07:27Meine Frage wäre an Sie, Herr Kocher, braucht es strengere Kontrollen, braucht es noch strengere
07:33Spielregeln für diese großen Konzerne, die in Österreich viele tausende Menschen beschäftigen?
07:38Die Frage ist, wie sollte man solche Spielregeln überhaupt implementieren,
07:44weil das nicht sehr unterschiedliche Branchen sind, jetzt haben Sie es gerade gesagt,
07:46sehr unterschiedliche Gründe auch ausschlaggebend waren, zum Teil sicher auch Managementfehler oder
07:53Falscheinschätzungen, muss nicht immer ein Fehler sein, Falscheinschätzungen, das kann ja auch
07:56passieren. Teilweise sind es Geschäftsmodelle, die nicht nachhaltig waren vielleicht und im
08:00Nachhinein zeigt sich das klarer. Es gibt ja auch überall bei diesen Unternehmen,
08:03entweder Aufsichtsräte, es gibt die Gläubigerinnen und Gläubiger, die die Kredite geben,
08:08das macht ja auch nicht die Regierung, es betrifft ja vor allem diejenigen,
08:10die dort Geld hineingesteckt haben und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Aber es ist
08:14natürlich ganz, ganz schwer, über die hunderttausend Unternehmen, die es in Österreich
08:18gibt, zu sehen, wo sich gewisse Geschäftsmodelle entwickeln oder nicht entwickeln. Was anders ist,
08:24wenn es tatsächlich Malversationen gab, also tatsächlich Verstöße gegen geltendes Recht,
08:29das gibt es auch gelegentlich, deswegen gibt es natürlich auch immer wieder Anzeigen und
08:32bei einigen dieser Konkurse gibt es natürlich auch anhängige Verfahren und das auch gut so,
08:37klarerweise, das muss auch aufgearbeitet werden. Herr Felbermayer, Sie haben schon über die
08:42Prognose für 2025 gesprochen. Sie haben gemeint, es sieht nicht so gut aus. Können Sie es anhand
08:48von ein paar konkreten Zahlen festmachen? Rechnen Sie mit steigenden Arbeitslosenzahlen? Wird es
08:54weitere große Pleiten geben und was sind die Gründe dafür, für Österreich jetzt einmal?
09:00Ja, über die Gründe haben wir schon ein Stück weit gesprochen. Da ist sicherlich dieses Thema
09:05Unlust am Konsumieren, Unlust auch am Investieren, was mit Unsicherheit zu tun hat, die sehr groß ist.
09:11Die kommt zum Teil auch aus Österreich selber. Wir haben keine Regierung aktuell, keine mit einem
09:16Regierungsprogramm, die handeln kann. Man weiß nicht, was da kommen wird. Viel schwerer wiegt
09:21aber auch für uns das große Gesamtbild, was passiert in den USA, was passiert in Deutschland.
09:28Jetzt haben wir in Frankreich große Unsicherheiten, das kann sich auf der Eurozone auswirken. Also
09:32da ist sehr viel Unsicherheit da. Die wird hoffentlich in der zweiten Hälfte 2025 weg sein.
09:37Dann hoffen wir sehr, dass es bei uns in Deutschland zumindest handlungsfähige Regierungen gibt.
09:45Die Prognose für die einzelnen Bereiche ist gerade in Arbeit. Am 20. Dezember gibt es ein Update
09:55von WIFO und IHS. Eines deutet sich schon an, das kann ich schon sagen, dass wenn in Deutschland
10:02jetzt so stark herunterrevidiert wurde, dann werden wir in Österreich nicht bei den 1 Prozent,
10:06die wir für das nächste Jahr erwartet haben, bleiben können. Das wäre sehr ungewöhnlich,
10:09wie wir es sehen. Aber durchaus auch schon ein paar Dinge der Aufhellung. Im Bau sollte sich
10:15das niedrige Zinsniveau und jetzt auch das Auslaufen lassen der KIM-Verordnung, die also
10:21sehr starke, strenge Regeln angelegt hat, wie Baukredite vergeben werden. Das sollte
10:26belebend wirken. Das wirkt vielleicht Ende 2025 oder beginnt das zu wirken. Dann sehen wir,
10:31dass in der nicht energieintensiven Industrie sich das Produktionsvolumen schon seit Sommer
10:36etwas erholt. Wir sehen, dass in der Industrie die Lage zwar immer noch schlecht eingeschätzt wird,
10:42aber die Erwartungen besser als die Lage. Auch das deutet darauf hin, dass man da zumindest
10:47den Boden erreicht hat. Also ich würde mal sagen, für 2025 ist die rationalste Annahme immer noch,
10:55dass es ein leichtes Wachstum geben wird. Aber leichtes Wachstum heißt null Komma irgendwas.
11:01Das ist für das, was wir eigentlich bräuchten, um unsere Ideen umzusetzen, um zu investieren,
11:06Zukunft zu gestalten, ist das sehr wenig. Sie haben schon angesprochen, dass es jetzt
11:13keine Regierung gibt, noch keine Regierung gibt, jetzt ein neues Paket zusammenschnürt für die
11:19Wirtschaft. Herr Kocher, die ÖVP hat für die nächste Regierung ausgeschlossen, dass es neue
11:26Steuern geben wird. Aber wird es auch ohne ein Sparpaket gehen? Ich glaube, das ist mittlerweile
11:33eine Diskussion über den Begriff, was ist ein Sparpaket. Und das macht nicht allzu viel Sinn,
11:40darüber zu diskutieren. Wenn man die Maastricht-Kriterien einhalten will, die Defizitgrenzen
11:45einhalten will, dann gibt es ein Delta, das zu schließen ist. Und da gibt es verschiedene
11:50Möglichkeiten, dieses Delta zu schließen in 2025 und 2026. Ich glaube, dass es durchaus möglich ist.
11:57Das ist ja nicht das erste Mal, dass es so etwas gibt. Und angesichts der schwachen Wachstumszahlen
12:02auch nicht überraschend. Wir müssen auch dazu sagen, in ganz Europa gibt es höhere Defizite,
12:06in einigen Ländern viel höher als in Österreich. Das macht mir auch Sorgen. Deswegen ist es so
12:10wichtig. Auch da geht es wieder nicht klarerweise um die Signale. Jetzt kann man diskutieren,
12:14wie man es genau macht und wie schnell man es macht und wie konform das ist mit den Regeln.
12:20Da gibt es die verschiedensten Lesarten davon. Aber es wichtig ist, dass man sich dran macht
12:24und klar signalisiert, man kommt da wieder runter. Von den Defiziten nicht als Selbstzweck,
12:28sondern dafür, dass man beim nächsten Mal, wenn es wieder irgendwelche Schwierigkeiten gibt,
12:32und wir haben jetzt in den letzten fünf Jahren zwei Krisen erlebt, die unvorhergesehen waren,
12:36weitgehend, auch exogen, die können wir gar nicht beeinflussen, die kommen von außen.
12:41Die Corona- und die Ukraine-Krieg.
12:42Genau, richtig. Und den Spielraum dafür zu haben, Budgetär ist sehr, sehr wichtig. Und es gibt ein
12:47paar Länder in Europa mittlerweile, wie zum Beispiel Frankreich, wo dieser Spielraum immer
12:51eingeschränkter wird angesichts der Entwicklung. Und das ist natürlich schon besorgniserregend,
12:55umso wichtiger ist, dass Österreich hier die richtigen Schritte setzt. Aber ich bin
12:58vollkommen überzeugt davon, dass das allen Verhandlern derzeit klar ist.
13:02Herr Felbermayr, in Österreich, wenn ich jetzt nicht total verrechnet habe oder falsch
13:07nachgeschaut habe, halten ungefähr fünf Prozent der reichsten Menschen 50 Prozent des Vermögens.
13:13Braucht es eine Reichensteuer?
13:16Ja, schauen Sie, wir haben ein progressives Steuersystem. Die Reichen werden in Österreich
13:23besteuert. Das klingt so, als würden wir die Reichen nicht besteuern. Schauen Sie sich an,
13:27wer Einkommenssteuer zahlt in Österreich. 40 Prozent der Menschen zahlen, glaube ich,
13:3480 Prozent des Einkommenssteuervolumens und das sind die Gutverdienenden. Ja, es ist so,
13:40das muss man auch festhalten, im internationalen Vergleich ist die Besteuerung von Vermögen in
13:44Österreich eher gering. Ja, das ist so. Österreich ist aber ein kleines Land. Und das bedeutet,
13:50dass, wenn man sehr aggressiv Vermögen besteuern möchte, gibt es die Gefahr,
13:55dass das Vermögen, und zwar das mobile Vermögen, Finanzvermögen, dass sich das aus dem Land begibt.
14:00Und wir sind recht gut gefahren eigentlich bisher, als Sitz für sehr reiche Menschen aus dem Ausland
14:07zu dienen, die hier Vermögen parken und dieses Vermögen hier in Österreich arbeiten lassen,
14:10die mit dem Geld, das sie haben, die Salzburger Festspiele mit unterstützen. Also da wären wir
14:15ziemlich blöd, wenn wir diese Familien, diese Stiftungen, die es auch sind, mit einer strengen
14:25Vermögensbesteuerung aus dem Land jagen. Das immobile Vermögen wäre was anderes. Das immobile
14:31Vermögen, das sind Grundstücke, Bauwerke, die man eben nicht einfach nach Panama verlagern kann
14:38oder nach Liechtenstein. Und ich denke, eine Grundsteuerreform, die ohnehin seit Jahren
14:45eigentlich reformbedürftig wäre, könnte ein Element sein. Und da kann man dann schon auch
14:51fragen, ob man nicht durch Hebesätze, die Gemeinden sind ja die Nutzen der Grundsteuer,
14:57ob man da nicht Flexibilisierung einführt, die dann am Ende vielleicht auch zu höheren
15:00Steuernahmen führt. Damit würde man am Ende auch Vermögen stärker belasten. Denn Grundbesitz,
15:06Immobilienbesitz, ist in Österreich für die allermeisten Menschen die wichtigste Vermögensform
15:10und die kann nicht davonlaufen. Dann hätten wir schon eine Steuererhöhung für die nächste
15:15Regierung. Vielleicht nochmal anders gefragt. Sie haben beide gesagt, es fehlt der Anreiz zu
15:23konsumieren. Die große Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher ist eben nicht
15:28vermögend. Wie schafft man denn Anreize, dass auch die Normalos wieder mehr Geld ausgeben?
15:35Ja, Anreize sind nicht der richtige Punkt, glaube ich. Es geht einfach um diese Zuversicht. Also,
15:39wenn die Zuversicht nicht da ist, dann gibt es auch keine Möglichkeit, diese Anreize irgendwie
15:45zu setzen. Die Leute sparen einfach, wenn sie vor einer unsicheren Zukunft stehen. Es gibt
15:50vielleicht auch noch andere psychologische Gründe derzeit, die mit der Inflation zu tun haben. Das
15:56ist etwas komplizierter zu erklären. Aber grundsätzlich geht es vor allem darum, dass die
15:59Menschen einfach glauben, sie sollten im Moment etwas sparen, weil die Zukunft unsicher ist. Und
16:04manche Dinge kann man auch nicht beeinflussen. Dass es einen Krieg gibt, dass Russland die Ukraine
16:08angegriffen hat, dass das Unsicherheit in Europa erzeugt, ganz klar. Das kann man aus Österreich
16:12nicht ändern. Das kann man versuchen zu beeinflussen über die diplomatischen Kanäle. Aber wir werden
16:17das nicht als Österreich allein lösen können. Aber es gibt nicht in Österreich Möglichkeiten,
16:20den Leuten mehr Sicherheit zu geben. Und ein Punkt, den wir zum Beispiel angesprochen haben
16:24davor, was die Gefahr, arbeitslos zu werden betrifft, da ist besonders wichtig, dass ich
16:29kann nicht jede Firmenpleite verhindern. Was ich kann, ist mit aktiver Arbeitsmarktpolitik und mit
16:35einem guten System der Vermittlung beim AMS möglichst viel Sicherheit geben, wenn jemand
16:40arbeitslos wird, dass man doch relativ rasch wieder etwas findet. Und es ist uns gelungen,
16:44die letzten drei Jahre jeweils die höchsten Budgets für aktive Arbeitsmarktpolitik zu haben.
16:50Und ich glaube, das ist richtig so angesichts des Strukturwandels ohnehin, aber auch angesichts der
16:54konjunkturellen Lage. Es ist wichtig. Und das ist nicht ganz einfach, weil es natürlich auch
16:58regional unterschiedlich ist. Aber glücklicherweise ist es so, dass wir vielen Menschen relativ rasch
17:02wieder einen neuen Arbeitsplatz vermitteln können oder eben eine Ausbildung, Umschulung,
17:07Aufschulung, die noch bessere Chancen langfristig für die Menschen bietet. Das ist das, was die
17:12Regierung machen kann. Sie kann die Insolvenzen, die viele Insolvenzen zumindest nicht verhindern.
17:17Es gibt nicht nur in Österreich, aber auch in Österreich Politiker, Politikerinnen, Parteien,
17:24konkret eine Partei vielleicht, die der Ansicht sind, Österreich wäre ohne die Europäische Union
17:31besser dran. Können wir da eine ganz kurze Antwort haben? Vielleicht von Herrn Feldmann-Meyer,
17:38wäre das so? Nein. Es reicht eigentlich. Ja, es reicht eigentlich. Und wer es nicht glaubt,
17:45der möge sich die Performance des Völkischen Königsreichs seit 2016 ansehen und das vergleichen
17:51mit den Versprechungen, die rund um den Brexit gemacht wurden. Zum Beispiel für das National
17:56Health System und andere, die gesagt haben, wenn wir mal die Beiträge nicht mehr zahlen,
17:59dann wird das Gesundheitssystem wieder ganz toll funktionieren. Es hat sich vieles in Großbritannien
18:05verschlechtert seitdem. Die Briten werden noch länger in der Aufholjagd arbeiten. Trotzdem
18:10gibt es innerhalb der EU und auch über die EU hinweg in verschiedenen Ländern große Probleme
18:16aktuell. Beispielhaft für diese großen Probleme ist die Autoindustrie. Da kracht es nicht nur in
18:23Deutschland, sondern auch in anderen Ländern. Können Sie uns eine Einschätzung geben,
18:28Herr Kocher, wie schlimm es gerade wirklich ist und wie uns das auch trifft? Ja, natürlich ist
18:34das eine der Schlüsselindustrien aus der Geschichte auch Europas, wo vieles zusammenkommt. Auf der
18:43einen Seite tatsächlich auch möglicherweise Versäumnisse und ich würde sagen ziemlich
18:47sichere Versäumnisse bei der Entwicklung, bei der technologischen Entwicklung, bei der Fokussierung
18:52auf gewisse Technologien. Das, glaube ich, kann man der Industrie nicht ganz ersparen. Das ist
18:56schwierig für Zulieferer, aber für die jeweiligen Hersteller, glaube ich, kann man schon sagen,
19:01dass man da etwas offensiver hätte sein können in gewissen Bereichen. Dazu kommt natürlich aber
19:05inner, wenn es einen großen, starken Technologiewandel gibt, die Schwierigkeit,
19:10den richtigen Zeitpunkt zu wählen, um die Signale zu geben für einen Umstieg. Und es ist einfach
19:15nicht so klar, welche Technologie wann funktionieren wird, wie schnell sie sich entwickelt. Wir wissen
19:20nicht, ob nicht in drei, vier Jahren viel bessere Batterien für batterieelektrische Fahrzeuge
19:25verfügbar sind. Und immer dann, wenn es diese Unsicherheiten gibt und es um langlebige
19:29Konsumgüter geht, also Dinge, die man länger braucht, dann wartet der Konsument, die Konsumentin
19:34ganz gerne, weil er sagt oder sie sagt, naja, ich muss jetzt vielleicht kein neues Auto kaufen.
19:37Ich warte ein bisschen, bis sie das geklärt hat. Und diese Klärung kann man auch gar nicht so leicht
19:42herbeiführen. Natürlich kann man gewisse Sachen vorgeben, aber das ist nicht in der Demokratie
19:45auch gar nicht so leicht zu sagen, ihr müsst jetzt das kaufen. Und das macht es etwas schwieriger,
19:49dass nicht immer die besten Signale auch in der Diskussion, die es auf europäischer Ebene gegeben
19:53hat, über welche Automobile und welche Ziele, dass diese Signale nicht immer ganz klar waren.
19:58Das will ich jetzt gar nicht in Abrede stellen. Das war sicher auch nicht optimal.
20:01Herr Felbermayer, VW, einer der größten Arbeitgeber in Deutschland, hat zum ersten Mal
20:06darüber gesprochen, auch Werke zu schließen in Deutschland. Können Sie Zahlen nennen,
20:11wie schlimm es wird für die Autoindustrie? Und was bedeutet das für Österreich?
20:17Wir haben in dem Lieferketteninstitut, das wir ja dank deiner Unterstützung in Wien haben,
20:25ausgerechnet, wie viele Zulieferjobs in Österreich an Volkswagen hängen. Das sind 6.000,
20:30das ist also schon eine ganze Menge. Gut bezahlte Jobs.
20:34Das sind Facharbeiterjobs, das sind Jobs in sehr oft traditionsreichen Unternehmen,
20:43oft im ländlichen Raum. Also diese Jobs will man nicht verlieren, natürlich. Insofern ist da schon
20:49was da. Auch in Deutschland ist das so, dass Volkswagen in einigen Regionen extrem wichtig ist,
20:55also das ganze Gegengrund um Hannover, Wolfsburg. Wenn da Volkswagen starke Einschnitte machen muss,
21:04dann ist das für eine ganze Region verheerend. Insofern ist das schon eine Belastung. Es ist
21:11auch ein psychologisches Signal. Der Käfer und dann der Golf, der steht ja schon für das
21:19Wirtschaftsmodell Deutschland, auch für seine Schwächen und Eigenarten. Volkswagen ist ja kein
21:24normales Unternehmen. Sperrminorität des Landes Niedersachsen etc. Aber das ist so ein bisschen,
21:29so hat man Deutschland aufgebaut nach dem Zweiten Weltkrieg. Und wenn da jetzt doch
21:34deutliche Risse zu spüren sind, dann ist das ein weiterer Grund für Verunsicherung. Was ist mit dem
21:39Geschäftsmodell? Und es ist ja nicht nur Volkswagen allein. Man muss ja durchaus auch
21:45bei den anderen Automobilherstellern feststellen, aufgrund der geopolitischen Lage produziert man
21:51lieber dort, wo die Nachfrage ist, statt mit Exporten. Das ist schlecht für den deutschen
21:55Standort, auch schlecht für unsere Zulieferer. Dann wird das Auto für den chinesischen Markt
21:59in China und für den amerikanischen Markt in den USA hergestellt, aber mit einem Audi oder BMW oder
22:06Mercedes-Logo drauf. Da wird man sich vermutlich in Deutschland und auch bei uns als Zulieferland
22:13darauf einstellen müssen, dass die Automobilbranche redimensioniert werden muss. Und es kommt noch
22:18was dazu, das hat man auch sehr spät erst wahrgenommen. Da gibt es ein großes Land in
22:24der Welt, seit Jahren eigentlich der größte Markt für Automobile, die es plötzlich schaffen,
22:30selber tolle Autos zu bauen. Mithilfe ganzer Legionen, ganzer Flugzeuge deutscher Automanager,
22:35das muss man auch sagen. Und das hat man auch, wenn man von Verzäumnissen spricht. Das wird
22:42schon irgendwie noch gehen, aber nein, China kann auch, lernt auch, die bauen ganz neue Fabriken.
22:50Die neue Fabrik ist produktiver als eine vor zehn Jahren in Europa gebaute Fabrik. Die haben da doch
22:56weltweit Marktanteile dazugewonnen auf Kosten europäischer Marken und auch das wird nicht so
23:02schnell weggehen. Es gibt nicht nur chinesische E-Autos, die die europäische Wirtschaft unter
23:08Druck setzen. Auch der Krieg in der Ukraine, den haben Sie schon genannt. Dann wurde gerade Donald
23:13Trump wiedergewählt, der auf einen Nationalismus setzt, auf Zollkrieg und Zollpolitik. Jetzt wurde
23:19auch noch bekannt, gerade, dass ein Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union
23:23und Südamerika, zumindest macht man sich darüber verständigt, dass man eins abschließen möchte.
23:29Wie wird sich das denn alles auf die EU für das nächste Jahr, für die nächsten zwei Jahre
23:34auswirken? Sehr komplex natürlich, aber wenn Sie uns eine Richtungsweisung geben könnten.
23:40Ja, es waren viele Fragen auf einmal, also ich versuche es auch kurz zu machen. Die EU ist ein
23:45sehr exportorientierter Kontinent insgesamt. Viel stärker als zum Beispiel die USA und das heißt,
23:54wir sind stärker abhängig vom Welthandel, von einem funktionierenden Welthandel. Andererseits
24:00so zu sagen, haben wir nicht auch Vorteile, wenn dieser Welthandel gut funktioniert. Und jetzt
24:05wird die Frage sein, wie wirken sich diese Dinge aus, die Sie angesprochen haben. Wird es Zölle
24:10geben gegenüber der EU? Niemand weiß es. Dass es grundsätzlich sinnvoll ist, Freihandelsabkommen
24:15abzuschließen, das ist common sense in der Europäischen Union. Also es ist Mercosur,
24:20das Abkommen, das Sie angesprochen haben, gerade in der großen Diskussion. Und wir werden sehen,
24:25wie es jetzt da weitergeht. Es gibt ja unterschiedliche Positionen. Ich sage jetzt
24:28nichts im Detail dazu, kann ich aber gerne machen, wenn es Interesse gibt. Aber wir haben in den
24:34letzten Jahren viele Handelsabkommen als EU abgeschlossen. Das ist der EU auch Verantwortung
24:39und in fast allen Fällen oder praktisch allen Fällen, ich kenne kein Gegenbeispiel, hat das zu
24:44großen Vorteilen für die EU geführt. Auch bei Handelsabkommen, wo es Schwierigkeiten gab. Das
24:49heißt, wir müssen uns weiterhin einsetzen als Europäische Union, dass es Abkommen gibt, aber
24:54auch, dass es einen fairen, regelbasierten Welthandel gibt, wo nicht die Macht des Stärkeren
24:59sich durchsetzt. Gleichzeitig dürfen wir nicht naiv sein, wenn es natürlich Angriffe auf diese
25:05freie Welthandelsordnung gibt, durch Zölle, durch unfaire Praktiken, Subventionen. Da müssen wir uns
25:10verteidigen. Das tut aber die Europäische Kommission, die auch da verantwortlich ist,
25:13eigentlich sehr gut. Da gibt es auch da relativ viel Einigkeit in der Europäischen Union, wie
25:17man damit umgehen sollte. Herr Felbermaier, wenn man sich die Europäische Wirtschaft anschaut, dann gibt
25:23es viele Glanzlichter, Flugzeugindustrie zum Beispiel, Autoindustrie bis vor kurzem, wie wir
25:29gehört haben. Ein Bereich, wo wir unterperformen, würde ich sagen, ist die IT und wenn wir es noch
25:35ein bisschen zukunftsorientierter benennen würden, ist die künstliche Intelligenz. Das findet praktisch
25:40alles außerhalb der Europäischen Union statt. Wie schlimm oder wie sehr wird denn die EU hier
25:47abgehängt und kann man das überhaupt ändern? Die letzte Frage ist entscheidend. Kann man das
25:54ändern? Wir sind ein alternder Kontinent und die Frage ist, was für ein Anspruchsniveau können
26:03wir überhaupt sinnvollerweise ansprechen oder durchsetzen wollen. Die muss man sich schon
26:09stellen. Wir sind so knapp im Durchschnittsalter unter 50 in der Europäischen Union. Die Amerikaner
26:15sind acht Jahre jünger im Durchschnitt, die Israel ist noch mal acht Jahre jünger und eine Bevölkerung,
26:21die jünger ist, ist technologieaffiner. Das ist leider so. Nicht nur, weil jüngere Menschen
26:27innovativer sind, sondern auch, weil die Nachfrage nach den Produkten, die dann entstehen, größer ist.
26:33Also Chatship IT, ich bin uns auch schnell durchgesetzt, aber das war nicht der erste Markt,
26:37wo man KI getestet hat. Das war anderswo. Insofern haben wir da schon strukturelle Nachteile und man
26:45muss ein bisschen vorsichtig sein, jetzt wieder Ziele zu postulieren. Wir werden da wieder eine
26:51Vorreiterrolle erhalten. Ich glaube, was uns gelingen muss, ist, dass wir diese neuen Technologien in die
26:57Prozesse, die wir schon haben, wo wir Stärken haben, im Maschinenbau, in der pharmazeutischen
27:02Industrie, im Autobau. Ich schreibe die Automobilindustrie überhaupt nicht ab, gar nicht.
27:06Ich glaube, dass die Marken, die wir haben, Mercedes und BMW und Audi, wie sie heißen,
27:11und Porsche und Lamborghini, das ist ja eine endlose Liste. Das sind sehr mächtige Marken,
27:16das wird wieder glänzen. Aber es muss uns gelingen, dass die neuen Technologien, vieles rund um IT,
27:23dass das dann dort auch nutzbringend und wertschöpfungsstiftend eingesetzt wird. Und
27:27dann muss man nicht überall der Kontinent sein oder das Land sein, das da der Erste ist oder das
27:34größte Unternehmen hat. Aber wir müssen es nutzen können. Und das ist auch in der Vergangenheit
27:38immer wieder gelungen. In Europa hat man viel Vorreiterrolle gehabt beim Einsetzen von
27:45Automatisierung in Fabriken zum Beispiel, viel früher als die Amerikaner. Die Amerikaner haben
27:51im IT-Bereich die Nase vorn, aber wir haben dann in unserer Industrie die Methoden eingesetzt und
27:58haben Produktivitätsgewinne dadurch bekommen. Thema Robotisierung zum Beispiel. Also da ist
28:04viel Chance da, selbst wenn man nicht die Nase vorn hat, in der Entwicklung bei all diesen
28:09Technologien. Ich würde mich da vielleicht auch noch ganz kurz ergänzen, dass man, glaube ich,
28:13da auch durchaus zuversichtlich sein kann. In einigen Bereichen muss ich erstens nicht
28:17konzentrieren auf die Stärken und wo es Komplementaritäten, also Ergänzungen zu
28:21diesen Stärken gibt. Und zweitens gibt es natürlich auch Grundlagenforschung,
28:25die bald in die Anwendung kommt, wo Europa ausgezeichnet aufgestellt ist. Und es muss
28:29uns gelingen, das hegen und zu pflegen, zum Beispiel im Bereich Quantencomputing,
28:32Quantentechnologien, Kryptografie. Da sind wir sehr, sehr gut. Und wenn es uns gelingt,
28:38und möglicherweise Künstliche Intelligenz wird da sehr rasch damit zusammenhängen,
28:42weil es um die Rechenkapazitäten geht. Also wenn es uns gelingt, hier diese Stärke aufrecht zu
28:45halten, haben wir in Europa etwas, wo wir wirklich auch wieder Wachstumschancen haben.
28:49Kann man niemand vorher sagen. Wir reden über die nächsten fünf bis zehn, 15 Jahre. Aber also
28:53wir sollten auch nicht unser Licht unter den Schäfel stellen.
28:55Wenn ich das noch ergänzen darf, was wir da brauchen, und das wissen wir schon,
28:59das steht im Letter Report, das steht im Trage Report. Wir müssen den Binnenmarkt einsetzen.
29:04Und wir wollten ja auch ein bisschen über Europa reden. Das ist, glaube ich, schon ganz zentral,
29:08dass man nicht sagen kann, in Österreich sind wir jetzt in einer Technologie sehr ambitioniert.
29:14Das muss auf europäischer Ebene passieren. Wenn wir einen echten europäischen Kapitalmarkt hätten,
29:19dann wäre es leichter für die vielen Startups, die wir haben, dass wir die auch skalieren.
29:25Ich glaube, wir sind schon ganz gut beim Entstehen des Startups. Sie wachsen auch,
29:30aber die Skalierung, dass es große Unternehmen werden, die gelingt uns nicht als der Kapitalmarkt
29:35ein Thema. Also wir müssen schon die Hausaufgaben machen. Sonst wird aus diesen schönen Vorstellungen
29:40nichts. Aber das wäre jetzt die ganz dringende Aufgabe der neuen Kommission.
29:47KI hat einige Eigenschaften, die unser Leben aufwühlen könnte, unseren Alltag verändern
29:54könnte, unsere Gesellschaft verändern könnte. Eine davon ist, es gibt Prognosen,
29:58dass KI Arbeitsplätze ersetzen könnte in gewissen Bereichen. Eine andere ist,
30:02dass KI und diese massive Datenverarbeitung irre viel Strom braucht. Jetzt hat die Europäische
30:09Union sehr ambitionierte Pläne, was die Energiewende betrifft. Wird denn diese
30:16Hightech-Revolution, wird sich die ausgehen, wenn wir gleichzeitig die Energiewende herstellen wollen?
30:23Ja, ist auch schwer zu sagen. Also es stimmt natürlich und das hängt ja nicht nur mit KI
30:28zusammen. Wir wollen ja auch die Mobilität in Richtung Elektrifizierung bringen. Also wir haben
30:32ein Jahrzehnt vor uns in Europa, wo Elektrifizierung eine ganz, ganz große Rolle spielen wird und die
30:41große Aufgabe wird sein, dass in dieser Phase, wo es extrem starke Investitionen in die Netze,
30:47in die Speicherung von elektrischem Strom braucht, um das zu erreichen, um dann später günstiger und
30:56auch CO2-freundlicher oder CO2-neutral zu produzieren, zu konsumieren, zu leben. Dass
31:03wir diese Investitionen irgendwie verteilen und eben nicht, dass es dazu führt, dass alle Kosten
31:09jetzt anfallen, dass die Industrie absiedelt, dass CO2 woanders ausgestoßen wird und dem Weltklima
31:15nicht geholfen ist, wir aber an Industrie- und Forschungskapazitäten und was immer
31:19Kapazitäten im KI-Bereich verlieren, weil wir nicht genug erneuerbare Energie haben. Das ist
31:24nicht ganz einfach. Auch da braucht es nicht europäische Lösungen. Auch das wird ein ganz
31:27zentraler Punkt der neuen Kommission sein. Es hat erste Schritte gegeben im Bereich der
31:32Energiemärkte, aber da fehlen noch einige wichtige Bestandteile, um das wirklich zu
31:37erreichen und diese Balance zu haben, um dann wirklich in 10, 15 Jahren die Vorteile genießen
31:42zu können und nicht eben deindustrialisiert zu sein. Und das Tolle bei der KI ist, da wird man
31:46viel rechnen müssen, aber die Rechner können in Island stehen und wir können hier den Nutzen haben.
31:52Das ist bei vielen anderen Aktivitäten nicht so. Ich muss mein Haus schon hier heizen, wenn ich es
31:56warm haben will, aber ich kann rechnen lassen, wo der Strom grün und günstig hergestellt werden
32:01kann. Deswegen mache ich mir deswegen keine Sorgen. Und die Kühlung ist auch noch gratis.
32:04Herr Felbermayr, Sie haben schon angesprochen die Probleme der Alterspyramide. Wir werden
32:10immer älter, es gehen uns die Arbeitskräfte aus, immer weniger junge Menschen müssen,
32:15immer mehr alte Menschen stützen, wenn man das jetzt so sagen darf überhaupt. Gleichzeitig gibt
32:21es in Europa einen riesigen Trend zu Parteien und politischen Bewegungen, die auf Abschottung
32:27setzen, die sagen Zuströme stoppen. Wird sich denn unsere Wirtschaft in den nächsten Jahren
32:35überhaupt noch tragen lassen, wenn wir nicht massiv auf Migration setzen?
32:39Naja, also Migration ist nicht gleich Migration. Also was wir in Europa sicherlich in den nächsten
32:47Jahrzehnten dringend brauchen werden, sind qualifizierte Fachkräfte, Menschen, die mitarbeiten
32:53am europäischen Projekt. Und ich glaube, was sich bei den Wahlen bemerkbar gemacht hat,
32:58in Frankreich, in Österreich zum Teil, vielleicht bald auch in Deutschland, beim Brexit ganz stark
33:04ist diese Vorstellung des Kontrollverlusts, dass da kommt, wer will. Das stimmt ja so nicht,
33:09viele sind vertrieben worden, aber wir haben natürlich einen Bedarf an Einwanderung,
33:16aber wir müssen wieder in Europa in die Lage kommen, wo die Bevölkerung weiß, dass wir selber
33:24die Kontrolle haben darüber, wer kommt und wer dann eben nicht kommen kann. Das ist manchmal mit
33:29Härten verbunden, weil es natürlich so ist, dass Österreich ist eines der reichsten Länder der
33:36Welt. Die Europäische Union ist ein Hort des Wohlstands, trotz der Krisen, die wir haben.
33:40Und das ist unschön für viele, die arm sind und leiden an schlechten Lebensbedingungen usw. Aber
33:46man wird es nicht schaffen können, dass man die Tore einfach aufmacht. Das wird nicht gehen. Wir
33:55müssen uns aussuchen, wer kommen soll. Da müssen wir Korridore legen. Wir brauchen Systeme, wie wir
34:00Menschen dann auch, wenn sie bei uns waren ein paar Jahre, wie wir sie dann mit besserem
34:06Humankapital, hoffentlich mit Erfahrungen, mit neuen Technologien, wie sie zurückkehren können
34:10in die Länder, wo sie herkommen, um dort Wohlstand zu stiften. Da braucht man aber eine sehr aktive
34:16Politik und ich glaube, das ist das, was die Menschen sich erwarten. Nicht einfach let things
34:19happen, da kommt wer mag, sondern eine aktiv gesteuerte Migrationspolitik, die für unsere
34:26Bedürfnisse auch Nutzen stiftet. Wieder etwas, was wahrscheinlich Österreich im Zuge der Europäischen
34:35Union besser kann als alleine. Ja, natürlich. Es gibt also Beispiele, vielleicht ganz kurz, wenn ich darf. Wir
34:40haben vor nicht allzu langer Zeit ein Abkommen mit den Philippinen abgeschlossen und das ist so
34:46geregelt, dass die dort sogar ein eigenes Ministerium für ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im
34:50Ausland haben. Das heißt, es gibt einen klaren Prozess, man stimmt sich ab, die Ausbildungen werden
34:55abgestimmt. Das kann viel schneller funktionieren, als wenn es das nicht gibt. Und natürlich werden
34:59auch dann hier in Wien, in Österreich, die haben Ansprechpartner von der eigenen Botschaft und wenn
35:06sie zurückkommen wollen auf die Philippinen, dann ist das auch einfach möglich. Es gibt einfach die
35:11Möglichkeit des Auslauschens, ob die beide Seiten besser stellt. Wir brauchen die Arbeitskräfte, die
35:17haben dort eine hohe Arbeitslosigkeit und gut ausgebildete Menschen, die keine Arbeit finden und
35:21keine Perspektiven haben. Genau, das ist genau so ein Beispiel, ein gutes Beispiel für dieses
35:26aktive Management von Migrationsströmen. Aber es ist eben gemanagt und nicht just happens.
35:31Ich kann es kaum glauben, wir sind bei der letzten Frage angelangt und fast, fast genau
35:37in der Zeit. Für den Abschluss möchte ich noch in mehr in die Zukunft schauen. In den USA werden
35:44von der neuen Regierung, von der designierten Regierung Trump radikale Pläne in Aussicht
35:50gestellt. Da möchte man den Staat umwandeln und auch in Zukunftstechnologien investieren. Donald
35:58Trump nennt sich selbst den Krypto-Präsident. Ich würde Sie gerne bitten zum Abschluss, wenn
36:06Sie sich vorstellen könnten, Sie wären für einen Tag EU-Kommissar und könnten ein Leuchtturmprojekt
36:12umsetzen oder zumindest einen Auftrag geben. Welches wäre das? Und ich werde Ihnen nachher
36:19sagen, was mir auf diese Frage Jett Jippedi geantwortet hat. Ein Projekt.
36:26Ein Projekt. Für mich ist es relativ einfach, weil das war eine lange Diskussion und ist wieder in
36:30den Reports vorgekommen, das ist vorher schon angesprochen, Gabriel. Ich glaube, dass die
36:34Kapitalmarktunion einer der wichtigsten Projekte ist, weil wir da wirklich extrem viel Potenzial
36:39in Europa verlieren. Viele junge Unternehmen werden hier gegründet, wann und ab verkaufen,
36:44weil es eben nicht genug Kapital gibt, um zu wachsen. Und das ist nicht nur für die wichtig,
36:50sondern das führt dazu, dass wir Innovationen verlieren. Das führt dazu, dass wir Arbeitsplätze
36:54verlieren. Und das ist ein riesiges Projekt und ein Tag würde nicht reichen. Aber wenn die Kommission
36:59es, diese Periode schafft, hier weiterzukommen, wäre das ein großer Fortschritt aus meiner Sicht.
37:04Also ich kann mir kaum vorstellen, in der Europäischen Kommission einen Tag nur
37:09irgendwas erreichen zu können. Die Prozesse, die es da gibt, sind langatmig. Aber vielleicht kann
37:14man in einem Tag ein paar überflüssige Regulierungen abschaffen. Okay, das passt ja
37:19auch zur Trump-Regierung. Die möchte auch einige Regulierungen abschaffen. Soll ich Ihnen sagen,
37:23was Jett Jippedi gesagt hat? Jett Jippedi schlägt vor ein Green Tech Innovations-
37:28und Souveränitätsprogramm. Und da kommt ganz viel vor. Da kommt zum Beispiel eine
37:32Investition von einer Billion Euro in grüne Technologien vor. Da kommt der Ausbau von KI
37:37und Quantencomputing vor, das Sie schon gesagt haben, Herr Kocher. Und auch die Investitionen
37:43massiv in Bildung, weil Bildung ist ja das Gute, was wir in Europa besonders haben. So
37:48viele Rohstoffe haben wir da nicht. Und Jett Jippedi setzt auch auf Handel und was noch?
37:55Klimaneutralität, Transformation zur Klimaneutralität. Sind das so Sachen,
38:00die Sie uns so schreiben können oder ist das Blabla? Das ist Blabla. Aber es ist kein dummes
38:05Blabla. Gut so, weil Jett Jippedi nähert sich ja aus dem Wissen von uns allen. In diesem Sinne
38:12sage ich ganz herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Danke sehr. Danke.