Wahlkampf in den USA und Europa: Immer extremer, brutaler?

  • vor 3 Monaten
Werden extreme politische Positionen in den USA und Europa immer stärker und Gewalt zunehmend ein Mittel der politischen Auseinandersetzung? Unsere Gäste: Jörg Himmelreich (Politikwissenschaftler und Journalist); Thibaut Madelin (Les Echos); Soraya Sarhaddi Nelson (amerikanische Journalistin)

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Transcript
00:00Politik brutal. Das Attentat auf Donald Trump ist ein weiterer Höhepunkt eines Trends zu politischer Gewalt in den USA und in Europa.
00:09Schon jetzt haben die Bilder des blutverschmierten Trump fast Ikonenstatus für dessen Anhänger.
00:16Gewalt treibt Radikale zum vermeintlich letzten Mittel, um Politiker mundtot zu machen.
00:21Wie auch zuletzt in Europa beim Mordversuch am slowakischen Premier Robert Fico.
00:26Wie kommt es dazu? Auch bei Wahlen wird es radikaler.
00:30Wie jüngst in Frankreich, da zeigt sich der Trend zur Stärkung der extremen Ränder links und rechts, die Mitte verliert.
00:36Wir fragen, Wahlkampf in den USA und Europa immer extremer, immer brutaler?
00:56Ganz herzlich willkommen zu Auf den Punkt. Ich freue mich sehr, Ihnen meine Gäste heute vorzustellen.
01:00Thibaut Madelin, französischer Journalist mit Schwerpunkt Wirtschaftspolitik, Deutschland-Korrespondent der französischen Tageszeitung Les Echos.
01:08Und Sie pendeln zwischen Paris und Berlin. Herzlich willkommen.
01:11Jörg Himmelreich, freier Journalist, Analyst. Sie lehren unter anderem an der École Supérieure de Commerce und sind auch Buchautor.
01:18Zuletzt von Ihnen erschienen ist der Titel Die deutsche Russland-Illusion. Schön, dass Sie da sind.
01:23Und Soraya Saadi-Nelson, amerikanische Journalistin und Gastgeberin des Podcasts Common Ground Berlin, mit dem Sie unter anderem den transatlantischen Dialog beleben wollen.
01:34Herzlich willkommen.
01:37Frau Nelson, Sie sind in Milwaukee, Wisconsin geboren, also da, wo die Republikanische Partei den überlebenden Donald Trump zum Präsidentschaftskandidaten macht.
01:48Der Mordanschlag auf Trump war ein Schock für die USA. Welche Gefühle und Gedanken hat das bei Ihnen ausgelöst?
01:56Also ich war auch schockiert. Ich muss sagen, ich habe das um ein Uhr morgens mitgekriegt, war kurz wach und habe gesehen, dass dieser Attentatversuch gemacht worden ist.
02:05Und ich muss ehrlich sagen, obwohl er, ich meine, das ist jetzt eine Pistolenkultur, Waffenkultur in Amerika.
02:12Und man müsste sich einem für sich überhaupt nichts schockieren heutzutage. Aber das war wirklich was anderes, dass man diesen Mann angegriffen hat.
02:20Obwohl er immer über Gewalt spricht, selber mit seinen Wörtern und sowas. Aber trotzdem, das war ein Schock.
02:28Frau Nelson hat es schon angedeutet, Jörg Himmelreich, es ist oft Gewalt im Spiel. Es gab auch schon reihenweise Attentate auf Spitzenpolitiker in jüngster Geschichte, auch der USA.
02:37Was ist diesmal anders?
02:40Diesmal ist es, glaube ich, auch das Ergebnis eines langen Radikalisierungsprozesses, insbesondere in den USA.
02:46Es ist ja oft beschrieben worden, wie sich die Grand Old Party seit den 60er Jahren, seit Barry Goldwater im Grunde genommen zunehmend radikalisiert.
02:59Und es ist ein konstanter Prozess. Und das ist jetzt der letzte Höhepunkt.
03:02Und es ist eben die Frage, wie das weitergeht, ob das überhaupt noch zu bremsen ist, wenn man das einmal in Gang gesetzt hat.
03:07Dass ein Präsident im Grunde genommen, wie Trump am Ende seiner ersten Periode, es zulässt oder sogar animiert, die Leute das Kapitol zu stürmen, das ist schon ein einmaliger Akt.
03:19Und das ist wiederum ein erneutes Gefährdungszeichen, dass es der amerikanischen Justiz nicht gelingt, sowas zu verurteilen, weil der Supreme Court mit Richtern besetzt ist, die Trump selbst ausgewählt hat.
03:30Also insofern ist das ein langer Prozess, der da sozusagen weit und ich weiß auch gar nicht, wie er einzudämmen ist.
03:36Jetzt haben wir, das sind die alten Bilder vom Sturm aufs Kapitol 2021, aber wir haben jetzt, Thibaut Matlin, eben auch das Bild des Präsidentschaftskandidaten, der die Faust hochstreckt und ruft Fight, Blut verschmiert, direkt nach dem Mordversuch.
03:54Hier sehen wir es, dieses Bild ist um die Welt gegangen. Wie hat sich Frankreich mit dieser Gewalttat auseinandergesetzt?
04:00Ja, ich glaube, wie die ganze Welt. Also das ist schon ein Wendepunkt in der Geschichte und das hat auch für Schockwellen gesorgt.
04:10Allerdings ist Frankreich zur Zeit etwas mehr beschäftigt mit sich selbst. Insofern, ich glaube, dass selbst wenn der Schock da ist und das ist natürlich die Titelseite von allen Zeitungen und die Aufmerksamkeit ist ja sehr, sehr groß.
04:25Ich würde sagen, dass die nachwirkenden Effekte von diesem Attentatsversuch vielleicht weniger stark sind, als in Deutschland vergleichsweise.
04:38Darüber werden wir auch im Detail noch sprechen. Ich wüsste gerne von Ihnen, wird Gewalt denn jetzt auch ausgehend von diesem Mordversuch immer mehr zu einem legitimen Mittel des politischen Wettkampfs? Wie empfinden Sie das?
04:50Also ich würde auch zum generellen Thema der heutigen Sendung sagen, dass man, glaube ich, vorsichtig sein muss, so etwas zu verallgemeinern.
04:58Es ist zweifelsohne eine zunehmende Gewalt in der politischen, auch verbalen Diskussion, auch in Deutschland, in Frankreich auch. Aber ich glaube, diese Gewaltausbrüche und zunehmende Gewaltsprache hat ganz unterschiedliche Ursachen und zeigt sich auch in ganz anders Form.
05:16Es ist ja zum Beispiel ganz interessant, dass in Frankreich soweit bislang noch kein Politiker irgendwie einen Attentat zu erleiden hat, während wir in Deutschland Herrn Lübcke 2019 in Hessen hatten, jetzt hat die SPD Europaabgeordneten im Frühjahr und in Amerika ist es nochmal was ganz anderes.
05:30Also diese Ursachen sind, glaube ich, dann bei manchen Gemeinsamkeiten doch auch unterschiedlich. Und ich finde das sehr wichtig, um sozusagen die Frage zu beantworten, wie reagieren wir eigentlich darauf, um sozusagen die bürgerliche Mitte zu retten?
05:43Ist ja auch die Frage, ob wir das müssen. Aber zunächst mal beschreiben wir, Soraya Nelson. Und da gibt es in den USA ja schon Stimmen, die jetzt mit einer Form von Bürgerkrieg rechnen. Das ist ja schon länger immer wieder ein Thema. Würden Sie in diesem Chor mit einstimmen?
05:58Also wir sehen, dass Demokraten und Republikaner sich gegenseitig auch die Schuld geben. Es gibt auch Stimmen, die sagen, wir müssen jetzt auf Versöhnung setzen. Aber driftet das auf eine gewaltsame Auseinandersetzung weiter zu?
06:09Ja, also ich glaube, diese Sprache, diese Art Sprache wird nicht weniger. Obwohl da war eine Umfrage diese letzte Woche, das zeigte, dass 84 Prozent von Amerikanern, also Republikaner und Demokraten zusammen, die wollen, dass die Gewalt runtergeht.
06:23Die wollen nicht, dass diese Stimmen und dass diese Sprache immer weitergeht. Das soll jetzt reduziert werden. Aber zur selben Zeit sagen viele, also man hat ja gesehen, 6. Januar in 21, das kann sich auch gut jetzt wiederholen, falls Trump nicht gewinnt, weil die reden jetzt schon von, wie Sie sagen, Bürgerkrieg.
06:43Das wird aber nicht so ein Bürgerkrieg, was wir in den 19. Jahrhunderten in Amerika hatten, wo eine Seite und die andere Seite, ich glaube, irgendeine Journalistin hatte das mit Nordirland mehr vergleicht. Wo das einfach so eine Unsicherheit, die dann, obwohl Bombenanschläge und sowas, ist alles möglich in Amerika. Wie gesagt, Waffenkultur, das ist da sehr, ich meine, hier würde man vielleicht weniger einen Attentat auf Olaf Scholz oder einen sehen mit einer Pistole, weil das einfach nicht so hier ist wie in Amerika.
07:12Aber, wie gesagt, es könnte, es wird Gewalt sein, aber es wird mehr eine Unsicherheit in den Volk sein, dass die dann auch nicht mehr wirklich in der Demokratie teilnehmen wollen oder in Politik. Und das ist eine für sich gefährliche, finde ich, als wenn das ein Krieg ist, wo da eine Seite ist oder eine andere Seite ist. Und diese Unsicherheit wird immer mehr, man sieht das dann auch mit dieser Umfrage, denke ich, mit den 84 Prozent.
07:36Wie sehen Sie es, Thibaut Medlar, Gewalt wird mehr zum legitimen Mittel des politischen Wettkampfs? Sehen Sie den Trend?
08:07Wo die einen für Rassenlöwe National zum Teil und die anderen, die dagegen waren, wir einen klaren Front gemacht haben. Und das Neue, finde ich, ist, dass diese Parteien oder diese Fronten das nicht mehr schaffen, miteinander zu reden.
08:29Ich würde sagen, dass es früher etwas anders war und jetzt ist es vielleicht klarer. Und man hat auch in der Tat in diesem Wahlkampf sogar Gewaltakten gesehen. Es klingt natürlich harmlos gegenüber, was in den USA passiert ist, aber es war während des Wahlkampfes zur Parlamentswahl um die 50 Angriffe an Politiker.
08:56Okay, das kann man nicht vergleichen, aber trotzdem, das zeigt, wie die Entwicklung stattfindet.
09:02Auf beiden Seiten des Atlantiks, wir gucken es uns etwas genauer an. Die Demokratie scheint jedenfalls unter Druck zu stehen, teils wird eben der Kampf der Worte zu einem Kampf mit Waffen.
09:14Schüsse vor laufender Kamera. Der US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump entgeht auf einer Wahlkampfveranstaltung nur knapp einem tödlichen Anschlag.
09:26In der Slowakei wird Regierungschef Robert Fico von mehreren Kugeln getroffen und lebensgefährlich verletzt.
09:34Und auch die brutale Attacke gegen den deutschen SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke in Dresden war buchstäblich ein Schlag ins Gesicht der Demokratie.
09:44Attacken statt Argumente. Aus Hass. Politiker werden zu Feindbildern und dämonisiert.
09:52Die politische Mitte dagegen verliert, wie jüngst in Frankreich.
09:57Viele Wähler haben die äußersten politischen Ränder gestärkt. Die teilweise extrem linke Neue Volksfront und den extrem rechten Rassemblement National.
10:06Und in Deutschland zittert Berlin vor den Landtagswahlen im Osten des Landes, wo die rechtspopulistische AfD mit ihren Hassparolen in den Umfragen vorne liegt.
10:16Politik extrem. Verliert die politische Mitte immer mehr an Bedeutung?
10:23Sie haben das ja schon angedeutet, Jörg Himmelreich, dass genau das der Fall sein könnte. Glauben Sie, dass die Mitte noch zu retten ist?
10:32Auf jeden Fall. Das hängt natürlich auch von der politischen Führung ab in der Regierung, aber natürlich auch von dem gesamten Bewusstsein der Bevölkerung.
10:41Es ist, glaube ich, ganz gefährlich, wenn man den Thesen und den Inhalten, soweit es welche gibt, der radikalen Parteien auf der Linken, die Linke oder bei Sarah Wagenknecht-Bündnis oder bei der AfD hinterherrennt.
10:54Da wird man immer verlieren. Es fehlt im Grunde ein bisschen das Selbstbewusstsein, dem im Moment nicht nur verbal sich entgegenzustellen, sondern auch durch Taten und Handlungen.
11:03Und das betrifft nicht nur die Regierung, sondern eben auch die gesamte Gesellschaft.
11:08Wenn Sie sich zum Beispiel die Reaktionen der Präsidentin der Berliner Universitäten anschauen, wie die auf die Proteste von palästinafreundlichen Gruppen der Universität im Grunde die jüdischen Teilnehmer von dem Campus verdrängt haben oder Vorlesungen unterbrochen haben und die Präsidentinnen das eigentlich mehr oder weniger verständnisvoll begleiten,
11:30dann ist das ein Beispiel dafür, wie auch in der Gesellschaft im Grunde genommen es dringend erforderlich ist, klare Rechtsgrenzen auch einzuhalten und die zu unterstützen.
11:40Nur dann ist die Mitte zu retten, denn die Mitte ist ja doch die überwiegende Mehrheit eigentlich.
11:44Aber es geht Ihnen darum, auch das selbstbewusst zuzustehen. Und wenn der Bundeskanzler immer politische Führung verbal erklärt, versuche ich immer zu finden, wo ist da politische Führung.
11:53Und dazu gehört eben auch, dass man bestimmte Politiken nicht mehr gestattet.
12:00Zum Beispiel ist es mittlerweile ja selbstverständlich geworden, dass die ersten Maidemonstrationen in Berlin mit entsprechenden, das ist ja immer schon selbstverständlich, dass da entsprechende radikale Ausschreitungen stattfinden, Geschäfte zerstört werden.
12:11Das müsste man ja eigentlich auch mal dem Einhalt gebieten. Das gehört eigentlich dazu, dass die Mitte sich auch wirklich inhaltlich durch Taten zeigt.
12:21Dann würden Sie auf Verbote setzen. Teilen Sie das, Thibaut Madelin? Also in Frankreich kennen wir ja sowas wie den 1. Mai, also das gibt es ja viel häufiger.
12:29Da gibt es ja eine Kultur von Aufstehen, sich beschweren, Gelbwesten, andere Beispiele. Jetzt im Wahlkampf, Sie haben es angedeutet, war es auch radikaler.
12:38Würden Sie denken, es reicht, wenn man dann sagt, so und da machen wir jetzt ein richtiges Verbot hin, das verbieten wir?
12:45Also verbieten zu demonstrieren ist nicht ganz im Einklang mit unserer Demokratie, aber zum Teil ist es schon so, dass wir ein bisschen erprobt sind, was Demonstrationen oder sowas angeht.
12:58Aber es kann sein, dass die, also in der Tat sieht man, dass die Leute mehr und mehr, das haben die Gelben Westen in Frankreich genannt, zu dieser Form von politischem Ausdruck greifen.
13:18Ich glaube nicht, dass die Mehrheit der Menschen hinter diesen Mitteln stehen. Gleichwohl, das hat man bei den Gelben Westen gesehen, man hat doch einen großen Teil der Bevölkerung gesehen, die hinter ihnen gestanden ist.
13:35Das heißt, dass, selbst wenn sie nicht das Gleiche gemacht haben, also auf die Straße, über diese Kreise gegangen sind, haben viele Franzosen doch die Meinung zum Teil geteilt.
13:47Also das ging damals um die Benzinpreise, das sind doch tägliche Aspekte.
13:52Ja, dieses Wahlkampf ging jetzt um Kaufkraftverlust zum Beispiel.
13:54Genau, Kaufkraftverlust war zum Beispiel ein Riesenthema bei diesem Wahlkampf. Und das ist auch ein Thema, das die Leute umtreibt, auf der einen Seite also extrem rechts zu wählen und auf der anderen Seite extrem links zu wählen.
14:08Insofern, also zurück zu der Frage mit der politischen Mitte. Ich glaube, dass die politische Mitte ist eigentlich historisch gesehen in unserer Demokratie die Parteien, die an der Macht waren die letzten Jahrzehnte.
14:19Und wenn man an der Macht ist, muss man die Probleme lösen. Und Probleme lösen ist eigentlich eine komplexe Angelegenheit. Man kann nicht mit so einfachen Antworten kommen.
14:31Aber für die Menschen ist es nicht schnell genug oder nicht klar genug, ob die Probleme gelöst sind. Deswegen greifen sie zu diesen extremen Parteien.
14:41Und das ist die Herausforderung unserer Gesellschaften zurzeit, dass sie die Lösung nicht in der Mitte beziehungsweise in den etablierten Parteien sehen und gehen in der Regel oder öfter zu Randparteien, die sie vielleicht noch nicht probiert haben und die an der Macht sehen möchten.
15:03In den USA hat man ja praktisch nur die Wahl. Mehrheitswahlrecht und Republikaner oder Demokraten. Das heißt, wie erleben Sie das dort? Ist auch dort sowas wie Mitte überhaupt noch ein Begriff oder geht es darum schon längst nicht mehr?
15:17Es geht schon lange nicht mehr über die Mitte. Und wir haben auch etwas anderes nicht erwähnt, das ist Sozialmedien und was für eine Rolle die spielen. Ich meine, das reizt alle an.
15:27Und wie Sie auch gesagt haben, dass die Antworten für die Probleme, die Lösungen für die Probleme nicht schnell genug gefunden werden, das wird ja im Sozialmedien nochmal sehr groß gespielt.
15:38Und die Leute werden einfach frustriert und dann, obwohl sie vielleicht selber nicht auf die Straße gehen, wählen dann ganz rechts oder ganz links.
15:47In Amerika, Sie haben auch erwähnt, wir haben nur Republikaner praktisch und Demokraten, obwohl es gibt auch andere Parteien, kleinere Parteien, die vielleicht ein zehn oder weniger Prozent von der Wahl von die anderen klauen.
16:01Aber keiner sieht eine richtige Wahl. Dieses Mal besonders, wir reden über zwei Männer, die über, also fast 80, einer ist 81, einer ist fast 80.
16:13Und ich weiß auch, da sind diese Bumper-Stickers, also für den Wagen, diese Klebdinger, wo draufsteht, ist egal wer läuft, einer der weniger als 78 ist, soll drankommen.
16:24Und das ist frustrierend für die Jugendliche, für die jüngere Generation, auch die mittlere Generation.
16:31Und ja, also da ist die Mittelschicht, das kommt nicht mehr in Frage für uns in Amerika, da redet keiner wirklich mehr über middle class.
16:39Wen sind Sie in der Verantwortung? Also, Jörg Himmelreich hat schon den Sturm aufs Kapitol angeführt, auch als lange Radikalisierung in den USA.
16:48Ist das jetzt hier die Saat, die Donald Trump selbst gesät hat, um es mal ein bisschen biblisch auszudrücken, denn das ist ja auch ein Stilmittel, immer alles sehr biblisch.
16:57Ja, ich meine, er hat es ausgenutzt und er hat jetzt auch die Republikanische Partei in seiner eigenen Art, also der hat das irgendwie transformiert.
17:03Das ist nicht mehr die Republikanische Partei von Ronald Reagan, das war ja das letzte Mal, wo da wirklich so ein populistischer Republikaner an der Macht war.
17:11Aber ja, das ist schon lange, er hat es nur ausgenutzt, würde ich sagen. Ich würde nicht sagen, dass Donald Trump das selber erfunden hat.
17:19Und woher kommt es? Was sind die Ursachen, also wirklich die tieferen Ursachen? Vielleicht können wir darüber nachdenken, dass es jetzt so enthemmt zugeht zum Teil.
17:28Sie haben ja schon darauf hingewiesen, dass es auch verschiedene Ursachen sein können in den USA und Europa. Was würden Sie für die USA sagen?
17:32Die Leute werden, also da ist eine Minderheit, die immer reicher wird und eine Mehrheit, die, also Jugend, mein Sohn ist 35 Jahre alt, der kann sich kein Haus kaufen oder Haus leisten in Amerika.
17:44Das sind viele, die können nicht mehr, die sehen keine Zukunft und das macht sehr frustrierend, das ist sehr frustrierend für die Jugendlichen.
17:52Und auch für die älteren Menschen, die dann denken, okay, wie soll ich jetzt weiterkommen, wenn ich fertig bin mit der Arbeit?
17:58Und auch die, die arbeiten, die haben einfach kein richtiges Einkommen, das macht einen großen Unterschied in Amerika.
18:05Man sieht das vielleicht ein bisschen weniger in Europa, da ist das nicht so definitiv.
18:09Aber die Themen gibt es auch hier in Deutschland.
18:11Ja, aber in Amerika ist das ein Extrem, würde ich sagen und das wird immer extremer.
18:15Und wie gesagt, Sozialmedien reizen das an und jetzt reden wir aber auch, ich meine, ich verstehe immer noch nicht die Leute, die für Trump sind.
18:23Dass die nicht sehen, dass der ein reicher Mann ist, für den ist nicht wichtig.
18:27Der will ja Social Security, also für die Rentner will er ja die Rente, die wir Social Security nennen, will er ja wegmachen oder privatisieren.
18:35Das heißt, dass es dann nicht mehr, also in 10 Jahren, 20 Jahren nicht mehr gibt.
18:40Und ja, auch für die Jugendlichen, er will ja, er tut ja auch nichts.
18:44Aber irgendwie kann er mit seiner, weil er sagt, ja, das ist ja fürchterlich.
18:47Und ich glaube, Sie haben erwähnt, wenn man nicht an der Macht ist oder wenn man an der Macht ist und die Probleme nicht schnell genug löst, dann ist das ein Thema für die anderen.
18:58Also Trump hat nichts gelöst.
19:00Er ist zur Zeit jetzt nicht im Weißen Haus, aber er sagt, ich komme zurück und mache das alle gut.
19:05Aber er regt halt auch seine Faust im entscheidenden Moment hoch und sagt kämpfen.
19:09Also vielleicht macht er den Leuten mehr Mut.
19:11Wie würden Sie sagen, wo sind diese Ursachen für die Enthemmung und für die Frustration?
19:14Ja, wie gesagt, die sind, glaube ich, in meinen Augen unterschiedlich.
19:18Ich will aber kurz sagen, das ist ja ein Verbot der Demonstrationen, hatte ich nicht gesprochen, sondern nur sozusagen bei der Überschreitung von Demonstrationsrechten, dass man dann dagegen vorgeht.
19:26Ich meine schon, dass die Ursachen zwischen Amerika und Europa sehr unterschiedlich sind und selbst in Europa sind sie unterschiedlich.
19:33Dann legen Sie los.
19:35Ja, ich will. Also Amerika haben wir weitgehend viel schon diskutiert.
19:38In Deutschland ist es zum Beispiel im Unterschied zu Frankreich die besondere Situation der Wiedervereinigung, wo viele Bundesbürgerinnen und Bundesbürger in den neuen Bundesländern sich am Ende nicht verstanden und nicht mitgenommen fühlen in der gesamtdeutschen Debatte.
19:54Es kommt jetzt immer mehr heraus, es wird beklagt, dass viele Positionen, Führungspositionen in der Verwaltung in den neuen Bundesländern immer noch von Westdeutschen besetzt sind.
20:02Dass die Probleme nicht verstanden werden, teilweise ist das blühende Landschaften sozusagen eine Fassade.
20:09Wer in Görlitz war, tolle Stadt, Bauhaus hat es bei Gotha wunderbar renoviert, aber es ist tot, es ist leer.
20:16Und die jungen Leute, die gut qualifiziert waren, sind in den Westen weitgehend gegangen und die Älteren sind zu Hause geblieben und kämpfen jetzt auch mit ihrer eigenen Vergangenheit.
20:26Das bleibt ja auch nicht unberührt in der eigenen Vita, sich möglicherweise geirrt zu haben in dem Glauben an einen guten Sozialismus und das mit den Konsequenzen daraus zu leben.
20:41Und das ist der Unfrieden, der sich in den neuen Bundesländern mit der westdeutschen Politik verständlicherweise reibt.
20:49Früher war es die Linke als Nachfolger von PDS und Gysi, heute ist es Sarah Wagenknecht und die AfD, die weitgehend daraus ihre Unfrieden schöpfen.
21:02Das sind die Wutbürgerinnen und Wutbürger in den neuen Bundesländern.
21:05Das ist aber, zum Beispiel die AfD in den westdeutschen Ländern ist schon wieder eine ganz andere, die nicht auf diese Frustrationen aus einer nicht mitgenommenen Wiedervereinigung haben.
21:16Sondern das ist der generelle Frust mit etablierten Parteien.
21:20Das wäre der nächste Punkt, den ich anmerken würde.
21:23Was ist denn eigentlich die bürgerliche Mitte? Wer bestimmt denn eigentlich die bürgerliche Mitte?
21:27Und was ist das Programm einer bürgerlichen Mitte? Das ist ja völlig diffus.
21:31Die letzten Kanzler, Kanzlerinnen von Merkel und Scholz tun ja alles andere als irgendwas Klärendes zu sagen, wo sie tatsächlich für stehen und was sie danach umsetzen.
21:42Und das ist im Grunde genommen auch eine Krise der etablierten Parteien, dass sie so verkrustet sind.
21:51Also wenn ich hier in Deutschland an CDU, SPD und FDP denke, dass sie überhaupt nicht mehr die Notwendigkeit erkennen und es ihnen nicht gelingt.
22:00Also die CDU hat ja zum Beispiel in der Opposition hinreichend Zeit, sich sozusagen neue Programme zu überlegen.
22:05Und das bleibt ja alles noch sehr im Diffusen, um zu sagen, wofür sie eigentlich als ursprüngliche Rechtsstaatspartei, wie FDP und SPD auch, stehen.
22:15Ja, diffus bis auf den Punkt Migration. Da kann man vielleicht dann auch so eine Gemeinschaft ziehen zwischen Frankreich, zwischen den USA und Deutschland.
22:23Das wird ja dann sehr stark betont, dass Migration ein Riesenproblem sei, eigentlich das Urproblem.
22:28Man kann das vielleicht aber auch deuten als Angst vor Kontrollverlust des Staates.
22:35Ist das ein Gefühl, was auf beiden Seiten des Atlantiks herrscht? Wie würden Sie das einschätzen?
22:40Ja, also wenn man die Umfrage sieht, zum Beispiel bei uns bei der letzten Wahl, weshalb die Leute Rassemblement National gewählt haben.
22:51Das ist die Partei von Marine Le Pen, die möchte Präsidentin werden 2027 und hat jetzt mit ihrer Partei, angeführt schon von Jordan Bardella, wirklich mehr Stimmen bekommen als alle anderen.
23:03Musste aber aufgrund des Wehrheitswahlrechts sich dann doch mit dem dritten Platz zufrieden geben.
23:08Richtig. Und eine der Gründe, weshalb die Leute ihre Partei gewählt haben, ist in der Tat die Migration.
23:16Und das Gefühl, dass es einfach zu viele Migrationen gibt.
23:21Und ich sehe schon parallel in diesen verschiedenen Ländern, also Migration und diese Angst vor Kontrollverlust, dieses Unsicherheitsgefühl war auch ein großer Aspekt.
23:34Aber eben auch dieser Lebensstandard und die Angst vor sozialem Abstieg.
23:38Was ich da als gemeinsam sehe, also vielleicht mehr als Jörg, also in diesen Ländern, man sieht, finde ich schon oft, einen Kluft zwischen Stadt und Land.
23:52Einen Kluft zwischen Globalisierungsgewinner und Globalisierungsverlierer oder die Leute, die sich so fühlen.
23:59Und ich glaube, das ist die größte Herausforderung der Parteien, auf diese Ängste, diese Gefühle zu beantworten.
24:08Und ich sehe schon, natürlich haben alle Länder ihre eigene Geschichte, Ostdeutschland, Westdeutschland.
24:16Es gibt Rust Belt in den USA und wir haben alle natürlich geografisch bedingt oder historisch bedingt, aber ich glaube, dass diese Kontrasten zwischen Globalisierungsgewinner, Globalisierungsverlierer, Stadt, Land und die Frage der Identität, wo stehe ich, was heißt das heute Franzose zu sein oder Amerikaner zu sein?
24:42Da sind Freien, die immer komplexer geworden sind und auch die sehr schwer in Antwort zu finden sind.
24:50Teilen Sie das, die Einschätzung? Wie sehen Sie das Thema Migration in den USA?
24:56Ja, da wird es natürlich von Donald Trump ausgenutzt und in der Zwischenzeit, die Demokraten sind ja auch dagegen.
25:04Ich meine, die wollen, dass die Grenze im Süden, da ist diese Idee, dass alles, was schlecht ist in Amerika, kommt vom Süden oder kommt über die Grenze vom Süden.
25:14Und das ist problematisch, das ist problematisch für die Partei, die jetzt regiert.
25:20Aber man muss auch einsehen, Congress, da sind die Republikaner zur Zeit in der Mehrheit und trotzdem wird da nicht genug gemacht, um die Südgrenze zu sichern.
25:31Das wird immer noch als Vorwand von beiden Seiten genutzt und ich glaube nicht, dass das die Antwort ist.
25:45Die Situation und auch die Gewalt und alle diese Unsicherheiten, wovon wir sprechen, dass die dann weniger werden, wenn man das irgendwie löst.
25:54Aber da ist keine Lösung vorhanden.
25:56Liegt es möglicherweise auch daran, dass Hass und Gewalt sozusagen auch mit einer liberalen Demokratie einhergehen können?
26:04Ich meine, damit hat die liberale Demokratie mit einem sehr neoliberalen Wirtschaftsmodell sehr viele Verlierer und sehr wenig Gewinner produziert.
26:13Ich frage das ruhig auch Sie, der Sie da sicherlich nicht so kritisch sind.
26:18Ja, nein, ich meine, natürlich, wenn man es ins wirtschaftliche Extrem nimmt, dann ist mittlerweile ja Neoliberalismus schon ein Schimpfwort.
26:28Früher war das ja im Grunde genommen selbst, sprach man von der sozialen Marktwirtschaft, eine klassische liberale Wirtschaftsform.
26:34Das ist heute alles etwas anders.
26:37Das Interessante ist ja, dass Teile der Grünen im Grunde genommen wieder die liberalen, wirtschaftsliberalen Positionen übernehmen, indem sie versuchen sozusagen über die,
26:45und ich meine, das ist auch der richtige Weg, sozusagen über Industrieanstöße und Anforderungen zum Beispiel den Klimawandel umzusetzen,
26:53den sich nicht nur alleine durch Diktate der Bundesregierung in Form von Gesetzesvorgaben umsetzen lässt.
26:59Also insofern eilt sich das schon füreinander vereinbar.
27:02Eine liberale Demokratie kann auch radikale Auffassungen, politische, solange sie sozusagen im Rahmen des grundgesetzlich zugelassenen Rechtsrahmens sich äußert und sich vollzieht, kann das auch aushalten, muss sie doch aushalten.
27:15Also insofern sehe ich da gar keinen Widerspruch.
27:19Wichtig ist glaube ich auch, dass man hier sozusagen von diesen etablierten Parteien, und gerade das Thema, wenn Sie es ansprachen, Migration, ist natürlich nicht so ganz einfach zu lösen von heute auf morgen.
27:29Es sind komplexe Rechtsrahmen auf europäischem Rahmen, das ist nochmal in Deutschland anders.
27:33Aber man muss zumindest, das ist mein Vorruf an die etablierten Parteien, dass man das Problem gar nicht wahrhaben wollte.
27:39Das waren sozusagen, ich erinnere noch als Kölner sozusagen, die Demonstrationen Silvesternacht 2016.
27:46Mit sexualisierter Gewalt.
27:48Mit sexualisierter Gewalt und es wurde im Grunde genommen erstmal ein paar Tage später vorsichtig gesagt, dass das weitgehend Vergehen der Migrantenszene war.
27:58Das wollte man eigentlich nicht wahrhaben.
27:59Heute ist es ein bisschen anders, acht Jahre später.
28:02Aber auch das zeigt, wie verkrustet die Parteien sind, weil sie von bestimmten Dogmen, die selbst sich sozusagen aufgestellt haben, nicht weichen können.
28:10Jetzt haben wir ein Bild versucht zu skizzieren, dem so ein bisschen näher zu kommen, wo liegen möglicherweise Ursachen für den Zustand.
28:17Und jetzt ist aber Europa damit konfrontiert, dass gar nicht mehr viel Zeit bleibt, sich umzustellen und dass möglicherweise dann eben sich manche Tendenzen noch verschärfen könnten.
28:27Große Fragen, Wirtschaftsfragen, Sicherheitsfragen, wenn dann nämlich im November Donald Trump möglicherweise ins Weiße Haus gewählt werden sollte.
28:37Wenn er also an die Macht käme, das wird ja wahrscheinlicher und dann müssen sich hier in Europa viele warm anziehen.
28:42Wir haben das kurz im Ansatz mal durchgespielt.
28:45Was, wenn Donald Trump die US-Wahlen gewinnt?
28:49In Europa schrillen die Alarmglocken, denn Trump machte aus seiner Ablehnung der EU nie einen Hehl.
28:55Sie sei Feind der USA, ein brutaler Handelspartner, schlimmer als China polterte er während seiner letzten Amtszeit.
29:03Auch die NATO stellt er immer wieder in Frage, droht sogar das Bündnis zu verlassen.
29:09Er will säumige Bündnispartner nicht verteidigen, dann könne, so Trump wörtlich, Russland mit ihnen machen, was immer es wolle.
29:17Und auch ökonomisch bereitet eine zweite Trump-Ära den Europäern Sorgen.
29:22Für Trump gilt America First, heißt eine Welthandelsordnung, die wenig mit transatlantischer Partnerschaft zu tun hat.
29:30Umso mehr mit wirtschaftlichem Protektionismus.
29:34In Brüssel herrscht Déjà-vu-Stimmung. Ist ein zerstrittenes Europa wirklich bereit für Donald Trump?
29:41Was sagen Sie, Tibor Badna, du siehst Berlin und die Regierungsverhältnisse hier gut kennen und Paris und die Regierungsverhältnisse dort.
29:53Der traditionelle deutsch-französische Motor, Stotter, Stotter, Stotter und jetzt das.
29:59Ja, genau, noch das. Aber einerseits soll man vorbereitet sein, weil wir ihn schon kennen.
30:06Also wir haben schon einen Präsident Donald Trump gehabt und wir wissen, wozu er bereit ist.
30:13Und zwar, dass er tut, was er sagt. Was man früher eigentlich, wir hatten Zweifel davon.
30:19Andererseits, so perfekt sich vorzubereiten, ist nicht so einfach, weil es wird zum Teil, also nicht alles, aber extreme.
30:30Ein Beispiel?
30:31Ein Beispiel, ja, es wurde erwähnt, Ukraine. Also dass man auf einmal sagt, dass er direkt mit Putin verhandelt, bevor er ins Amende kommt zum Beispiel.
30:44Und möglicherweise die Europäer das einfach als Beobachter sehen müssen.
30:49Oder dass die Zölle pauschal um 10 Prozent erhöht werden und um 60 Prozent für China.
30:55Da stellt die Europäer eine extrem hohe Probe und das wird dann schwierig.
31:04Also man sieht das schon jetzt, wie schwierig es ist, zusammen in Europa eine Einigkeit zu bilden gegenüber China.
31:13Und es ist auch klar, dass es nicht einfach ist. Also die Deutschen exportieren doch sehr viel nach China, die Franzosen vielleicht ein bisschen weniger.
31:20Wir haben auch kulturell gesehen einen gewissen Drang zum Protektionismus, also mehr als die Deutschen.
31:28Und dann muss man dieses Problem doppelt lösen, weil es kommt jetzt aus Amerika das Problem, dass man reagieren muss auf eine Trump-Regierung, die die Zölle dann erhöhen wird.
31:41Und dann muss man gucken, also wie kommt man zu einer Lösung gemeinsam.
31:46Das ist prinzipiell nicht einfach, es wird aber noch schwieriger, wenn in Frankreich noch keine Regierung richtig steht oder wenn die Regierung, die möglicherweise kommt, höchstwahrscheinlich instabil wird.
31:59Wie sehen Sie es, Soraya Nelson, als jemand, der ja auch sehr gut die deutschen Verhältnisse kennt und den Druck in Amerika auch direkt einschätzen kann?
32:08Wie bereit ist Europa?
32:10Vielleicht hoffentlich ein bisschen besser als das letzte Mal, weil, wie gesagt, Donald Trump, das war das erste Mal.
32:16Jetzt müssen wir einer für sich schon in der Zwischenzeit wissen. Wir können ja auch mit seiner Vizepräsidentwahl sehen, welche Richtung er geht.
32:23Vielleicht J.D. Warnes, ich zitiere es gerne, der immer gesagt hat, die Ukraine ist ihm gerade egal und davon wird er auch direkt gelobt vom russischen Außenminister.
32:33Also das ist Trump mal zwei, würde ich sagen, also was wir von ihm wissen und was wir von ihm hören.
32:40Und deutlich jünger.
32:42Ja, und man kann sich nur so viel vorbereiten. Das Problem ist natürlich, man weiß nicht genau, weil man kann ja die Zukunft nicht sehr gut einschätzen.
32:50Aber trotzdem, ich glaube, Europa muss wirklich damit rechnen, dass alle die Probleme, wo es sich Sorgen macht, dass das...
32:59Wir haben ja ein Programm der Republikanischen Partei, da steht dann drin, dass man auf Öl setzen wird.
33:06Das Wort Klima kommt nicht vor und die Richtung ist ja schon erkennbar.
33:12Auch sicherheitspolitisch wird das ja Europa einiges abverlangen. Wo sehen Sie die größte Herausforderung?
33:18Ich glaube, die größte Herausforderung ist wirklich, sich sozusagen klarzumachen,
33:22dass sich möglicherweise die Unterstützung der NATO und der europäischen Verteidigung,
33:27die ja entscheidend oder eigentlich völlig von der amerikanischen Unterstützung abhängt,
33:32dass die möglicherweise schwinden wird oder geringer werden wird.
33:36Und das ist im Grunde schon lange erkennbar. Es ist schon mit Obama, schon Pivot to Asia.
33:41Man muss immer sich in Erinnerung rufen, dass Amerika auch eine pazifische Macht ist
33:44und dass für die das Problem China eigentlich viel wichtiger ist als das Problem Russland.
33:48Das ist aber auch schon eine lange Tendenz.
33:49Und insofern war das auch erkennbar, dass es im Grunde genommen die Bundesrepublik,
33:55Herr Pistorius mahnt das ja die ganze Zeit an, der Verteidigungsminister mahnt das die ganze Zeit zu Recht und deutlich an,
34:00aber er kriegt in seiner Partei dafür keine Zustimmung.
34:03Und das halte ich für eine wesentliche Voraussetzung, dass Deutschland immer noch eine maßgebliche,
34:07wenn nicht zurzeit die Führungsmacht, die da sozusagen auch Führung zeigen muss,
34:11indem sie sich besonders der Aufrüstung und der Verteidigung als Fähigkeit Europas engagiert.
34:16Und Macron hat das ja oftmals angesprochen, es ist sozusagen auf leere Ohren in Berlin gestoßen.
34:23Schon vorbei, würde man sagen, denn wir haben jetzt wirklich nur noch sehr wenig Zeit, bis es denn soweit ist.
34:28Und dann wäre ja die Frage, ob uns am Ende Viktor Orban rettet.
34:32Der ungarische Premier, der jetzt mit allen schon gute Netzwerke hat,
34:36er hat Putin besucht, er hat Xi besucht, er hat Trump besucht, er sagt, Putin ist zufriedenbereit
34:43und Trump wird diese Verhandlungen mit betreuen, sozusagen.
34:48Ist am Ende möglicherweise so jemand wie Orban, den jetzt gerade in der Europäischen Union
34:53die überwiegenden Mehrheit eher sehr kritisch sieht, EU-Ratspräsidentschaft hat er,
34:59ist das unser Draht zu den wesentlichen Personen der Zukunft ab 2025?
35:07Also das glaube ich nicht. Das ist eine Frage, ich würde sagen, enorm valeur.
35:09Er hat ja im Grunde genommen keinen Rückhalt in der EU, um für die EU sprechen zu können.
35:14Insofern ist das eine tolle Show für ihn, diese sechs Monate EU-Präsidentschaft zu nutzen,
35:17um sie überall bekannt zu machen.
35:19Er hat überhaupt keine Fähigkeit, politisch sozusagen in irgendeiner Weise
35:24einen europäischen Willen zusammen zu formulieren und zusammen zu bekommen.
35:27Dazu ist er viel zu umstritten und bestritten in der EU selbst.
35:30Aber er wird sich ja auch nicht anpassen. Wie sehen Sie das?
35:33Wie sehen Sie Viktor Orban? Ist das eine Rolle, die noch wichtig wird?
35:36Was ich glaube, ist, dass man nicht unterschätzen soll,
35:43welche Kommunikationsfäden zwischen Europa und Amerika wichtig werden.
35:51Trump wird schon in der Lage sein, wenn er zur Macht wiederkommt,
35:57seinen Ansprechpartner irgendwie auszuwählen oder die Länder zu dividieren.
36:01Und das wird die Herausforderung einerseits, die Kommunikationskanäle offen zu halten,
36:09möglicherweise mit Menschen, auf denen man nicht bisher gesetzt hat.
36:13Also ich weiß gar nicht, ob man Viktor Orban in diese Kategorie setzen soll,
36:17aber man muss irgendwie dafür sorgen, dass man miteinander sprechen kann.
36:23Also man kann nicht mehr sagen, wir reden nicht miteinander.
36:26Und es gibt welche, die in Europa möglicherweise besser oder schon reden,
36:31als andere.
36:33An wen denken Sie?
36:35Das weiß ich nicht genau, aber man sieht zum Beispiel in Deutschland,
36:38dass ein Jens Spahn sehr offen CDU-Politiker, der in Milwaukee bei der Parteitag gewesen ist.
36:45Und solche Menschen, die zum Beispiel auch eine gewisse Freundschaft
36:51mit der ehemaligen amerikanischen Botschafter, Richard Grenell,
36:55der als Außenminister gehandelt.
36:57Und diese Kommunikationskanäle werden wichtig.
37:02Gleichzeitig wird Donald Trump, und das hat er früher auch gemacht,
37:07versuchen, unsere Länder in Europa zu dividieren.
37:10So hat er auch damals versucht.
37:12Und das wird dann für uns Europäer die Herausforderung sein,
37:18also vielleicht miteinander mehr zu reden, aber auch mit Leuten innerhalb Europa,
37:24wo wir bisher gedacht haben, nee, der repräsentiert uns nicht.
37:31Da wird man schon sehen, wie das dazu führt.
37:34Können wir das mal möglichst konkret machen?
37:36Denn es kann ja dann passieren, dass auch so Leute eine Rolle spielen,
37:39wie der eben am extremen linken Rand agierende Jean-Luc Melenchon in Frankreich mitredet,
37:46der Deutschland hasst, erzählt man sich.
37:50Dann haben wir also so eine Konstellation.
37:51Dann haben wir jetzt in Großbritannien eine Lage, die sich möglicherweise wieder annähert.
37:57Da gibt es vielleicht positive Tendenzen.
37:59Aber wie würden Sie das bewerten?
38:01Das ist doch sehr leichtes Spiel für jemanden, der dann, wie Trump,
38:04möglicherweise Europa spalten will, oder jemanden, der noch weiter dahinter sitzt,
38:08wie Wladimir Putin.
38:10Ja, also Frankreich hat sich sozusagen zur Zeit selbst unregierbar gemacht.
38:15Und das ist so ein bisschen das Problem, was Lücken in Europa lässt.
38:18Umso dringlicher ist es sozusagen, dass es einen gibt, der das zumindest versucht,
38:24in die Hand zu nehmen.
38:26Es wird ohne Frankreich nicht gehen.
38:28Aber mit den Schwächen, die es zur Zeit in der Regierung gibt,
38:30überhaupt in der Regierungsbildung in Frankreich gibt,
38:32wird das natürlich nicht einfach werden.
38:34Aber es muss ja mal eine Richtung wenigstens vorgegeben werden.
38:37Und wie gesagt, da hat Macron eine großartige Rolle übernommen,
38:40zumindest mal Orientierung zu geben, wenn sie auch noch verbal waren.
38:43Aber sie sind ja in Berlin auf taube Ohren gestoßen.
38:45Und vielleicht ist das jetzt endgültig die Chance,
38:48wie wir auf der Sicherheitskonferenz in München 2014 haben,
38:51sowohl der damaligen Bundespräsident, als die Kanzlerin,
38:54als der Außenminister Steinmeier damals noch beschworen,
38:57ja, Deutschland muss endlich Führung zeigen.
38:59Also es wäre langsam mal an der Zeit, das tatsächlich umzusetzen.
39:02Setzen Sie auf Deutschland, Soraya Nelson, ganz ehrlich bitte.
39:06Also wenn Sie sagen, setzen Sie auf Deutschland, in welche Beziehung?
39:10In einer möglichen Rolle, Europa weiter zu einen und so zu machen,
39:15dass man mit einem Präsidenten Trump zum Zug kommt.
39:18Nein. Ich meine, das ist schwierig hier.
39:22Es kommt auch darauf an, was hier mit den Wahlen passiert.
39:26Aber ja, ich meine, Deutschland hat nicht die extremen Probleme
39:30von Frankreich zurzeit, dass es unregierbar ist.
39:32Aber es ist sehr gespalten, wenn man die Umfragen und sowas anguckt.
39:36Also wer hier dann leitet.
39:37Also die Probleme, ich glaube nicht.
39:40Und Olof Scholz ist nicht so ein Kanzler, der irgendwie,
39:44wie gesagt, dieses Charisma, da hatten wir ja auch vorhin
39:47ein bisschen davon gesprochen, das hat er nicht.
39:49Und der ist irgendwie, ich meine, in Amerika macht man ja immer noch
39:52den Witz, Olof who? Also wer ist, den kennen die überhaupt nicht.
39:57Also da war Angela Merkel irgendein, also eine Person,
40:00also ja, ich würde sagen, leider würde ich nicht auf ...
40:04Gut, jetzt sind wir schon dabei, so eine kleine Schlussrunde einzuleuten.
40:07Wenn wir es ganz ernst nehmen, was wir hier diskutiert haben,
40:10dann könnte es ja so aussehen, dass ab 2025 sich manche
40:14der Probleme, die wir angesprochen haben, noch verschärfen
40:17durch ein Regieren von Donald Trump.
40:19Also sozusagen wirtschaftliche Situation, Frustration,
40:23gleichzeitig Erhöhung des Verteidigungsbudgets,
40:25also weniger Geld für andere Sachen.
40:27Also alle Themen, von denen wir gesagt haben,
40:29die sind mit Ursachen für eine Radikalisierung und Gewaltbereitschaft.
40:33Auf was für ein Szenario steuern wir zu?
40:34Wird das immer extremer, immer brutaler?
40:37Da hätte ich gerne noch von jedem einen Satz, bitte.
40:40Beginnen Sie gern.
40:42Oh, ich würde sagen, auch wenn Trump nicht gewinnt,
40:46da wird immer noch diese Frustration sein.
40:49Und in Amerika wird das schärfer, glaube ich.
40:52Und wie gesagt, Bürgerkrieg nicht unbedingt so wie in den 1900-Jahren,
40:56aber die Gewalt wird mehr, obwohl die Leute davon Angst haben
41:02und es nicht wollen.
41:04Sie, Herr Kemmerich.
41:06Ich würde wieder meine Eingangsthese sagen,
41:08mir ist das so ein bisschen zu pauschal, wird alles gewaltsamer.
41:11Das ist in den USA sicherlich die große Gefahr.
41:13In Frankreich kann ich das nicht beurteilen.
41:15In Deutschland weiß ich es auch nicht.
41:17Also Polen ist ja ein tolles Zeichen,
41:19dass sozusagen da wieder liberale Parteien,
41:21die Labour-Partie in London ist ein Zeichen.
41:24Also so generell kann man das nicht von vornherein sagen,
41:27dass sozusagen eine Radikalisierung in den politischen Rändern
41:30von sich aus erstmal schon so gegeben ist.
41:31Also Sie halten sich da noch offen, dass das Spektrum...
41:35Wie gesagt, es hängt davon ab,
41:37wie stark die bürgerliche Mitte sich wieder konstituiert
41:39und sozusagen Programmvorschläge macht.
41:41Dazu ist es erforderlich,
41:43dass die überholten Parteien sich so ein bisschen neu aufstellen.
41:45Was erwarten Sie noch kurz?
41:47Also ich glaube, es gibt Zyklen in dem politischen Leben
41:50und jetzt gerade sind wir wahrscheinlich in der Europäischen Union
41:54mehr in der Situation, wo es sich radikalisiert und spaltet.
41:58Aber man kann Hoffnung haben,
41:59wenn man in Großbritannien schaut.
42:01Das ist das Schlusswort.
42:03Danke Ihnen fürs Diskutieren, Ihnen fürs Zuschauen.
42:05Wir sehen uns bald bei Auf Den Punkt wieder.
42:07Und schreiben Sie uns auf YouTube.
42:09Danke fürs Zuschauen.
42:29Untertitel der Amara.org-Community

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