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Für Mordermittler Bernd Flake wird dieser Fall unauslöschlich in seinem Gedächtnis bleiben: Im November 2011 wird die 18-jährige Arzu von ihrer eigenen Familie entführt. „Das ist die höchste Form der Eskalation in einem Familienkonflikt“, so Flake. Er und sein Team versuchen alles Menschenmögliche, um Arzu lebend zu finden, doch sie werden scheitern. Ihre Leiche wird im Januar 2011 gefunden. Die Obduktion ergibt: Arzu wurde mit einem Kopfschuss hingerichtet. Jetzt liegt es an Bernd Flake und seinen Kollegen, Beweise zu sichern, um die Täter für diese abscheuliche Tat vor Gericht zu bringen.
In einem weiteren Fall im selben Jahr wird Hauptkommissar Gerhard Hoppmann aus Krefeld zu einem Leichenfund beordert. Vorerst sieht alles danach aus, als sei die 75-jährige Beate S. eines natürlichen Todes gestorben. Doch die kriminalistische Erfahrung Hoppmanns lässt ihn bald daran zweifeln. Und die Obduktion gibt ihm recht. Beate S. wurde ermordet. Doch wer ist für den Tod der alten Dame verantwortlich? Was war das Motiv? Es wird Hoppmann und seine Kollegen Monate kosten, das herauszufinden, und letztendlich führt das Handy der Toten ihn auf die Spur der Täter. (Text: ZDF)

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Transkript
00:00Dettmold, Aufnahmen der Polizei dokumentieren die
00:29Suche nach einer Vermissten. Hunderte Polizisten, Hubschrauber und
00:34Hundestaffeln sind im Einsatz, um die 18-jährige Arzu zu finden.
00:38Die junge Frau wurde entführt. Bernd Flake ist zu diesem Zeitpunkt Leiter der
00:44KripoLippe. Er setzt mit seinem Team alles daran, Arzu lebend zu finden.
00:49Das ist die höchste Eskalationsstufe in diesem Familienkonflikt, die es gibt und
00:55wenn wir jetzt nicht wirklich viel Glück haben und das das Auto noch finden, das
01:00Mädchen noch Leben finden, suchen wir sie nur noch als Leiche, muss man ganz
01:03deutlich so sagen. Es ist der 1. November 2011. Bei der
01:08Polizei geht ein besorgniserregender Notruf ein.
01:11Um 1.15 Uhr ist hier auf der Leitstelle in Dettmold ein Notruf eingegangen eines
01:16jungen Mannes, der sehr sehr panisch und sehr sehr aufgeregt war, der mitgeteilt
01:20hat, dass seine Freundin soeben gewaltsam aus seiner Wohnung entführt worden sei.
01:24Hier in diesem Haus fanden Überfall und Entführung statt. Innerhalb von nur zwei
01:28Minuten sind die Beamten vor Ort. Arzu war hier bei ihrem deutschen Freund, als
01:33ihre Geschwister plötzlich und völlig unerwartet in die Wohnung einbrechen.
01:38Während ihr Freund mit einer Waffe bedroht wird, wird Arzu gegen ihren
01:42Willen aus dem Haus gezerrt.
01:46Der Überfall kam mitten in der Nacht völlig überraschend. Maskierte Personen
01:51sind durch die Wohnungstür und über ein Fenster an der Rückseite der Wohnung,
01:56das auf Kippe stand, gewaltsam in die Wohnung eingedrungen, haben unter
02:00Vorhalt einer Schusswaffe den Wohnungsinhaber, also den Freund von Arzu
02:04und Arzu verprügelt, die anderen in der Wohnung auffälligen Personen mit einer
02:08Waffe bedroht und haben dann Arzu aus der Wohnung im wahrsten Sinne des Wortes
02:12verschleppt gegen ihren Willen und wo sie sich gewährt hat.
02:15Bereits vor der Entführung hatte Arzu mehrmals Anzeige gegen Familienangehörige
02:20erstattet. Strenggläubige Jesiden, die ihre Beziehungen außerhalb der eigenen
02:24ethnischen Gruppe verboten haben.
02:29Ausgangspunkt der ganzen Geschichte war, dass Arzu sich in einen Arbeitskollegen
02:34in einer Bäckerei im Heimatdorf verliebt hat. Diese Liebesbeziehung ist der
02:39Familie nicht verborgen geblieben. Arzu wurde zur Rede gestellt und hat sich der
02:43Aufforderung, die Beziehung zu beenden, widersetzt und hat gesagt, das mache ich
02:47nicht. Und daraufhin ist sie massiv unter Druck gesetzt worden von ihrem Vater, von
02:51ihrer Mutter, auch von ihren Geschwistern. Sie ist geschlagen worden, sie ist
02:54eingesperrt worden. Man hat ihr das Handy weggenommen, man hat sie gezwungen, die
02:59Handysperre aufzuheben, damit das Handy ausgelesen werden kann. Durch die
03:03Textnachrichten, die da drin waren mit ihrem Freund, wurde es natürlich auch
03:06nicht besser. Im Gegenteil, die Wut der Familie und des Vaters stieg noch mehr
03:09an und letztendlich hat Arzu irgendwann eine Gelegenheit genutzt, aus der
03:14elterlichen Wohnung zu flüchten. Die Bedrohungen ihrer Familie sind so
03:18massiv, dass Arzu von nun an unter falscher Identität in einem Frauenhaus
03:22lebt. Doch am Abend des 1. November 2011 trifft sie ihren Freund, fährt mit ihm
03:27durch Detmold. Ein folgenschwerer Fehler. Dann war es so, dass in der etwa zwei
03:33Stunden vor dem Überfall in der Wohnung, das junge Pärchen mit zwei Freunden an
03:39einer Tankstelle in Detmold Chips gekauft hat und da ist durch Zufall eine
03:43der Brüder vorbeigefahren, hat das gesehen. Wochenlang wusste Arzus Familie
03:49nicht, wo sie ist. Durch diese zufällige Begegnung fliegt ihr Versteck auf.
03:59Er selbst hat dann das Fahrzeug weiterverfolgt bis zur Anschrift des
04:02Freundes und hat dann, ich sag jetzt mal, den Familienrat zusammengerufen. Man hat
04:06sich kurz beratschlagt und ist dann mit vier Geschwistern dahin gefahren und hat
04:11einen Überfall durchgeführt und Arzu entführt.
04:15Ermittler Flake und sein Team ahnen, Arzu schwebt in Lebensgefahr.
04:20Über die Handyortung ihrer Geschwister versuchen die Beamten Arzu zu retten.
04:26Die Spur führt auf die Autobahn.
04:33Als das klar war, es geht auf die Autobahn und Richtung Norden, die
04:36Autobahnpolizei, die Bundespolizei, Flughäfen, alles was man sich überhaupt
04:42nur denken kann, Grenzfahndung, alles auf den Weg gebracht, um das Auto und die
04:47darin befindlichen Personen möglichst schnell anzutreffen und Arzu in Sicherheit
04:52zu bringen. Doch dann schalten die Geschwister
04:56Shirin, Kherer und Osman die Handys ab und ihre Spur verliert sich.
05:07Krefeld. Eine ältere Dame liegt tot in ihrer Wohnung. Es ist die 75-jährige Beate S.
05:22Zunächst sieht alles nach einem natürlichen Todesfall aus.
05:25Deshalb werden im März 2011 routinemäßig auch Hauptkommissar Gerhard
05:30Hoppmann und seine Kollegen von der Kripo eingeschaltet.
05:37Es war so gewesen, dass ein Bekannter der Beate S. die Leiche im Prinzip aufgefunden
05:44hatte. Er war dort hingefahren, sie hatte sich nicht gemeldet. Er hat dann die
05:46Polizei gerufen und gemeinsam mit der Polizei war er in die Wohnung gegangen.
05:50Man kann nicht wirklich sagen gegangen, weil die Leiche lag direkt hinter der
05:55Türe und die Türe war gar nicht zu öffnen.
05:57Der Mann hatte einen Zweitschlüssel und eine Kollegin hat sich dann durch den
06:01Spalt gezwängt und hat dann ihnen hinter der Türe die Dame vorgefunden.
06:05Sie lag dort im Flur in Rückenlage und war eigentlich nicht besonders auffällig.
06:11Wir haben das hunderte Mal im Jahr, dass wir solche Todesfälle untersuchen und an
06:15diesem Fall war im ersten gar nichts Besonderes. Die Leiche wies insbesondere
06:20keine auffälligen Spuren auf.
06:22Noch ist das Routine für den Kommissar. Zu solchen Todesfällen gerufen zu werden
06:27ist nichts Ungewöhnliches und dennoch beschleicht den erfahrenen Ermittler
06:32schnell das Gefühl, dass Beate S. umgebracht worden sein könnte.
06:35Es sind die Auffälligkeiten in der Wohnung, die seine Aufmerksamkeit erregen.
06:41Direkt in dem Flur, in dem die Verstorbene lag, ist ein Bild von der
06:45Wand gefallen. Daneben an war das Schlafzimmer, auf dem Bett des Schlafzimmers
06:49waren einzelne Bluttropfungen und dort stand eine Schmuckstatue allerdings leer
06:54und auch die Behältnisse der Wohnung schienen uns durchwühlt, so dass
06:57möglicherweise hier ein Raub vorgelegen hatte.
07:01Ist Beate S. das Opfer eines Raubmordes geworden?
07:04Ermittler Hoppmann ordnet eine Obduktion der Leiche an. Nur so kann er Klarheit
07:08bekommen, ob es sich hier um ein Kapitalverbrechen handelt.
07:15Bei der Obduktion wurde dann äußerlich auch nichts Besonderes festgestellt, keine
07:19besonderen Auffälligkeiten, aber beim Eröffnen der Herzorgane wurde festgestellt,
07:24dass in den tieferen Geweben Blutungen vorhanden waren. Insbesondere war auch ein
07:28Kehlkopfhorn und ein Zungenbein abgebrochen. Das sind eindeutige Hinweise
07:32darauf, dass hier eine komprimierende Einwirkung auf den Hals stattgefunden hat
07:37und so wurde auch das Ergebnis festgestellt, nämlich dass die
07:40Einwirkung auf die Halsorgane zu einem Ersticken der Person geführt hat.
07:44Sofort richtet Gerhard Hoppmann eine Mordkommission ein.
07:48Vorerst gilt es, alles über das Leben der alten Dame in Erfahrung zu bringen.
07:52Was war ihre tägliche Routine? Mit wem hatte sie Kontakt?
07:57Die ältere Dame war zwar 75 Jahre alt, aber sie galt als clever, weltoffen,
08:02hilfsbereit und sie war auch noch allen anderen Dingen des Lebens gegenüber sehr
08:06offen. Sie reiste sehr viel, war kommunikativ, sie verkehrte im Internet,
08:10suchte auch dort noch Bekanntschaften, sie fuhr noch Auto. Also sie war noch eine
08:14relativ im Leben stehende Dame.
08:18Doch nicht nur das. Beate S. ist auch sehr vermögend und daraus macht sie keinen
08:23Hehl. Unter anderem besaß das Opfer sehr wertvollen Schmuck.
08:28Sie war Prokuristin gewesen und hatte ein recht gutes Einkommen und auch jetzt
08:32noch in der Pension hatte sie über 3.000 Euro netto im Monat zur Verfügung.
08:38Sie hatte ein gutes Vermögen von über 100.000 Euro auf dem Konto und verfügte
08:43über zwei ihr gehörende Eigentumswohnungen.
08:45Ging es um Geld? Ist das der Grund für den Mord?
08:48Hoppmann kombiniert, dass eventuelle Täter nicht durch die Haustüre hätten
08:52fliehen können, denn die war durch die Leiche versperrt.
08:56Das Besondere war hier, dass dort der Balkon, wie auch jetzt, mit Blumenkästen
09:01besetzt ist. Allerdings zum Tatzeitpunkt fehlte ein Blumenkasten. Das war ganz
09:05augenscheinlich für uns. Aber zeitgleich war es so, dass auf der Innenseite ein
09:10Wasserkasten in diesem Bereich stand und für uns war es recht sicher, dass hier
09:14ein Täter versucht hatte, mit Hilfe des Wasserkastens über den Balkon zu steigen.
09:19Hat der Täter die Wohnung auf diesem Weg verlassen?
09:22Hoppmann und seine Kollegen der Mordkommission arbeiten auf Hochtouren.
09:26Nach wenigen Tagen können sie rekonstruieren, was aus der Wohnung der
09:30Alten Dame alles genau fehlt.
09:34Wir haben festgestellt, dass am Tatort ca. ein Kilogramm Goldschmuck entwendet
09:38worden ist, im Wert von ca. 50.000 Euro. Dann wurde aus einem Portemonnaie noch
09:42Bargeld entwendet. Aber wichtig für uns war, es wurde das Handy der Alten Dame
09:46entwendet, nämlich ein goldfarbenes Club-Handy, ein Motorola Razr. Und dieses
09:52relativ auffällige Telefon war für uns in den Ermittlungen später sehr wichtig.
09:56Erstens haben wir nach dem Gerät gefahndet, aber auch
09:58Telekommunikationsmaßnahmen daran angeschlossen.
10:02Doch das Handy des Opfers ist ausgeschaltet.
10:05Dennoch ist Mordermittler Hoppmann guter Dinge, den Fall schnell zu klären.
10:09Denn die Kriminaltechniker können in der Wohnung des Opfers vielversprechende
10:13Beweismittel sichern. An der Leiche selbst, unter anderem die DNA eines
10:18anderen Menschen. Und zwar am Hals, an den Fingern und an der Kleidung.
10:24Abgesehen davon, dass die Spuren an der Leiche und die DNA-Spuren, die wir
10:28gefunden haben, sehr interessant für uns waren, haben wir ein interessantes
10:32Detail gefunden. Das war nämlich das Stück eines Gürtels. Ein Gürtel, der
10:35unter der Leiche lag. Und das war ein abgerissenes Stück, was üblicherweise
10:39nicht in den Haushalt gehörte, passte zu keinem anderen Gürtel. Und wir waren
10:43später der Meinung, dass dieses Teil vom Täter stammen müsste. Und sind der
10:47Meinung, dass das Opfer im Kampf oder als Abwehr dieses Stück Gürtel beim Täter
10:51abgerissen hat. Hoppmann lässt die DNA-Spur in der
10:55Polizeidatenbank abgleichen. Die Enttäuschung ist groß, als er erfährt,
11:00dass es keine Übereinstimmung gibt. Wird er eine andere Spur finden, die ihn zum
11:05Täter führt?
11:11Detmold. Hier hat es Ermittler Bernd Flake mit einer Entführung zu tun.
11:16Die 18-jährige Arzu wurde von ihren Geschwistern gegen ihren Willen aus der
11:21Wohnung ihres deutschen Freundes gezerrt. Ihre jesidische Familie hatte sie
11:25bereits vorher mehrfach körperlich schwer misshandelt.
11:31Der treibende Gedanke ist, zu versuchen, Arzu noch lebend wieder zu finden.
11:36Und daraufhin wurden also erhebliche Fahndungsmaßnahmen, ich sage jetzt mal
11:42bundesweit, insbesondere Richtung Nörddeutschland, ausgelöst. Und man steht
11:46unter dem Druck und hat auch immer den Gedanken, hoffentlich haben wir nichts
11:49vergessen. Woran können wir noch denken? Was können wir noch machen?
11:52Und man klammert sich auch da an die Hoffnung, das Opfer noch lebend zu
11:56finden. Noch in der Nacht werden zwei Geschwister festgenommen.
12:00Kemal und Elvis. Auch sie waren an der Entführung ihrer Schwester beteiligt.
12:05Am nächsten Morgen tauchen dann auch die drei weiteren gesuchten Geschwister
12:09wieder auf. Nachdem wir alle Geschwister festgenommen hatten, Arzu aber weiterhin
12:13verschwunden war, war uns allen wirklich klar, wir können suchen und suchen und
12:18suchen. Aber die Hoffnung, dass wir Arzu noch leben finden, die war da auch bei
12:22dem Letzten, der bislang noch Hoffnung gehabt hat, wirklich gegen null.
12:26Was genau passiert ist? Arzus Familie schweigt. Ermittler Flake und seine
12:31Kollegen geraten zunehmend unter Druck, den Fall aufzuklären.
12:35Man muss ja überlegen, mit welchen Gefühlen muss man da umgehen. Es geht
12:39ja nicht nur um Fakten, sondern auch um Gefühle. Und in diesem Fall eher
12:42weniger in der Familie, sondern mehr im Freundeskreis, die Bekannten und auch die
12:47Öffentlichkeit. Also diese Mischung aus Wut, Fassungslosigkeit, Ungläublichkeit,
12:51Trauer, Angst, das wirkt sich natürlich auch insofern auf die Ermittlungen aus,
12:56weil dann ein Druck in der Öffentlichkeit entsteht und die
12:58Erwartungshaltung an die Polizei natürlich sehr hoch ist, Arzu entweder
13:02lebend wieder zu beschaffen, in Anführungszeichen, oder eben zu klären,
13:07ihren Verbleib zu klären und gegebenenfalls auch, wenn sie getötet
13:10worden ist, dafür Sorge zu tragen, dass später die Gerichtsbarkeit recht
13:14sprechen kann. Doch so sehr sich Flake und sein Team
13:17bemühen, sie können keine neuen Hinweise auf den Verbleib von Arzu finden.
13:21Der Kriminalist wendet sich an die ZDF-Sendung Aktenzeichen XY ungelöst.
13:28Für Hinweise, die zum Auffinden von Arzu führen, ist eine Belohnung von 5000 Euro
13:33ausgesetzt. Die Angaben können, und das ist ganz besonders wichtig, auf Wunsch
13:37natürlich auch vertraulich behandelt werden.
13:39Die Senderei XY ist ja nun genau das Medium, dass man in solchen Fällen, wenn
13:45man wirklich den letzten Strohhalm noch sucht, um den Verbleib einer Person zu
13:48klären oder eine Straftat zu klären, dass man dann in Deutschland noch bemühen
13:52kann, um eine möglichst hohe Anzahl von Menschen zu erreichen, dass sich
13:56vielleicht doch noch der eine oder andere sagt, hey, ich habe das Auto, nach dem
14:00er sucht, dann und dann, da und da doch gesehen. Und sich dann auch erst der
14:04Bedeutung seiner Beobachtung bewusst wird, wenn er es im Fernsehen sieht. Das ist
14:08gar nicht so selten. Aber da hat es keine sachdämlichen Hinweise gegeben, leider.
14:12Die Mordkommission kommt einfach nicht weiter und das Schweigen der Familie von
14:16Arzu macht die Beamten sprachlos. Dem Ermittler und Mensch Bernd Flake ist
14:20dieser Fall einer Familie, die ihre eigene Schwester und Tochter entführt,
14:23völlig fremd.
14:26Ich konnte zu keinem Zeitpunkt dieses Einsatzes und auch der
14:31nachfolgenden vier Monate der Ermittlungs- und Mordkommission zu
14:34keinem Zeitpunkt nachvollziehen, was da gelaufen ist, wie so etwas zustande
14:38kommen kann. Das erschließt sich mir nicht. Da sind wir Mitteleuropäer
14:42vielleicht auch anders sozialisiert. Ich weiß es nicht. Also das war für mich
14:45komplett unverständlich.
14:48Flake weiß nicht, ob er Arzus Schicksal überhaupt jemals aufklären kann.
14:59Krefeld. Der Tod einer alten Dame lässt hier Mordermittler Gerhard Hoppmann keine
15:04Ruhe. Seine Ermittlungen ergeben, Beate S. sucht Anschluss, auch über
15:08Partnerkontaktbörsen. So lernt sie im hohen Alter noch eine neue Liebe
15:13kennen. Führt diese Spur den Ermittler zu neuen Erkenntnissen?
15:20Wir haben natürlich die Kontakte überprüft, aber es gab letztlich keine
15:24Kontakte, die irgendeinen Tatverdacht erbrachten. Allerdings stellten wir auch
15:28fest, dass sie vor zwei Jahren einen Partner kennengelernt hatte, der aber
15:33leider verstorben war inzwischen. Und die Tochter dieses Mannes war nun zu
15:37ihrer Freundin geworden, zu der sie regelmäßig Kontakt hatte.
15:42Eine Tatsache, die Hoppmann aufhorchen lässt. Zumal das Opfer Beate S. diese
15:46Frau als Alleinerbin eingesetzt hat. Der Ehemann dieser Frau, Stefan K., war es,
15:52der die Leiche gefunden hat. Er habe die alte Dame telefonisch nicht erreicht,
15:57sich Sorgen gemacht und die Polizei alarmiert. Vor den Augen der Beamten
16:01öffnet er mit einem Zweitschlüssel die Wohnungstür, hinter der der Leichnam
16:05liegt. Ob dieses Ehepaar etwas mit dem Mord an der alten Dame zu tun hat?
16:10Es gab keinerlei Verdachtsmomente. Das waren einfach Bekannte, die sich um die
16:15alte Dame Sorgen gemacht hatten.
16:18Doch dann geht ein erster wichtiger Hinweis bei der Polizei ein. Eine
16:21Nachbarin des Opfers erinnert sich an zwei junge Männer, die mehrmals vor dem
16:25Anwesen standen und am Tatabend das Haus sogar betreten haben. Das könnten die
16:30Täter gewesen sein, vermutet die Polizei.
16:35Also solche Zufälle gibt es normalerweise nicht. Aus kriminalistischer Sicht war
16:38dieser Zusammenhang, wenn man der Zeugenaussage Glauben schenkt, so sicher,
16:43dass man sagen muss, das müssten eigentlich die Täter gewesen sein. Solche
16:46Zufälle gibt es normalerweise nicht.
16:50Phantomzeichnungen werden angefertigt. Die Kripo geht damit an die
16:53Öffentlichkeit. Zu den unbekannten Männern kommen keinerlei Hinweise. Doch
16:59dann meldet sich ein Mitarbeiter einer Krefelder Spielhalle.
17:06Zu unserem Erstaunen kam ein Hinweis aus einer Spielhalle. Eine
17:08Spielhallenaufsicht teilte uns mit, dass unsere Dame dort offensichtlich
17:12häufiger verkehrt hatte. Wir haben das zunächst nicht wirklich geglaubt. Aber
17:16als wir dann dort auftauchten, wurde uns mitgeteilt, dass die Dame tatsächlich
17:20mehrmals, auch einmal mindestens die Woche in der Spielhalle auftauchte und
17:25im Monat einige hundert Euro verspielt hat.
17:28Und auch in der Spielhalle trägt P.A.T.S. ihren wertvollen Schmuck.
17:31Mitarbeiter warnen sie deshalb sogar, dass das zwielichtige Personen anziehen
17:35könnte. Wurde die allein lebende Dame eine leichte Beute für kriminelle
17:39Banden? Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir keinen konkreten Tatverdacht und
17:44hatten auch im direkten Umfeld keine verdächtigen Personen festgestellt. Aber
17:48so erhöhte sich der Kreis der möglichen Kontaktpersonen deutlich. Denn in der
17:51Spielhalle konnte sie Personen kennengelernt haben und möglicherweise
17:55war hier der Kontakt zu den Tätern hergestellt worden.
17:58Doch auch Hopmanns Ermittlungen im Spielhallenmilieu bringen kein
18:01Ergebnis. Auch diese Spur verläuft also im Sande.
18:05Doch der erfahrene Ermittler gibt nicht auf. Er entscheidet sich jetzt zu einer
18:09sogenannten Rasterfahndung. Ein enormer finanzieller und logistischer Aufwand
18:14steht der Mordkommission bevor.
18:18Zur Unterstützung haben wir die operative Fallanalyse des Landeskriminalamtes
18:23um Unterstützung gebeten. Das sind die sogenannten in der Öffentlichkeit
18:26Profiler genannten Kollegen, die dann eine Fallanalyse machen und sagen,
18:31woher könnten diese Täter kommen, wie müssen wir uns die vorstellen. Und die
18:35Analysen analysieren die Fälle parallel zu uns, ohne dass wir miteinander
18:40sprechen. Wir kamen aber zu den gleichen Ergebnissen. Wir waren der Meinung, so eine
18:44Tat legt von 0 auf 100 sozusagen keinen Täter hin, der noch nie irgendeine
18:48Straftat begangen hat. Allerdings konnte es auch kein Schwersttäter gewesen sein,
18:52denn der wäre ohnehin schon mit seiner DNA in unserer Datei gewesen. Insofern
18:57suchten wir nach einem Täter, der vielleicht schon mal in Erscheinung
19:00getreten ist und diese Tat mit einem anderen gemeinsam begangen haben könnte.
19:04Hunderte Männer in Krefeld zwischen 18 und 31 Jahren, die in der Nähe des
19:10Tatorts leben, werden überprüft. Mehr als 50 Beamte sind im Einsatz.
19:14Wir haben bis sieben Wochen etwa nach der Tat 1290 Speichelproben eingeholt und nach
19:23unserem Dafürhalten hätte eigentlich der Täter dabei sein müssen. Wir hatten so
19:26gut die Tat analysiert und so gut uns auf den Täter eingestellt, dass wir der
19:32Meinung waren, den hätten wir eigentlich dabei haben müssen. Aber er war nicht
19:34dabei. Das war natürlich für uns ziemlich frustrierend.
19:37Kein einziger Treffer. Neue Ermittlungsergebnisse gibt es
19:41ebenfalls nicht. Hoppmann und sein Team kommen einfach nicht voran.
19:52Zurück in Detmold. Seit Monaten ist hier die Polizei auf der Suche nach der
19:5618-jährigen Arzu. Sie wurde von ihrer eigenen Familie entführt, doch die
20:01schweigt beharrlich zu den Vorwürfen. Kripo-Chef Bernd Flake und sein Team
20:06unternehmen alles, was in ihrer Macht steht, um Arzus Schicksal klären zu
20:09können. Das ging so weit, wie das Strafgesetzbuch und die
20:15Strafprozessordnung das zulassen. Also auch mit verdeckten Maßnahmen im
20:20Inland, mit Ermittlungen im Ausland, mit Rechtshilfe ersuchen, mit allem, was
20:24dazugehört. Einzelheiten, was wir alles genau gemacht haben, das ist so ein
20:29bisschen auch Betriebsgeheimnis. Wochen später. Ein Golfplatz in
20:33Schleswig-Holstein. Als ein Mitarbeiter am Vormittag einen dieser Ballen auf
20:37einen Gabelstapler laden will, entdeckt er eine Leiche.
20:40Der Mann ruft die Polizei. Die Untersuchungen ergeben schnell, es
20:43handelt sich um die sterblichen Überreste von Arzu.
20:48Die Betroffenheit ist natürlich bei allen da. Da ist auch jeder mit Gefühl
20:52und Emotionen sind bei solchen Geschichten da. Nur die muss man
20:55natürlich kontrollieren und an der Sache arbeiten. Und es kommt natürlich
20:58auch diese Reaktion an, wenn man nicht mit uns kooperiert und uns teilweise
21:02auch für dumm hält als Polizei, dass man sagt, Freunde, wir kriegen euch. Jetzt
21:06ist recht. Bevor die Verdächtigen mit dem Leichenfund
21:10konfrontiert werden, muss die Obduktion erfolgen und Aufschluss darüber geben,
21:14wie Arzu getötet wurde. Die Obduktion von Arzus Leiche hat ergeben, dass ihr aus
21:19nächster Nähe zweimal in den Kopf geschossen worden ist. Und diese beiden
21:22Schüsse waren beide sofort tödlich. Also ein Schuss hätte gereicht, aber sicher
21:27ist sicher, sage ich jetzt mal so, offensichtlich zwei Einschüsse, zwei
21:31Durchschüsse durch den Kopf aus aller nächster Nähe.
21:34Das war eine glatte Hinrichtung, nichts anderes.
21:37Vor dem Landgericht Detmold werden alle fünf Geschwister von Arzu angeklagt.
21:41Und nun kommt es auch zu Aussagen.
21:44Osman hat im Kern vor Gericht eingeräumt, dass er die beiden tödlichen Schüsse
21:48abgegeben hat und hat zur Erklärung für die Schüsse erklärt, dass man sich
21:53bereits auf der Fahrt im Auto gestritten habe. Man ist dann angehalten,
21:57ausgestiegen, hat weiter gestritten. Arzu hat ihn beschimpft und irgendwann hat
22:02er die Nerven verloren und hat darauf hingeschossen.
22:06Aber du wirst jetzt sehen, was passiert. Du wirst jetzt sehen, was passiert.
22:09Jetzt kommt die Konsequenz für dein Handeln.
22:13Ob der Mord an seiner Schwester tatsächlich genauso abgelaufen ist, wie
22:17Osman ihn schildert? Daran haben die Prozessbeteiligten ihre Zweifel.
22:24Wir sind deine Familie, Mann! Wir sind deine Familie!
22:28Ich habe ihm das nicht geglaubt. Nicht nur ich habe ihm das nicht geglaubt.
22:31Die anderen an dem Verfahren Beteiligten auch nicht, weil die Schüsse so
22:37gesetzt waren, dass es definitiv eine Hinrichtung war und weil die Aussagen
22:41auch für Leute, die sich ein bisschen mit solchen Sachen auskennen, abgesprochen
22:45aussahen.
22:47Alle fünf Geschwister werden verurteilt. Die Strafmaße liegen zwischen
22:50sechseinhalb Jahren und lebenslänglich. In einem späteren Verfahren wird auch
22:54Arzus Vater, der als Drahtzieher gilt, zu sechseinhalb Jahren Freiheitsstrafe
22:58verurteilt. Arzu musste offenbar sterben, weil sie in den Augen ihrer Familie
23:02den Falschen liebte. Ein Gedenkstein erinnert noch heute an sie.
23:07Bernd Flake konnte ihr Schicksal klären, den Fall aber auch gedanklich
23:10zu den Akten zu legen, ist ihm bis heute nicht ganz gelungen.
23:14Wenn ich an das Schicksal von Arzu denke, dann denke ich, dass da ein junger,
23:19lebensfroher Mensch sinnlos gestorben ist, ermordet worden ist,
23:22hingerichtet worden ist, wegen eines archaischen Gedankengutes und Kulturgutes,
23:27was in dieser Welt heutzutage keinen Platz mehr hat. Und das erfüllt mich mit
23:31großer Genugtuung, dass wir mit unserer Arbeit dazu beitragen konnten,
23:35dass die Verantwortlichen dafür zur Rechenschaft gezogen werden konnten.
23:39Die Urteile im Fall Arzu zeigen, dass Täter und Drahtzieher hart bestraft werden.
23:44Von einem vergleichbaren Fall, so sagt Bernd Flake, hat er in Deutschland
23:48seit dieser Tat nicht mehr gehört. Darüber ist der Ermittler sehr erleichtert.
24:00Zurück in Krefeld. Hier ist Ermittler Gerhard Hoppmann von der Aufklärung
24:03des Mordes an Beate S. noch weit entfernt.
24:07Obwohl Hoppmann sogar einen Massenspeicheltest mit mehr als 1000 Personen angeordnet hat.
24:13So eine Maßnahme mit so vielen Beamten, mit 50 Beamten, ist sehr aufwendig.
24:18Nicht nur personalaufwendig und kostenaufwendig, sondern auch nervenaufzehrend.
24:22Weil man wartet natürlich immer auf einen Treffer und die Kollegen suchen Tag um Tag
24:28Personen auf und lassen sich freiwillig eine Speichelprobe geben.
24:33Das ist schon ein nerviger Job, auch für denjenigen, der das Ganze dann
24:37aus leitender Funktion beobachten muss.
24:40Und doch ergibt sich aus keiner der Speichelproben ein Hinweis auf einen möglichen Täter.
24:44Hoppmann und sein Team sind frustriert.
24:46Doch dann passiert etwas, mit dem niemand mehr gerechnet hätte.
24:51Nach ungefähr sieben Wochen traf es uns wie ein Blitz, als aus heiterem Himmel
24:55wir dann feststellten, dass auf der Telefonüberwachung plötzlich etwas drauf war.
25:01Nämlich es wurde mit dem bei dem Opfer entwendeten Handy telefoniert.
25:05Da waren wir erstmal völlig überrascht und stellten dann noch überraschter fest,
25:10dass ein Telefonat geführt worden ist mit dem Anschluss des Auffinders der Toten.
25:17Doch wer hat das Handy der Toten?
25:19Hoppmann kommt auf die Spur einer bulgarischen Bande, deren Boss ist ein gewisser Ritschi.
25:24Der wiederum telefoniert mit Stefan K., dem Mann, der die Leiche gefunden hat.
25:29Der Computerfachmann und Familienvater ist jetzt wieder im Fokus von Ermittler Gerhard Hoppmann.
25:34Da die Verdächtigen am Telefon aber nicht über den Mord sprechen,
25:38greift der Ermittler zu einer kriminalistischen List.
25:43Wir haben einen sehr auffällig erscheinenden, unseriös erscheinenden Mann zu der Ehefrau geschickt,
25:51zu einem Zeitpunkt, als sie alleine zu Hause war.
25:54Und der hat einfach unsere Anweisung hin nur gesagt, ich möchte gerne mit ihrem Mann sprechen.
25:59Es geht um die Karmesstraße, sonst nichts. Es wurde kein Ding vorgehalten.
26:03Und ist dann einfach wieder gegangen, als er hörte, dass der Mann nicht da ist.
26:07Die Frau, das haben wir schon so geahnt, hat dann Angst bekommen und das zum Anlass genommen,
26:12sofort mit ihrem Ehemann zu telefonieren und hat ihm auch gesagt,
26:15da ist einer, der will dich offensichtlich erpressen, der weiß alles.
26:18Es wurde also so gesprochen, dass klar war, sie wissen von der Tat, sie haben die Tat begangen oder in Auftrag gegeben.
26:25Der erfahrene Ermittler hat in ein Wespennest gestochen.
26:29Am 27. Mai werden die Eheleute K. von Gerhard Hoppmann festgenommen.
26:34Die anschließenden Vernehmungen ergeben, um an das Vermögen der alten Dame zu gelangen, hat Stefan K. den Bulgaren Ritschi engagiert.
26:42Für 25.000 Euro sollte er Beate S. töten.
26:47Der Tatverdächtige Ritschi, der die Tat ausgeführt hat, wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
26:53Ebenso Stefan K., der zu der Tat angestiftet hatte, seine Ehefrau wurde wegen Nichtanzeige einer Straftat zu drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
27:02Daher war sie nach wie vor erbwürdig und hat tatsächlich als Alleinerbin das Vermögen der verstorbenen Frau geerbt.
27:09Obwohl die Ermordung von Beate S. ihr im Vorfeld bekannt war und sie somit in das Verbrechen verwickelt war, erbt Birgit K. das gesamte Vermögen des Opfers.
27:18Für Gerhard Hoppmann unbefriedigend.
27:20Dennoch konnte der Ermittler zumindest die Haupttäter hinter Gitter bringen.

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