Spanien: Kein Bier am Ballermann

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In bestimmten Partyzonen auf Mallorca gilt seit Mai ein striktes Alkoholverbot. Wer erwischt wird, muss bis zu 1.500 Euro Bußgeld zahlen. Einheimische haben sich organisiert, damit die neuen Regeln umgesetzt werden.

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00:00Partylaune auf Mallorca. An der spanischen Playa de Palma toben sich Touristen aus. Zehntausende,
00:09überwiegend Deutsche. Zum Leidwesen von Anwohnern wie ihm. Luis, so nennen wir ihn,
00:15will vorsichtshalber unerkannt bleiben. Er lebt seit 25 Jahren hier.
00:19Der Tourismus hat sich total verändert. Es geht nur noch ums Saufen. Wir fühlen uns machtlos.
00:27Ich muss mit Ohrstöpseln schlafen, weil es so laut ist.
00:30Die Überbleibsel der Exzesse. Leere Flaschen, Dosen. Dabei hat die Regionalregierung gleich
00:38in mehreren Partyzonen der Insel durchgegriffen. Wie hier in Playa de Palma darf auf der Straße
00:44und am Strand kein Alkohol mehr getrunken werden. Es drohen Bußgelder, bis zu 1500 Euro. Und
00:51Geschäfte, die Alkohol verkaufen, müssen um 21.30 Uhr schließen. Alain Carbonell und Miguel
00:58Pascual kämpfen dafür, dass die neuen Regeln durchgesetzt werden. Sie wohnen in der Partyzone
01:04und organisieren sich in einer Nachbarschaftsvereinigung. Das ist hier wie ein Freizeitpark.
01:12Und wenn die Touristen rausgehen, kommen sie durch die Wohngebiete, torkeln, fallen hin,
01:17urinieren auf der Straße. Alle machen das. Sie übergeben sich.
01:21Die Regierung müsste mal anfangen, die Geschäfte zu bestrafen,
01:28die sich nicht an die Verkaufszeiten halten.
01:31Das hier ist ein Beispiel für den Mist, den wir hier haben. Ich habe selbst Deutsche in
01:41der Familie und ich schäme mich für dieses Verhalten.
01:47Die Party beginnt am helllichten Tag. Vorglühen am Strand nennen sie es,
01:54auch wenn sie vom Alkoholverbot gehört haben.
01:57Für uns ist das halt ein klassischer Saufurlaub. Gerade jetzt hier am Strand nichts trinken zu
02:06können. Das ist halt schade. Da war unser erster Gedanke, lass mal einen Wein kaufen,
02:10irgendwie an den Strand chillen und was trinken. Dann haben wir uns Flaschen gekauft und noch
02:15diese Schilder abgerissen.
02:16Ich sehe trotzdem Leute, die hier sehr viel Alkohol konsumieren. Von der Polizei habe
02:22ich persönlich noch nicht viel mitbekommen.
02:24Die Nachbarschaftsvereinigung ist von den Behörden enttäuscht. Der Lärm der Party-Touristen
02:30beschränkt sich nicht nur auf die Straße. Die Fiesta geht auf Hotelbalkonen weiter und
02:36in ihren Wohnhäusern, weil immer mehr Apartments an Touristen vermietet werden.
02:40Wir hören jetzt schon seit Jahren, dass das Problem gelöst wird. Aber das Problem bleibt,
02:46weil keiner wirklich etwas unternehmen will, weil der Tourismus viel Geld hier lässt.
02:51Die Regionalregierung der Balearen, zu der Mallorca gehört,
02:56gibt uns nach mehrfacher telefonischer und schriftlicher Anfrage kein Interview und keine
03:02Auskunft.
03:09Beatrice Ciccardini betreibt ein deutsches Restaurant, lebt seit 50 Jahren auf Mallorca.
03:15Zunehmend schämt sie sich fürs Verhalten vieler Touristen. Sie spürt, dass die Stimmung
03:20zwischen Ausländern und Einwohnern kippt.
03:23Früher habe ich mich hier nie als Ausländer gefühlt. Und jetzt die letzten Jahre wird
03:28man wirklich so behandelt wie ein Ausländer hier, auch wenn ich eigentlich perfekt Spanisch
03:32spreche. Dann hast du den Plan, das ist eine Touristin.
03:38Auch viele Hotelbetreiber machen sich Sorgen. Der Vorsitzende des örtlichen Hotelverbandes
03:43Pedro Marín kämpft seit Jahren dafür, dass die Qualität der Hotels steigt und damit
03:49die Preise. Auch über eine Mindestaufenthaltsdauer wollen sie Party-Kurzurlauber vergrämen.
03:55All diese Anstrengungen, damit wir anständige Touristen hierher bekommen, reichen nicht.
04:01Ich glaube, man müsste die Leute schon im Herkunftsland sensibilisieren. Sie sollen
04:06kommen und den Strand genießen, den wir mit ihnen teilen, aber den sie für sich beanspruchen.
04:11Wir müssen alle pfleglich damit umgehen.
04:15Und die Anwohner dürften weniger werden, wenn sich nicht bald was tut. Luis will nicht
04:21mehr länger den Lärm ertragen müssen.
04:25Wenn das so bleibt oder schlimmer wird, brauche ich einen Plan B. Dann werde ich wegziehen
04:31müssen. Ich habe schon darüber nachgedacht, in die Wohnung meiner Mutter zu ziehen.
04:39Sollten mehr Anwohner seinem Beispiel folgen, dürfte die Partyzone an der Playa de Palma
04:45bald ganz in Touristenhand sein.
04:54Untertitel von Stephanie Geiges

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