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Im Gebärdenchor Berlin werden die Lieder nicht gesungen, sondern in Gebärdensprache gezeigt. Mit seinem Adventskonzert will der Chor auch gehörlose Menschen in Weihnachtsstimmung versetzen.

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Transkript
00:00Wolfgang Mescher hat noch viel zu tun.
00:04In dieser Berliner Kirche hat sein Chor gleich seinen großen Auftritt.
00:08Es ist ein Chor überwiegend aus Gehörlosen.
00:11In Gebärdensprache bringen sie in wenigen Stunden Adventslieder hier auf die Bühne.
00:15Seit mehr als 20 Jahren leitet er das Ensemble.
00:18Doch auch diesmal keine Routine.
00:21Ja, also, wenn ich so aufgeregt bin, ich mach alles mal ganz in Ruhe.
00:28Die Plakate ran, alles, dass nichts schief geht.
00:31Ich hoffe einfach, dass nichts schief geht, aber es fehlt so ein bisschen.
00:34Einige Tage zuvor im Proberaum.
00:37Der Chor diskutiert über die korrekte Gebärde für heilig.
00:40Je nach Dialekt kann sie variieren.
00:44In einer Welt, die auf hörende Menschen ausgerichtet ist,
00:47hat sich der Chor seinen Platz erkämpft.
00:50Früher habe ich oft beobachtet, wenn die hören,
00:53es ist ein Konzert ausgeschlagen an der Kirche, Adventskonzert.
00:57Warum haben wir Gehörlosen nicht die Möglichkeit,
01:00ein Adventskonzert zu besuchen?
01:03Sie wollen ein Lied präsentieren, in dem die Gläubigen Jesus empfangen.
01:07Wie geht das allein in Gebärdensprache?
01:10Komm, steht mal auf. Wir zeigen das lieber im Stehen,
01:14wie wir uns das vorstellen.
01:17Der Empfang, wie?
01:20Gebärdenpoesie.
01:23Sie ist ausdrucksstärker,
01:26melodischer als die alltägliche Gebärdensprache.
01:29Alle miteinander, sehen so.
01:32Thomas Kube ist seit über 10 Jahren Teil des Chores.
01:36Hier hat er eine Gemeinschaft gefunden, die ihm Rückhalt gibt.
01:40Der Gehörlose ist ein Augenmensch.
01:43Er sieht die Hände, er schaut auf die Hände,
01:45er schaut auf die wunderschönen Bewegungen,
01:48auf das Visuelle.
01:51Vom Hören zum Sehen.
01:54Das Übersetzen der Lieder in Gebärdenpoesie, nicht einfach.
01:58Zwei bis drei Sitzungen brauchen wir,
02:01um die Texte alleine so zu korrigieren, auszubessern,
02:05dass sie so sind, dass wir sie darstellen können.
02:09Wichtig, ob es der Gehörlose auch versteht,
02:12was wir dort machen.
02:15Auch im Alltag als Tischler kommt Wolfgang Mescher klar.
02:19Er verlässt sich auf seine anderen Sinne.
02:22Ich muss mit meinen Händen das fühlen.
02:25Die Maschine ist praktisch.
02:28Wenn ich sie anstelle,
02:31kann ich noch nicht sofort mit der Arbeit beginnen.
02:34Die Maschine muss erst warm laufen.
02:37An der Vibration merkt er, wenn es soweit ist.
02:40Mescher ist der einzige Gehörlose im Betrieb.
02:42Für die Kommunikation mit einigen Kollegen
02:45nutzt er eine Übersetzungs-App oder Gestik und Mimik.
02:49Wenn jetzt ein ausländischer Kollege,
02:52mit dem komme ich besser klar,
02:55weil der auch kein richtiges Deutsch kann,
02:58mit denen habe ich ein ganz anderes Gefühl,
03:01als mit einem Normalhirn,
03:04der dann Sätze ohne Hände redet.
03:07Das kriege ich überhaupt nicht richtig mit.
03:09Der große Tag.
03:12Im Publikum viele Gehörlose.
03:15Lebhafte Gespräche, weitgehend lautlos.
03:18Und dann geht es los.
03:21Ehre sei Gott in der Höhe, aus Bachs Weihnachtsoratorium.
03:32Ich fand es beeindruckend,
03:35wie man mit der Zeit die Gebärden im Ansicht hat.
03:37Wie man die Gebärden im Ansatz verstehen kann,
03:40wenn man den Text mitlesen darf.
03:43Ich staune, dass viele Gehörlose im Chor mitmachen.
03:46Für den Selbstgehörigkeitsentscheid
03:49und für Gehörlose passt die Band-Konsistenz.
03:52Auch das Publikum darf mal ran.
03:55Und 13 Lieder später ein glücklicher Chorleiter.
03:59Ich bin total zufrieden, es lief super.
04:02Wolfgang Mescher will nächstes Jahr im Advent wieder auftreten.
04:05Mit seinem Chor, ganz ohne Töne.

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