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Kategorie
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NewsTranskript
00:00In unserer Sendereihe Audi Max, das Kontrafunkkolleg,
00:04hören Sie heute den Essay
00:06Die Foresight-Falle
00:07Wie wir uns die Zukunft dicht machen.
00:10Autorin ist die Sprachwissenschaftlerin Katja Leihausen.
00:15Futurologische Vorausschau, auf Englisch Foresight, ist eine ursprünglich
00:19militärische Technik,
00:21mit der individuelles und kollektives Verhalten manipuliert wird.
00:25Es handelt sich um eine Anwendung des kybernetischen Prinzips der vorlaufenden
00:29Rückkopplung,
00:30das zuerst im Zweiten Weltkrieg vom britischen Militär für die Flugabwehr
00:34der deutschen Bombenangriffe praktisch genutzt wurde.
00:38Nach 1945 ist es unter anderem durch die US-amerikanische Rand Corporation
00:44von der Waffentechnik auf die manipulative Steuerung von
00:47Gesellschaften übertragen worden.
00:49Zuerst im propagandistischen Kampf gegen den sowjetischen Kommunismus,
00:54spätestens seit den amerikanischen Anti-Vietnam-Kriegsprotesten, aber auch
00:58im Kampf gegen die emanzipativen Bürgerbewegungen im eigenen Land.
01:03Eingegriffen wird mit den Foresight-Maßnahmen nicht dort, wo die
01:07Bombe einschlägt oder der Protest ausbricht.
01:10Vielmehr werden Widerspruch und Protests in der Bevölkerung so vorausberechnet
01:14und gesteuert,
01:15dass der Eingriff sie mit Sicherheit noch vor ihrem Ausbruch vernichtet.
01:20Praktiziert wird die Methode auch im Organisations- und Change-Management
01:24privater Unternehmen,
01:26sowie in staatlichen und globalen Regierungsorganisationen.
01:30Auch hier herrscht die Idee,
01:31dass man Probleme nicht mit Motivation,
01:34Kreativität und Sachverstand in dem Moment löst, wo sie eintreten,
01:39sondern antizipativ vorauseilend und mit quasi mathematischer Präzision.
01:44Gegenwärtig dient Foresight dazu, technische Innovationen durchzusetzen,
01:49die als Hochrisikotechnologien unbeliebt sind,
01:52die aber als entscheidender Faktor im geostrategischen Technologiewettrüsten gelten.
01:58Foresight ist die Methode der Planung des Ungeplanten.
02:02Im Szenarioplanning und mit Tabletop-Übungen werden Worst- und
02:06Best-Case-Szenarien erarbeitet und durchgespielt.
02:10In der verschwurbelten Sprache der vorausschauenden Experten dient das dazu,
02:15Zitat,
02:16günstige und ungünstige Bedingungen zu erkennen,
02:20Politik zu lenken,
02:21Strategien zu gestalten,
02:23neue Märkte, Produkte und Dienstleistungen
02:27sowie unkonventionelle Möglichkeiten der Organisationspolitik zu erschließen.
02:32Zitat Ende.
02:34Wenn sich später durch einen historischen Zufall die Gelegenheit für
02:37einen forcierten Technologiedurchbruch abzeichnet,
02:40dann wird das jeweils günstigste Szenario aus der Schublade geholt.
02:44Dann geben die vorbereiteten Szenarien nützliche Druckbilder ab,
02:49wie die Vorausschau-Experten eingestehen.
02:52Mit diesen Druckbildern setzen sie zuerst sich selbst
02:55und dann die politischen Entscheider sowie die breite Bevölkerung unter einen
02:59berechneten Handlungsdruck.
03:01Dasjenige Szenario, das aus Sicht der Experten historisch und zweckbezogen am
03:06besten passt,
03:07wird wie ein Gerücht breit gestreut,
03:09um alle auf die gewünschte Reaktion einzuschwören.
03:12So haben es diese Vorzeit-Technologen geschafft,
03:15dass heute die Kritiker der Hochrisikotechnologien
03:18als ihre gefährlichste Nebenwirkung angesehen werden.
03:21Sie haben von Oma und Opa gelernt,
03:23denen damals die Atomkraftgegner gefährlicher erschienen als die
03:27Atomkraft selbst.
03:29Die gute Gesellschaft hat heute mehr Angst vor einem sogenannten Impfgegner,
03:33der die AfD wählen könnte,
03:35als vor der massenhaften Ausbeutung hochsensibler medizinischer Daten
03:39durch die europäische EHDS-Verordnung
03:42und die Digital Health Citizen-Ideologie der UNO.
03:45Mehr Angst gar als vor dem neuen zwanghaften Kriegs- und Rüstungswahn.
03:50Das ist das Ergebnis der futurologischen Vorausschau,
03:53mit der Gesellschaft und Individuum manipulativ auseinandergenommen
03:58und für Zwecke wieder neu zusammengesetzt werden.
04:01Grundlage für die Szenarien sind umfangreiche Datensammlungen,
04:05die unter Einsatz digitaler Techniken immer weiter perfektioniert werden.
04:09In der spekulativen Vorzeit-Fotorologie heißen diese Datensammlungen
04:14Horizon Scanning.
04:16Der Horizont der Möglichkeiten wird abgesucht.
04:19Man beruft Expertenworkshops ein oder auch Bürgerräte,
04:23bei denen die geladenen Bürger als Experten nur umschmeichelt werden.
04:28Gemeinsam begibt man sich auf eine spekulative Zeitreise.
04:32Die Zukunft wird wie auf einer Schatzsuche erkundet.
04:35Dazu nutzt man bestimmte Präsentations- und Moderationstechniken,
04:40mit denen man Visionen, Geschichten, Mythen, Wünsche, Ängste, Hoffnungen
04:45oder Spekulationen über Wahrscheinlichkeiten sammelt,
04:49also alles, was die subjektive Intuition und Imagination hergibt.
04:54Wie sonst, fragen diese Experten, soll man die Zukunft studieren,
04:57wenn sie noch nicht stattgefunden hat?
05:00Man müsse aus dem engstirnigen Silo-Denken herauskommen
05:03und sich für innovatives Denken öffnen.
05:06Die von Paul Schreyer untersuchten Pandemie-Planspiele
05:09geben instruktive Beispiele für dieses Vorgehen ab.
05:13Beispielsweise veröffentlichte die Rockefeller Foundation im Jahre 2010
05:17vier Szenarien unter dem Titel
05:19Scenarios for the Future of Technology and International Development.
05:24Verantwortlich war die sogenannte Research Unit der Stiftung,
05:28also angeblich eine Forschungsabteilung.
05:31Ihre Protagonisten kamen unter anderem aus dem Global Business Network, GBN,
05:36das sich selbst als hochrangige Netzwerk- und Unternehmensforschungsagentur vorstellt.
05:41Einer ihrer Gründer, der Futurologe Peter Schwartz,
05:45sitzt zugleich im militaristischen Center for a New American Security.
05:50Im Internet gibt das Center an, für Kriegsspiele und Szenarioübungen
05:55zur Erkundung militärischer und nicht-militärischer Themen zuständig zu sein.
06:00Es sucht nicht nur nach schnellen Reaktionen auf dringende Herausforderungen
06:04wie den russischen Expansionismus.
06:06Es sucht auch nach effizienten Reaktionen auf inländischen Extremismus und Polarisierung.
06:13Es ist kein Zufall, dass in dieser militärischen Diktion
06:16zwischen Extremismus und Polarisierung nicht unterschieden wird.
06:20Polarisierende, sprich abweichende Meinungen zum Technologiewettrüsten
06:25werden als extremistisch eingestuft,
06:27damit sie schon im Voraus abgeschossen werden können.
06:30Zerstört und wieder neu festgelegt wird bei diesen aggressiven Abenteuerreisen
06:35zuallererst die Sprache.
06:37Um sich Zukunftsszenarien vorzustellen, versetzen sich die Planspieler imaginativ
06:43in die Zeit nach einer solchen Katastrophe,
06:46die sie dafür zuerst fantasievoll heraufbeschwören.
06:49Als wären sie Erzähler, wählen sie dabei die Perspektive der vollendeten Vergangenheit.
06:55Sie erzählen sich gegenseitig, was alles Schlimmes passiert war,
06:59bevor die neuen Rettungstechnologien eingeführt
07:02und die Bevölkerung durch sie sehr glücklich wurde.
07:06Durch fiktive Rückschau schauen sie in die Zukunft voraus.
07:10Mit diesem sprachlichen Trick steigern sie sich in ihre Fantasien darüber hinein,
07:14was alles passieren muss und was schließlich passiert sein muss,
07:19damit die Technologien nicht mehr auf Widerstand stoßen.
07:22Sie katapultieren sich mit ihrer pseudohistorischen Perspektive
07:26kollektiv in eine Stimmung der Zwangsläufigkeit hinein.
07:29Denn die Vergangenheit, die sie sich erzählen, ist,
07:32wie jede abgeschlossene Vergangenheit, unwiderruflich.
07:36Was einmal passiert ist, das kann niemand mehr zurücknehmen.
07:39Vollendetes Geschehen diskutiert nicht.
07:42Es kann im Nachhinein nicht geändert,
07:44sondern muss von allen gleichermaßen zwingend akzeptiert werden.
07:47Dieses Zeitgefühl mit diesem Druck des Notwendigen
07:50wird von den Planspielern absichtlich auf die Zukunft übertragen.
07:54Sie nehmen damit die gewünschten späteren Entscheidungen als unvermeidlich vorweg.
07:59Sie verpflichten sich auf die Umsetzung ihrer Szenarien.
08:02Sie verschaffen sich den Eindruck, die Zukunft absolut zu beherrschen
08:06und nach ihren Wünschen regelrecht zu vollstrecken.
08:10Kleinkinder würden in der Phase des Spracherwerbs
08:12sowieso zwischen gestern und morgen nicht unterscheiden können.
08:16Diese besondere anthropologische Begabung
08:19müsse für eine neue Sozialpsychologie der Zukunft genutzt werden.
08:23Als eines der wichtigsten Ziele des Szenarioplanning
08:26nennt der bei Rockefeller damals führende Fotorologe
08:29und Militärexperte Peter Schwarz ausdrücklich eine neue Sprache.
08:33Sie soll es sein, die das engstirnige Silo-Denken aufhebt
08:37und ein breiteres und tieferes Verständnis
08:39der Möglichkeiten zum Technologieeinsatz schafft.
08:42Komplex muss sie nicht sein,
08:44sie muss nur die Grenzen des Herkömmlichen sprengen.
08:48Denn wenn die Sprache auf überraschende Weise
08:50in unerforschte Gebiete ausgedehnt wird,
08:52wird auch die Wahrnehmung verändert,
08:54das Denken wird verändert
08:56und schließlich die Praxis und soziale Wirklichkeit.
09:00Zukunft wird gemacht.
09:02Mit ihrer neuen visionären und kindischen Sprache
09:05erfanden die Rockefeller-Experten damals unter dem Titel eines
09:09Lockstep-Szenarios eine Pandemie, die
09:12extrem virulent und tödlich besonders für gesunde junge Erwachsene war
09:17bzw. später einmal sein würde.
09:20In der Grammatik der vollendeten Vergangenheit schufen sie damit
09:24die alternativlose Notwendigkeit,
09:26auf eine solch furchtbare Pandemie mit nichts anderem zu reagieren
09:30als mit den von ihnen gewünschten technischen Innovationen,
09:34mit dem Gleichmarsch der Gesellschaftsmaschine im Lockstep
09:37und vor allem mit der Einführung digital
09:39militärischer Technologien zu ihrer Überwachung.
09:43Die neue Expertensprache erlaubte es ihnen zu denken,
09:46ich zitiere die Übersetzung von Norbert Hering auf seinem Blog,
09:50die Bürger waren duldsamer und sogar begierig auf Führung und Aufsicht von oben
09:55und die nationalen Führer hatten mehr Spielraum,
09:58um die Ordnung so durchzusetzen, wie sie es für richtig hielten.
10:02Zum Beispiel durch biometrische Ausweise für alle Bürger.
10:07Überwachung für alle Bürger hier und mehr Spielraum für die globalen
10:11und nationalen Führer dort.
10:13Was für die einen der worst case ist, das ist für die anderen der best case.
10:18Sachliche Prognosen und wissenschaftliche Risikoabwägungen
10:21bei der Gefahrenprävention eröbrigen sich, wenn rechtzeitig feststeht,
10:25wer von einer historischen Gelegenheit profitieren soll.
10:29Genau das galt in der Zeit des globalen Corona-Managements.
10:33Das futurologische Foresight-Ziel, das ab März 2020 öffentlich verbreitet wurde,
10:39war genauso fantasievoll und strikt festgelegt wie das Rockefeller-Lockstep-Szenario.
10:44Einen best case der Technologieeinführung verlautbarten Experten wie Bill Gates
10:50mit seiner Impfpropaganda in der Tagesschau zwar nur ausnahmsweise.
10:54Als hauptsächliches Ziel ihrer erzwungenen Lockdown- und Gleichmarschentscheidungen
10:59gaben sie vielmehr an, den worst case eines Massensterbens verhindern zu müssen.
11:05Vor allem aber mussten Zweifel, Kritik und Protest vorausschauend abgeschossen werden.
11:10Für beides erwies sich die öffentliche Manipulation mit worst case Szenarien als hocheffektiv.
11:16Für den Verkauf der Technologien, wie auch für die vorzeitige Abschaltung ihrer Kritiker.
11:22Um zu zeigen, wie die Foresight-Experten auf ihrer Corona-Schatzsuche
11:26das engstirnige Denken erweiterten, gehe ich nach Frankreich.
11:30Dort wurde die Manipulation mit worst case Szenarien unter der Bezeichnung Katastrophismus entwickelt.
11:36Zuerst im März 2001 in den Hinterzimmern der französischen Regierung.
11:41Von hier aus erreichte der Katastrophismus die akademische und allgemeine Öffentlichkeit,
11:46wo er spätestens seit 2015 Widerspruch bekommt.
11:51Die Umweltphilosophin Catherine Larer und ihr Mann, der Agronom Raphael Larer,
11:56veröffentlichten im Jahr 2020 eine Streitschrift.
12:00Darin schreiben sie, wichtige Protagonisten der französischen Grünen-Partei, les Verts,
12:06seien bereits bei den Präsidentschaftswahlen 2002 zum Katastrophismus konvertiert.
12:12Diese Manipulationstechnik, die also um das Jahr 2000 herum entwickelt wurde
12:17und den amerikanischen Foresight-Manövern so ähnlich ist, nenne ich Foresight-Katastrophismus.
12:23Die sprachliche Methode kann man am Beispiel eines Interviews sehen,
12:27das die französische Tageszeitung Le Monde Anfang Juli 2020
12:31mit dem damals 78-jährigen Philosophen Jean-Pierre Dupuy veröffentlichte.
12:37Dupuy ist studierter Ingenieur und emeritierter Professor für Philosophie und Wissenschaftsethik
12:43an der École Polytechnique in Paris,
12:46außerdem Professor für Französisch und Italienisch an der Stanford University in Kalifornien.
12:52Das Interview in Le Monde führte ihn zu der Frage, ob die Alten den Jungen wohl etwas schuldig sind,
12:59weil die Jungen ja, ohne selbst von der Epidemie bedroht zu sein, in den Lockdown gesperrt wurden.
13:06Die Frage beschied er ganz klar negativ, denn, so sagt Dupuy, wörtlich in meiner Übersetzung,
13:12wenn jemand, der mir nach dem Leben trachtet, darauf verzichtet, mich umzubringen,
13:17habe ich dann ihm gegenüber eine Schuld?
13:20Diese halluzinatorische Äußerung kann man ohne Kenntnis des Vorzeitkatastrophismus nicht verstehen.
13:26Dupuy entwickelt und verbreitet hier ein Worst-Case-Szenario, das aggressiver kaum formuliert sein kann,
13:32ganz offensichtlich realitätsverzerrend ist und das die Grenzen der Vorstellung und des Sagbaren sprengt.
13:38Kinder und junge Menschen imaginierte er als Mörder, die ihm nach dem Leben trachten,
13:43dann aber in ihrem Lockdown so freundlich waren, darauf zu verzichten, ihn umzubringen.
13:48Ihr natürliches menschliches Verhalten kriminalisierte er auf groteske Weise als Heimtücke.
13:54Um es mit dem Zynismus der militaristischen Feindbild-Experten zu sagen,
13:59Dupuy hat hier das Reden über Kinder und junge Menschen sehr weit in unerforschte Gebiete ausgedehnt.
14:05Wer ihm in seinen Corona-Interviews aufgeschlossen zuhörte,
14:09der bekam ein viel breiteres und tieferes Verständnis davon, wie man Kinder und Jugendliche für Zwecke benutzt.
14:15Systematisch wurden sie als Pandemietreiber, Pestraten und Mörder beschimpft.
14:20So machte man sie zum personifizierten Katastrophensignal,
14:24um sich und andere auf einen Aktivismus des Ausnahmezustands einzuschwören.
14:30Überreaktionen wurden systematisch eintrainiert.
14:33Auch Jean-Pierre Dupuy verfuhr dabei nach dem Prinzip der vorlaufenden Rückkopplung.
14:38Er wollte sich seine Katastrophengeschichte von einem glücklichen Ende herdenken,
14:42das ungefähr heißt, bevor ich mich bei einem Kind oder Jugendlichen mit dem Virus anstecke,
14:48muss ich mir sagen, es sind feige Mörder, sie trachten mir nach dem Leben.
14:53Danach richte ich mich.
14:55Dann werde ich im Nachhinein erfolgreich auf mein Epidemieverhalten zurückschauen
15:00und mir nichts vorwerfen müssen.
15:02Ich werde nicht leichtsinnig gewesen sein und mich immer von ihnen ferngehalten haben.
15:07Sie werden mich nicht umgebracht haben können.
15:11Katastrophismus ist, wie die Vorzeitmethode allgemein,
15:14Sprechen und Denken in den grammatischen Formen der vollendeten Zeit.
15:18Der Ingenieur Dupuy spricht etwas weniger smart als die US-amerikanischen Berater.
15:23Er nimmt nicht die vollendete Vergangenheit, sondern lieber das Futur II.
15:28Es wird auch Futur Perfekt genannt, weil es für die vollendete Zukunft steht.
15:32Mit ihm wird die Zeitenfolge noch mehr pervertiert.
15:36Der Katastrophist versetzt sich angestrengt in die Zeit nach der vorweggenommenen Katastrophe,
15:41die er verhindern will.
15:43Er sieht nicht aus seiner Position der Gegenwart in eine ungewisse offene Zukunft voller Möglichkeiten.
15:49Er blickt umgekehrt auf seine Gegenwart aus der Sicht einer Zukunft,
15:53die er als bereits abgeschlossen betrachtet.
15:56Er malt sie sich als unübertreffliches Schreckensszenario aus,
15:59mit der Idee, dieses Szenario am Ende überlebt zu haben und überlebt haben zu müssen.
16:06Die Sprachmanipulation betrifft zudem die Wortwahl.
16:09Katastrophisten benutzen Verben wie beispielsweise überleben, siegen, sterben oder jemanden umbringen,
16:16etwas zerstören, etwas vernichten oder retten.
16:20Mit Verben dieser Bedeutungskategorie wird die perfektive bzw. resultative Aktionsart ausgedrückt.
16:26Für Aussagen über die Zukunft ist das genauso unsinnig wie das Futur II,
16:30denn hier können wir nur von Projekten und Absichten sprechen.
16:34Wir sprechen unter dem Aspekt des Anfangens, Losgehens, Versuchens,
16:38nicht unter dem Aspekt der Vollendung.
16:41Aber die perfektiven Verben, die die Katastrophisten für ihre Zukunft verwenden,
16:45sind auf ihr eigenes Ziel und Ende ausgerichtet.
16:48Auch im Übrigen die gleichbedeutenden Substantive und Adjektive.
16:53Sie nehmen das Ergebnis vollständig vorweg.
16:56Man kann nicht ein bisschen sterben, ein bisschen tot sein oder jemanden ein bisschen umgebracht haben.
17:02Gestorben, gemordet und auch gesiegt wird nur total.
17:06Jedes Mal ist es ein Ausdruck des vollkommenen Erfolgs oder Scheiterns,
17:10der tatsächlich nicht durch Vorausschau, sondern nur aus der Rückschau einen Wahrheitswert bekommt.
17:16Katastrophisten sehen keine kleinen, abgewogenen Schritte.
17:20Für sie geht es um alles. Es wird um alles gegangen sein.
17:25Von der Wirkung seiner eigenen manipulativen Anstrengungen beeindruckt,
17:29verzerrt der Katastrophist schließlich auch die Modalität, in der er von der Zukunft spricht.
17:34Es ist dieselbe Autosuggestionsmethode wie bei den Rockefeller-Stories.
17:39Katastrophisten sehen das von ihnen herbeifantasierte Schreckensszenario nicht als eine Möglichkeit,
17:45die sich später ereignen kann, bloß ereignen könnte oder eher nie.
17:50Dass es irgendwann in der Zukunft zum Wesen von Kindern und Jugendlichen gehört,
17:55wie niederträchtige Mörder ihre Großeltern und Lehrer umbringen zu wollen, das ist ja nicht abzusehen.
18:01Aber Katastrophisten zwingen sich zu denken,
18:04dass eine solche Katastrophe mit Notwendigkeit ganz gewiss wird passiert sein müssen.
18:10Ob wir es wollen oder nicht, rief auf dem Deutschen Grünen-Parteitag im Oktober 2022
18:16die damalige Bundesgeschäftsführerin.
18:19Ob wir es wollen oder nicht, am Ende werden wir die Welt gerettet haben müssen.
18:24Das sollte heißen, andernfalls, wenn es uns, die Grüne Rettungspartei, nicht gäbe,
18:30wird die Welt demnächst untergegangen sein müssen.
18:34Durch diese umständlichen Verbformen und Satzgebilde klingt die Sprache,
18:38die die europäischen Foresight-Sozialingenieure in ihren internen Zirkeln befolgen,
18:43zwar viel hölzerner als die schönen Stories der Rockefeller Foresight-Berater.
18:48Aber die aggressive, autosuggestive Wirkung ist hier wie da dieselbe.
18:52Wenn sie unter sich sind, versetzen sich die Experten in eine Stimmung der historischen Notwendigkeit,
18:58der allgemeinen Verbindlichkeit und des zwangsläufigen Erfolgs hinein.
19:03Planmäßig zerstören sie die Grenzen zwischen heute, gestern und morgen,
19:07das heißt, die Grenzen zwischen zukünftiger Möglichkeit und historischer Notwendigkeit,
19:13zwischen Fiktion und Realität also.
19:16Vor allem werden die ethisch-moralisch relevanten Handlungsmodalitäten
19:20von müssen, können und wollen nicht mehr unterschieden.
19:23Das führt zur vollständigen Beliebigkeit.
19:26Die Grenzen zwischen machbar und nicht machbar,
19:29zwischen erlaubt und verboten werden gezielt übertreten.
19:32Die Experten verschaffen sich damit eine nachhaltige Bereitschaft
19:35zum willkürlichen und sachfremden Handeln.
19:38In der Folge zieht jede dieser sprachlichen Manipulationen eine weitere nach sich.
19:43Denn wenn die Katastrophe mit notwendiger Sicherheit wird stattgefunden haben müssen,
19:48dann müssen sich alle dieser Katastrophe unterwerfen, ob sie das wollen oder nicht.
19:53Was diese Experten sich selbst sagen und einreden müssen,
19:57das müssen sie erst recht den politischen Entscheidern
20:00und der ausführenden Bevölkerung sagen und einreden.
20:03Erst zwingen sie sich, dann alle anderen.
20:06Zu erinnern ist an den deutschen Corona-Chefexperten Christian Drosten.
20:10Seine Grundqualifikation und sprachliche Kompetenz ist diejenige eines Foresight-Experten.
20:15Am 11. März 2020 kommentierte er in seinem NDR Corona-Podcast die Bilder aus Bergamo.
20:22Sie waren damals noch völlig unverstanden,
20:25wirkten aber telegen-katastrophistisch.
20:28Drosten nahm sie also für seine Foresight-Zwecke und meinte,
20:32wir müssen jetzt sagen, so wird das kommen.
20:35Das sollte heißen, in Deutschland so schlimm wie in Bergamo.
20:39Noch in ein und demselben Satz mahnte er Nüchternheit und Wertschätzung für Wissenschaft an,
20:44doch Drosten verhöhnte damit nur sein Publikum.
20:47Denn er selbst beschwor gleich im Anschluss eine Anzahl weiterer Schreckensszenarien herauf.
20:52Nachdem er das sehr gute PCR-Laborsystem in Deutschland gelobt hatte,
20:57drängelte er, dass sich die politischen Entscheider darauf nicht ausruhen dürften.
21:01Er drohte wörtlich, wir können jetzt unsere erkannten Infektionsfälle nehmen
21:07und voraussagen, wie viele Tote wir in einem Monat haben.
21:11Der vorausschauende Experte suggerierte damit,
21:14dass jeder heutige Infizierte schon im nächsten Monat tot und gestorben sein würde.
21:20Listig fügte er hinzu, aber wollen wir wirklich so lange warten?
21:25Als wenige Tage danach flächendeckende Schulschließungen und der Lockdown beschlossen worden waren,
21:31ging es nur noch darum, die Bevölkerung aufs gehorsame Mitmachen einzuschwören.
21:36Das war der Gegenstand des vertraulichen Strategiepapiers,
21:40das ab 18. März von anderen Vorzeitberatern für das Bundesinnenministerium angefertigt wurde.
21:47Sie schrieben in ihrem Papier,
21:59Auch diese Experten nahmen die abgeschlossene Zukunft vorweg.
22:02Sie verstiegen sich sogar dazu, den Helferinnen und Helfern ihrer Katastrophenkampagne sei
22:08schon jetzt politisch zu danken.
22:11Namentlich und ausdrücklich wurde dem Fußballer Joshua Kimmich gedankt.
22:15Er sollte allerdings später in der realen Zukunft und ganz gegen dieses ehrlichternde Konzept
22:21den Eigensinn besitzen, dem Katastrophismus nicht auf den Leim zu gehen.
22:25Die offizielle Empörung darüber, dass sich Kimmich dem grandiosen Rettungsversprechen
22:30der sogenannten Covid-Impfungen erst einmal nicht beugte, musste groß sein.
22:35Schließlich hatte man ihm für die große Leistung, die er letztlich werde erbracht haben müssen,
22:40im Voraus bereits gedankt.
22:43Es war Jean-Pierre Dupuy, der die katastrophistische Technik als Theorie entwickelt hat.
22:48Als Berater der französischen Regierung unterbreitete er sie im März 2001
22:54ihrer Generalplanungskommission für Wirtschaftsfragen.
22:57Zu diesem Anlass versah er sie mit dem Werbetitel eines aufgeklärten und rationalen Katastrophismus.
23:04Panik schüren wolle er nämlich keinesfalls.
23:07Er wolle nur mehr Effizienz bei der Katastrophenbekämpfung.
23:12Im Gegensatz zu den US-amerikanischen Foresight-Experten wollte er mit dem manipulativen Worst Case
23:18technologische Hochrisiko-Innovationen nicht forcieren, sondern verhindern.
23:23Sie erinnern sich, da waren mal in den 70er und 80er Jahren die Soziologen der Risikogesellschaft.
23:29In Deutschland Ulrich Beck beispielsweise.
23:32Da war, besonders in Frankreich und USA, die Bewegung der politischen Ökologie.
23:38Oder auch, in Deutschland und Frankreich, die Partei der Grünen.
23:42Sie alle warnten nicht nur vor der Atomenergie, sondern auch vor den Gentechnologien,
23:47den Bio- und Nanotechnologien,
23:50sowie später auch vor den digitalisierten Informations- und Kognitionstechnologien.
23:55Der Mensch, so argumentierten sie,
23:58könne die Langzeitwirkungen dieser technischen Eingriffe nicht beherrschen.
24:02Die Flurkohlenwasserstoffe dienten damals als führendes Beispiel.
24:06Denn FCKW war seit den 30er Jahren völlig unbedenklich zum Einsatz gekommen,
24:11galt aber nun als Ursache für das Ozonloch.
24:15Solche technischen Innovationen könne man mit der klassischen Gefahrenprävention,
24:19mit Nutzen-Risiko-Abwägungen und mit der wissenschaftlichen Kunst der Prognose nicht mehr beherrschen.
24:25Auch nicht mit der Kritik an politischen oder wirtschaftlichen Interessen.
24:30An diesen Diskurs schließt Dupuis an.
24:33Die Wurzel des Übels sei allein die defizitäre metaphysische Grundausstattung des Menschen.
24:39Der Mensch lebe mit einem grundfalschen Zeitgefühl.
24:42Schließlich gäbe es genügend historische Beispiele für große Katastrophen,
24:46die dem Menschen zeigen, dass sich das Allerschrecklichste völlig unangekündigt ereignen kann.
24:52Die Systemtheorie der Kipppunkte habe das zudem theoretisch erkannt.
24:57Aber selbst wenn der Mensch weiß, dass mit Sicherheit etwas auf ihn zukommt,
25:02das ihm die Adern gefrieren lassen müsste und er nur das Datum noch nicht kennt,
25:07schafft er es trotzdem nicht, dieses Wissen in Glauben zu transformieren, so Dupuis.
25:13Man weiß, dass man sterben muss, aber man glaubt es nicht, weil man den eigenen Tod noch nicht erlebt hat.
25:19Deshalb, meint Dupuis, glaubt auch niemand daran,
25:22dass wegen der neuen technischen Risiken die Katastrophe mit Sicherheit kommen muss.
25:27Die Katastrophe findet zu selten statt.
25:31Dupuis kopiert den deutschen Philosophen Hans Jonas und schlussfolgert,
25:35die Furcht muss absichtlich beschafft werden.
25:39Auch Hans Jonas hatte sich, als er diese Forderung 1979 in seinem Buch
25:44über das Prinzip Verantwortung aufstellte, auf die vorlaufende Rückkopplung bezogen.
25:49Er sprach von vorwärtsgedachter Kausalität und erläuterte, Zitat,
25:55Der vorgestellte Endeffekt soll zur Entscheidung führen, was jetzt zu tun und zu lassen ist. Zitat Ende.
26:03Das Menschenbild dieser Philosophen könnte rationaler kaum sein.
26:07Der Mensch reagiert auf sinnliche Reize reflexhaft wie der Rechner auf Signale.
26:12Wenn er also ausschließlich das fürchtet, was er selbst erlebt hat,
26:16dann muss man ihm das reale Katastrophenerlebnis schon jetzt verschaffen.
26:22Man muss ihn die kommende Katastrophe schon jetzt so deutlich spüren lassen,
26:26dass sie ihn unmittelbar in Furcht, Glauben und Gehorsam zwingt.
26:31Der erbärmliche Mensch, der mit seinem falschen geschichtlichen Zeitgefühl blind in den Abgrund läuft, ist programmierbar.
26:38Und da er so zerstörerisch wie unbelehrbar ist,
26:41heißt das für diese Gesellschaftsingenieurin nicht, dass er programmiert werden kann.
26:46Es heißt, dass er programmiert und unprogrammiert werden muss.
26:50Am Ende des globalen Corona-Foresight-Managements ist Jean-Pierre Dupuy zum tragischen Beispiel für einen Revolutionär der Risikogesellschaft geworden.
27:00Mit seinen katastrophistischen Berechnungen wollte er die Gentechnologien, Nano- und Kognitionstechnologien unfehlbar effizient bekämpfen.
27:09Deshalb praktizierte er noch in der Corona-Zeit seinen aggressiven Foresight-Katastrophismus.
27:15Er praktizierte also eine manipulative Kognitionstechnologie,
27:19in deren Ergebnis mit den ModRNA-Stoffen eine neue, hochriskante Gen- und Nanotechnologie eingeführt worden ist.
27:28Die technische Innovation des digital koordinierten Lockdowns im gesellschaftlichen Gleichmarsch,
27:34inklusive digitaler Überwachungstechniken, ging ihnen voraus.
27:38Biometrische Ausweispflichten für alle Bürger wurden eingeführt.
27:43So geht die moderne Irrtumstragödie der Gesellschaftsingenieure.
27:47Wie Oedipus wollte Dupuy aus der menschlichen Zeit und Geschichte aussteigen.
27:52Wie Oedipus hat er sie am Ende bloß verfehlt.
27:55Das liegt an der Autonomie der Technik.
27:58Alle Techniken, auch die Techniken der Gesellschaftsoptimierung, verselbstständigen sich.
28:03Die Sozialingenieure haben sie selbst nicht in der Hand.
28:06Sie maßen sich an, die Zukunft wie Götter zu verstrecken.
28:10Doch genau durch diese Anmaßung berauben sie sich derjenigen Geschichtsmächtigkeit,
28:15die sie als Menschen tatsächlich haben.
28:18Um in der irdischen Geschichte zu wirken, bräuchte man nämlich kluge Strategien.
28:23Doch eine Methode wie der Vorzeitkatastrophismus ist alles andere als eine intelligente Strategie.
28:29Mit einer Strategie richtet man sich durch erfahrungsbasierte Chancen-Risiko-Abwägungen,
28:35durch Planung und Prognose auf ein Ziel aus, von dem man weiß, dass man es trotz allem verfehlen kann.
28:42Man weiß, dass man es mit der offenen Zukunft zu tun hat,
28:45die man als Mensch nicht kennen, nicht steuern und nicht kontrollieren kann.
28:50Die Zukunft bleibt ein Möglichkeitsraum, der zwar gestaltbar, aber nicht fixierbar ist.
28:56Selbst wenn man sich ein fokussiertes Ziel setzt,
28:59gibt es immer noch mehrere Möglichkeiten, sich diesem Ziel anzunähern.
29:03Man setzt sich also über schaubare Teilziele, die je nach zeitlichem Ablauf flexibel angepasst werden.
29:10Nicht nur die Mittel, auch die Ziele selbst werden angepasst,
29:13weil der Stratege geschichtlich denkt und die veränderte geschichtliche Lage nicht ignoriert.
29:19Für diese Flexibilität braucht der Erfahrung und Wissen im Umgang mit dem Pluralismus alles Menschlichen.
29:26Forsight-Katastrophismus dagegen ist eine Technik.
29:29Wie alle Technik produziert er Ergebnisse nach einem quasi mathematischen Programm.
29:34Eine Steuerungsfunktion wird ausgelöst, die geregelte Kopplung von In- und Output-Verhältnissen,
29:40die keine Geschichte kennt, sondern als Apparatur höchstens dem Verschleiß unterliegt.
29:46Wer das Sprechen und Denken in der vollendeten Zeit sowie in der Modalität des Müssens praktiziert,
29:51der schließt mechanisch die Zukunft als Möglichkeitsraum ab.
29:55Das gilt beim Worst-Case wie beim Best-Case gleichermaßen.
29:59Man stellt sich die Zukunft mit lauter vollendeten Pseudotatsachen zu.
30:03Zukunft wird dichtgemacht. Und das heißt die menschliche Gestaltungskraft.
30:09Genau das wollen zwar die Forsight-Ingenieure, aber sie haben sich verkalkuliert.
30:14Der Mechanismus unterwirft die Menschen ja, aber er unterwirft beide Seiten.
30:20Wer Strategien einsetzt oder noch sucht, der rechnet mit der Intelligenz eines gleichwertigen Gegners,
30:26der geniale Feldherr beispielsweise oder der Schachspieler, der seinen Herausforderer schlagen will.
30:32Wer dagegen solche Rückkopplungstechniken einsetzt, der rechnet mit automatischen Anpassungsleistungen von Leuten,
30:39die er sich gar nicht dumm und abhängig genug vorstellen kann.
30:42Zustimmung findet die Technik bei denen, die glauben am Hebel zu sitzen.
30:47Sie halten sich für souverän.
30:49Aber die Automatisierung braucht die menschliche Intelligenz nicht,
30:53schon gar nicht die Intelligenz derer, die sich für klüger halten, nur weil sie eine Maschine bedienen.
30:59Wenn es außerdem so ist, dass Strategien in einen verdeckt gehaltenen Handlungsplan eingebunden sind,
31:05dann werden Techniken nicht verdeckt, sondern ganz offen praktiziert.
31:10Die Strategien eines Gegners sind interessant zu entdecken und sinnvoll zu konterkarieren.
31:16Die offen menschenunwürdige Maschine dagegen macht sich, wenn sie stottert und klemmt, nur lächerlich.
31:22Sie kann nur abgeschaltet werden.
31:25Diese stotternde Maschine, das war die Corona-Gesellschaft als Ganze bzw. als funktionierende Mehrheit.
31:32Wer so funktionierte, wie es die Foresight-Anwendung vorsah, der wollte keine einzige Entscheidung diskutieren,
31:39der verfuhr lieber nach dem katastrophistischen Imperativ,
31:42bevor wir es auch nur ein bisschen falsch machen, machen wir es lieber vollkommen richtig.
31:48Es war wie bei der Flugabwehr.
31:50Die Katastrophe wurde in jeder öffentlichen und privaten Äußerung beschworen,
31:54um sich gegen die eigenen inneren Zweifel und gegen fremde Kritik zu immunisieren.
31:59Alle störenden Fragen wurden abgeschirmt, ausgeblendet, weggewischt.
32:04Man lauerte überall nur auf Katastrophensignale.
32:07Über den offensichtlichen Betrug mit dem herbeigetesteten Worst Case sah man angestrengt hinweg,
32:13auch über die Boshaftigkeit, Lächerlichkeit und Unsachlichkeit der Maßnahmen.
32:18Schnell war eine eingeschworene Gemeinschaft entstanden,
32:21die für Wissenschaft und Erkenntnis, für Deliberation und Demokratie nicht mehr zugänglich war.
32:27Anstatt informierte und abgewogene Entscheidungen zu treffen, die trotz allem immer fehlgehen können,
32:33nahm man immer nur die von der Vorausschauapparatur vorfestgelegte Entscheidung.
32:39Solche Entscheidungen sind aber gar keine Entscheidungen.
32:42Denn wer aus einem technischen Programm heraus zwischen vollendeter Vergangenheit und offener Zukunft
32:48zwischen Realität und Fiktion nicht unterscheidet, ist zur Entscheidung nicht in der Lage.
32:54Der fragt nicht, ob er will, kann und darf, was er auf Wunsch oder Anweisung muss und soll.
33:00Die Unterscheidung dieser Handlungsmodalitäten und die ethische Reflexion sind abgeschafft.
33:05Als geschichtliche Entwicklung ist dieser Verlust der Entscheidungsfähigkeit bereits 1954
33:11von dem französischen Soziologen und Juristen Jacques Ellul beschrieben worden.
33:16In seinem Buch mit dem Titel Die Technik oder die Herausforderung des Jahrhunderts
33:21analysierte Ellul seine zeitgenössische Gesellschaft als technisierte Gesellschaft.
33:27Hier ist Technik nicht mehr nur ein materielles Phänomen, sondern universelles Handlungsprinzip.
33:33Es geht um die technisch durchorganisierte Gesellschaft, wo alle Aktivitäten, wie bei einer Maschine,
33:39so koordiniert werden, dass, dem Anspruch nach, Ziele effektiv erreicht werden.
33:45Diese Gesellschaftsmaschine beherrscht schließlich auch die individuelle menschliche Lebensweise im Alltag.
33:51Denn, so sagt Ellul, in der technisierten Gesellschaft läuft man in allen Lebensbereichen
33:56nur noch dem stillen technischen Imperativ hinterher.
34:00Von einem ethisch verantwortungsbewussten Imperativ wie dem kategorischen Imperativ Immanuel Kants
34:06kann der technische Imperativ kaum weiter entfernt sein.
34:10Er heißt, ungefähr, pass dich den technisch-organisatorischen Abläufen an, nutze den Apparat, sei effizient.
34:18Nimm das Ergebnis vorweg bei allem, was du tust, und tue nichts, wo du dir über den Erfolg noch unsicher sein musst.
34:25Mach nur, was du mit Sicherheit regeln und beeinflussen kannst.
34:29Dieser technische Imperativ ist ein Vorzeit-Imperativ.
34:33Das eigene Handeln wird in eine Zukunft vorausprojiziert, die man sich als vollendet, notwendig und sicher beherrschbar vorstellt.
34:41Das ist ein Strukturmerkmal jeder technisierten Gesellschaft.
34:45Durch und durch beherrscht wird von diesem Imperativ aber erst die digitalisierte Gesellschaft von heute.
34:51Erst hier konnte der technische Imperativ zur Supertechnologie der Manipulation ausgebaut werden.
34:57Man gewöhnt sich nämlich heute ganz von selbst daran, überall nur noch dasjenige Tool zu bedienen,
35:03von dem versprochen wird, dass es das effektivste ist oder gewesen sein wird.
35:09Worst-Case-Szenarien sind dabei allgegenwärtig, beispielsweise wenn man im Alltag denkt,
35:14bevor ich auf der Heimfahrt mit dem Auto im Stau stehe, vertraue ich lieber meinem Navi,
35:19statt meinen Ortskenntnissen und meiner Spontaneität.
35:22Oder wenn jemand dem stillschweigenden Imperativ folgt,
35:26bevor ich irgendjemanden bruskiere und ich mich selbst ins Aus schieße, bediene ich doch lieber den eindeutigen Gender-Code.
35:34Oder wenn es leise denkt, bevor ich als Trottel gelte, der nicht der Wissenschaft folgt,
35:40mache ich doch lieber aktiv bei allen technischen und digitalen Anwendungen mit.
35:45Bevor ich negativ auffalle, passe ich mich lieber an.
35:48Damit gehe ich sicher und es kostet mich nichts.
35:52Dieser vorauseilende Gehorsam ist natürlich ein Trugschluss.
35:55Denn er kostet die eigene Sprach- und Ausdrucksfähigkeit, das ästhetische und moralische Empfinden,
36:01den politischen Orientierungssinn, die Beziehungsfähigkeit, die Entwicklungs- und Lernbereitschaft,
36:06den eigenen Gestaltungswillen und die Zukunftsoffenheit.
36:10Der Vorzeitreflex ist eine Falle, die zu radikalem Antihumanismus führt.
36:15Menschen werden mit allen ihren intellektuellen, emotionalen und sozialen Fähigkeiten systematisch erniedrigt,
36:22lächerlich und krank gemacht.
36:24Sie machen sich selbst lächerlich.
36:26Am Ende verkauft man, völlig sorglos, die eigene Großmutter im Lockdown.
36:31Die innovativ getunte, aber tatsächlich bloß bequeme Entscheidung, die gar keine Entscheidung ist, kostet das Leben.
36:39Das ist die Vorzeitfalle.
36:42Wie die Vorzeitfalle unseren digitalen Alltag beherrscht,
36:46das beschreibt der französische Philosoph und Publizist Éric Sardin.
36:50Sardin ist über Theater und Kunst zum Thema gekommen.
36:53Seit dem Jahr 2000 veröffentlicht er regelmäßig, seit 2011 jährlich, ein kritisches Buch zur Digitalisierung.
37:01Als kürzlich am 10. Februar 2025 Emmanuel Macron seinen spektakulären AI-Gipfel in Paris abhielt,
37:09hatte Sardin zusammen mit der Gewerkschaft der Journalisten einen Gegengipfel organisiert.
37:14Die französischen Medien berichteten, sie brauchen Sardin als Figur des Widerspruchs
37:19für die Inszenierung von Debatten oder Pseudodebatten.
37:22In Spanien und Lateinamerika wird der Digitalisierungskritiker eifrig übersetzt, in Deutschland wird er ignoriert.
37:29Dabei ist Sardin kein Ideologe.
37:32Er fordert nichts weiter als die Rückbesinnung auf die schädlichen Folgen und Langzeitfolgen der Digitalisierung.
37:38Um diese Folgen zu ermessen, schreibt er die Geschichte der Digitalisierung.
37:42Er beschreibt sie als eine Entwicklung, die mit verführerischen Versprechen begann,
37:47nicht nur mit Bequemlichkeits- und Effizienzversprechen,
37:50sondern vor allem mit Emanzipationsversprechen darüber,
37:54was wir mit den Algorithmen alles Progressives, Moralisches und Nützliches erreichen können.
38:00Heute mündet diese Geschichte zusehends in dem unausweichlichen Digitalisierungszwang,
38:06dem sich alle unterwerfen müssen.
38:09Die historische Wende in dieser Entwicklung von der freien Möglichkeit hin zum willenlosen Zwang
38:15bildet die Anwendung professioneller digitaler Expertensysteme seit den 1990er Jahren,
38:21besonders in der Medizin.
38:23Heute stehen solche Systeme als App auf jedem Smartphone bereit.
38:28Das Paradigma der Alltagsdigitalisierung sind Menschen, die wie Dauerpatienten
38:33mit tragbaren oder implantierten Geräten beständig ihre Körperfunktionen kontrollieren,
38:38um jedem Eventualfall eines Gesundheitsrisikos vorausschauend entgegenzuwirken.
38:44Beworben werden die digitalen Anwendungen mit einer aufdringlichen Mischung
38:48aus Krankheitsdrohung und Erlösungsversprechen.
38:51Die praktische menschliche Intelligenz, die das hinterfragen würde,
38:55wird von den Usern gerne eingetauscht.
38:57Sie tauschen sie gegen exakte Echtzeitdaten über ihre körperliche Verfassung
39:02und vor allem gegen die hochindividualisierten Handlungsanweisungen,
39:06die für ihr Gesundheitsverhalten automatisch folgen.
39:11Die User denken, mit diesen Anweisungen können sie nicht fehlgehen,
39:15weshalb sie sie befolgen müssen und ohne weiteres auch befolgen wollen.
39:20Nicht nur in der Medizin überlassen sie den Algorithmen mittlerweile
39:24die vollständige Entscheidungsmacht über ihr Leben.
39:27Dieses Regime weise vorausschauender Algorithmen stürzt Individuum und Gesellschaft
39:32erst recht in eine Falle.
39:34Schon auf den Einzelnen hat es destruktive Wirkungen,
39:37die diejenigen der klassischen Maschine weit übertreffen.
39:40Die klassische Maschine unterwirft den Menschen.
39:43Jacques Ellul hatte als paradigmatisches Beispiel die Dampfmaschine genommen,
39:47die dem Heizer Rhythmus und Bewegungen aufzwingt und ihm lebenslang den Rücken beugt.
39:53Aber das Regime der digitalen Organisation durchdringt
39:56und absorbiert die Menschen und ihre Gesellschaft.
39:59Sie standardisiert sie, genauso wie die Abläufe, denen sie sich fügen.
40:03Jacques Ellul hat das erläutert,
40:05wo die mathematische Berechnung das menschliche Handeln regiert,
40:09da gibt es keine Entscheidung mehr und keinen Widerspruch.
40:12Vier ist immer mehr als drei, sagt Ellul.
40:16Wer also denjenigen Apparat bedient, der ihm verspricht,
40:19mit Maßnahmen Millionen Menschenleben zu retten,
40:22oder das 1,5 Grad Klimaziel, der hat immer recht.
40:26Die Maschine diskutiert nicht.
40:28Warum also sollte man über Maßnahmen diskutieren,
40:31die vier statt drei versprechen?
40:34Jacques Ellul hat beschrieben, wie seit dem 19. Jahrhundert
40:37immer zuerst die Wissenschaftler von der technischen Organisation unterworfen wurden.
40:41Denn nicht Wissenschaft führt zu technischen Fortschritten,
40:44Ellul meint, das ist schon lange nicht mehr so.
40:47Man denke an die notwendigen Labore und Apparate, die Algorithmen und Programme,
40:52an die technisierten Organisationsabläufe, den künstlichen Zeitdruck,
40:56die Sterilität im sozialen Umgang.
40:59Wissenschaft ist mittlerweile so abhängig von der Technik,
41:02dass tatsächlich die Technik die Wissenschaft beherrscht.
41:05Spontaner Einfallsreichtum, individuelle kritische Perspektiven und die Lust am Streit,
41:11die allesamt notwendig sind für wissenschaftliches Denken, hat dort keinen Raum.
41:16Es ist also umgekehrt, in der technisierten Gesellschaft,
41:20wo der Mangel an Spontaneität und Kreativität herrscht,
41:23da hat die Technik die besten Voraussetzungen.
41:26Sie entwickelt sich so schnell, dass ausgerechnet die Wissenschaftler
41:30gar nicht mehr hinterherkommen.
41:32Man erfährt das in den Geisteswissenschaften, die sich digitalisieren,
41:36ohne mit den Instrumenten ihrer erfolgreichen Tradition sagen zu können,
41:40wozu ihnen diese Digitalisierung nützt.
41:43Aber das Phänomen betrifft auch die exakten Wissenschaften.
41:47Bernd Simeon, Professor an der TU Kaiserslautern,
41:50hat das für die angewandte Mathematik eingestanden.
41:54Schon lange vor Big Data und KI waren die Mathematiker nicht mehr in der Lage,
41:58die Ergebnisse ihrer Modellierungen nachzuvollziehen.
42:02Im Ergebnis geschieht, was Illyl schon sah.
42:05Die Technik schafft die Wissenschaft ab.
42:08Was großspurig propagandistisch Wissenschaft genannt wird,
42:11das ist tatsächlich bloß Technik.
42:14So kam es, dass im Corona-Lockdown weiß bekittelte Experten
42:18in einfachster Sprache vor dem Hintergrund martialischer Bilder
42:22und mit zahlenden technischen Blendwerk die Katastrophe vermittelten,
42:26während auf die wissenschaftlich unabhängigen Fachleute
42:29der zuständigen Disziplinen nicht gehört wurde.
42:33Die Corona-Jahre waren ein Meilenstein der forcierten Technisierung von Mensch und Gesellschaft.
42:38Verstärkt wurde in dieser Zeit die sowieso anhaltende Krise der symbolischen Macht.
42:43Mit diesem Terminus der symbolischen Macht meinte der französische Soziologe Pierre Bourdieu,
42:49die ewig unausgesprochenen, impliziten Anweisungen,
42:53denen die Menschen im sozialen Verkehr wie durch Magie folgen.
42:57Die kleinen, anscheinend unbedeutenden Gesten, Blicke und Sanktionen,
43:02die an der Oberfläche des Bewusstseins unbedenklich sind,
43:05aber als suggestiv einschüchternde Signale hochwirksam.
43:10Wir lernen sie unbewusst durch Nachahmung, denn symbolische Macht wirkt still und leise.
43:16Ihre zwingenden Befehle sind unsichtbar.
43:19All das gilt auch für den technischen bzw. digitalen Foresight-Imperativ.
43:24In der digitalisierten Gesellschaft lernen wir nicht mehr im sozialen Umgang voneinander,
43:29sondern wir haben die symbolische Macht an die Foresight-Technologie abgegeben.
43:35Der Foresight-Imperativ regiert auf dieselbe magische Weise wie die symbolische Macht.
43:41Das heißt bei Bourdieu weder als Manifestation einer persönlichen Willensfreiheit
43:46noch als passive Unterordnung unter einen äußeren Zwang.
43:50Bourdieu sagt, Zitat,
43:53»Jede symbolische Macht verlangt von denen, die sie dulden, eine Art Komplizenschaft«, Zitat Ende.
44:00Symbolische Macht unterscheidet daher nicht zwischen Können, Wollen und Müssen.
44:05Sie entsteht noch vor jeder ethischen Reflexion.
44:08Sie zu kritisieren und ihre Verhältnisse zu ändern, ist schwierig genug.
44:12Aber nun kommen noch die Foresight-Ingenieure dazu, die dieses konspirative Prinzip ausbeuten,
44:18indem sie autoritär verfügen, dass sie Millionen Totewerten gerettet haben müssen,
44:23ohne vorher mit Sachverstand zu prüfen, ob sie das können,
44:26weil sie nämlich noch etwas ganz anderes dabei wollen.
44:30Die Vermischung von Wollen, Können und Müssen im Bereich der Digitalisierung erklärt Eric Sardin.
44:37Hier kommt sie vom sozialen Typus des visionären Unternehmergenies aus dem Silicon Valley,
44:42der in den 1990er Jahren entstand.
44:45Dieses digitale Genie verbreite den silikonischen Atem des Schicksals, sagt Sardin.
44:51Das heißt, es verbreitet einerseits Mutmaßungen und abenteuerliche Projektionen über neue technische Anwendungen,
44:59von denen sich niemand sicher ist, ob sie überhaupt umgesetzt werden können.
45:04Zugleich verkündet es mit schicksalhafter Gebärde, dass die Innovation unausweichlich ist
45:10und garantiert von der größten Nützlichkeit für die Menschheit.
45:14Jeder, der nicht mitmacht bei dieser schwindelerregenden Gratwanderung zwischen Allmacht und Ohnmacht,
45:20bekommt von den Digitalisierern mitgeteilt, auf der falschen Seite der Geschichte zu stehen.
45:26Genau besehen ist die menschliche Schwäche zwischen Allmacht und Ohnmacht
45:30natürlich etwas völlig Alltägliches und Unspektakuläres.
45:34Im Angesicht der offenen Zukunft sind wir oft unsicher, ob wir Entscheidungen, die wir einmal getroffen haben,
45:40nicht im Nachhinein werden bereuen müssen.
45:43Mit dieser Unsicherheit leben Menschen seither.
45:46Aber jetzt überlassen wir sie der Foresight-Industrie.
45:49Sie verkauft uns nicht nur digitale und pharmazeutische Anwendungen,
45:53die beinharte Entscheidungssicherheit versprechen.
45:56Sie verkauft uns auch ihre Worst-Case-Modelle,
45:59das heißt die Unsicherheit, die es für den Absatz der Sicherheitsversprechen braucht.
46:05Die menschliche Unsicherheit wird abgeschafft, indem sie ausgebeutet wird,
46:09so wie es mittlerweile mit allen menschlichen Gefühlen geschieht.
46:15Jacques Ellul und Eric Sardin haben gesehen, dass das kein Problem des Kapitalismus,
46:20der Eigentumsverhältnisse und wirtschaftlichen Interessen ist,
46:23sondern der technisierten bzw. digitalisierten Gesellschaft.
46:28Gefühle, Unsicherheit, Angst vor dem Risiko der falschen Entscheidung –
46:33all das stört den Ablauf der technischen Organisation.
46:37Doch eliminieren kann man die untechnischen Gefühle nicht.
46:40Deshalb werden sie technisiert.
46:42Die Foresight-Technologen transformieren die Unsicherheit und Ohnmacht in berechnete Allmachtsgefühle.
46:49Wer heute den digitalen Anwendungen vertraut,
46:52ist nicht mehr seiner Spontaneität, Intuition und Intelligenz ausgeliefert.
46:57Nicht mal mehr der Wirklichkeit, weil die nämlich am Bildschirm aufhört, widerständig zu sein.
47:03Jeder, der in der Lage ist, ein Smartphone in der Hand zu halten,
47:06lebt heute in der Illusion unbegrenzter Macht, nicht mehr nur das digitale Start-up-Genie.
47:12Die Bildschirme geben ihm das trügerische Gefühl, unfehlbar über jeder Realität zu stehen.
47:18Noch bevor irgendein Problem verstanden worden ist, ist es schon gelöst.
47:23Für die angeblich aufgeklärte und demokratische Gesellschaft ist das folgenreich.
47:28Politik und Wissenschaft werden sehenden Auges abgeschafft.
47:32Kaum jemand entscheidet noch in dem Sinne, dass er unter Anstrengung versucht,
47:37die notwendigen Bedingungen seines Handelns zu erkennen
47:40und von den eigenen Fähigkeiten sowie der eigenen Willensfreiheit zu unterscheiden.
47:45Es herrscht das Prinzip, das Eric Sardin Sui-Visme genannt hat
47:49und das man schnöde als Mitläufertum übersetzen muss.
47:53Der stille digitale Imperativ erreicht auf magische Weise die größte Konformität
47:59und universell automatisierte Anpassung.
48:02Das Wichtigste ist, dass man vorausschauend mit dem Apparat und den Daten mitfließt.
48:07Der Fluss der Daten bestimmt den Fluss unseres Lebens,
48:10die PCR-Inzidenzen, der R-Wert, die Herzfrequenz, der CO2-Wert, die AfD-Werte.
48:17Tatsächlich ist der allerschrecklichste Worst Case nicht der vorzeitige Grippetod der Eltern
48:23oder der Schulabbruch der Tochter, die unter der staatlichen Corona-Repression an Bulimie erkrankt ist.
48:29Der Worst Case ist es, diesen weisen technischen Daten zu widersprechen
48:35und dadurch irgendwo im gesellschaftlich digitalisierten Raum Anstoß zu erregen.
48:41Für Berufspolitiker ist das wichtigste Versprechen dieser gesellschaftlichen Technisierung
48:46das Versprechen ewiger Unangreifbarkeit.
48:49Ob sie wohl mit der Autonomie der Technik rechnen?
48:52Ihr Corona-Mitläufertum war exemplarisch.
48:55Von ihren Experten haben sie sich in einen Vorausschau-Reflex treiben lassen,
49:00der ihnen Allmachtsgefühle vermittelte,
49:02sie aber tatsächlich in eine entwürdigende, asymmetrische Machtbeziehung versetzt hat.
49:07Sie haben sich nicht nur schlechten Beratern ausgeliefert,
49:10sondern einer unkontrollierbaren Technik.
49:13Nicht sie haben den Lockdown beherrscht, der Lockdown hat sie beherrscht.
49:17Auf Verbote folgten noch mehr Verbote
49:20und schon bald die offene, immer aggressivere Gewalt gegen die, die trotzdem protestierten.
49:26Solche Überreaktionen beschreibt Bourdieu als Leidenschaft der Macht.
49:31Zum Vergleich nahm er die Figur des Professor Unrath aus dem Roman Heinrich Manns.
49:36Unrath ist in die Liebesfalle geraten und hat sich selbst zerstört.
49:40Heute ist es die Vorzeitfalle, die eine Krise der Institutionen und der Gesellschaft ausgelöst hat.
49:46Aus den trunkenen Allmachtsfantasien der optimal gesteuerten Gesellschaft ist das Gegenteil geworden.
49:52Denn eine Gesellschaft, die sich aus stiller Gewöhnung vormachen lässt,
49:57nur noch sagen und tun zu dürfen, was eine vorausschauende technische Weisheit wie der R-Wert
50:03oder das 1,5 Grad Klimaziel sagen, wird asozial und unregierbar.
50:09Heute glauben gewählte Regierungspolitiker,
50:12dass sie die Autorität und symbolische Macht, die sie Kraft ihres Amtes haben,
50:17gegen die Opposition mit der nackten Gewalt von Wasserwerfern und Hausdurchsuchungen,
50:22Zensurgesetzen und Spitzeln, parteiverboten und inszenierten Demonstrationen durchsetzen müssen.
50:29Sie haben offenbar, wie Professor Unrath, den Respekt vor ihrem Amt längst verloren.
50:35Wer dem noch etwas untechnisch-politisches entgegensetzen will, der achte auf seine Muttersprache.
50:42Der Unterschiede beim Sprechen pfleglich zwischen dem unabänderlichen Gestern und dem offenen Morgen,
50:48zwischen Fantasie und Wirklichkeit, Möglichkeit und Notwendigkeit.
50:53Der lege die digitalen und futurologischen Beratungsassistenten einmal aus der Hand
50:58und bedenke, was er ohne sie kann, will und muss.