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Rosa Luxemburg (* 5. März 1871 als Rozalia Luxenburg in Zamość, Kongresspolen, Russisches Kaiserreich; † 15. Januar 1919 in Berlin) war eine einflussreiche Vertreterin der europäischen Arbeiterbewegung, des Marxismus, Antimilitarismus und proletarischen Internationalismus. Sie war eine Politikerin (SDKP, SPD, USPD und KPD) sowie Nationalökonomin und Publizistin.

Zuerst wirkte sie ab 1887 in der polnischen, ab 1898 in der deutschen Sozialdemokratie. Dort bekämpfte sie von Beginn an Nationalismus, Opportunismus und Revisionismus. Sie trat für Massenstreiks als Mittel sozialpolitischer Veränderungen und zur Kriegsverhinderung ein. Sofort nach Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 gründete sie die „Gruppe Internationale“, aus der der Spartakusbund hervorging. Diesen leitete sie als politische Gefangene zusammen mit Karl Liebknecht durch politische Schriften, in denen sie die Burgfriedenspolitik der SPD analysierte und verurteilte. Sie bejahte die Oktoberrevolution, kritisierte aber zugleich den demokratischen Zentralismus Lenins und der Bolschewiki. In der Novemberrevolution versuchte sie, als Chefredakteurin der Zeitung Die Rote Fahne in Berlin auf das Zeitgeschehen Einfluss zu nehmen. Als Autorin des Spartakusbund-Programms forderte sie am 14. Dezember 1918 eine Räterepublik und die Entmachtung des Militärs. Anfang 1919 gründete sie die Kommunistische Partei Deutschlands mit, die ihr Programm annahm, aber die von ihr geforderte Teilnahme an den bevorstehenden Parlamentswahlen ablehnte. Nachdem der folgende Spartakusaufstand niedergeschlagen worden war, wurden sie und Karl Liebknecht von Angehörigen der Garde-Ka

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Transkript
00:00Mein Ideal ist, eine solche Gesellschaftsordnung, in der es mir vergönnt sein wird, alle zu leben.
00:10Im Streben danach und im Namen dieses Ideals werde ich vielleicht einmal imstande sein zu hassen.
00:17Warschau im Sommer 1887.
00:23Rosa Luxemburg schreibt diese Worte auf die Rückseite ihres Fotos für eine Freundin.
00:28Sie ist 16 Jahre alt und alles scheint möglich. Liebe und Hass und eine bessere Welt.
00:44Ihr Leben als Ganzes hat mich sehr interessiert, weil es so viel Synchronität gibt zwischen den Ereignissen ihres Lebens und den Botschaften ihrer Werke.
00:53Da gibt es unzählige persönliche Momente und es gibt drei sehr unterschiedliche Aspekte ihres Charakters.
01:00Sie ist politisch absolut kompromisslos, hat aber einen wunderbaren Sinn für Humor und eine unglaubliche Sensibilität.
01:08Die britische Künstlerin Kate Evans erzählt das kurze, intensive Leben der Rosa Luxemburg auf ihre Weise.
01:30Sie erzählt von Hoffnungen, von Kämpfen und Verzweiflung, von Liebe, Freundschaft und Verrat.
01:36Sie steht mit ihren Ideen für eine neue Gesellschaft, eine wirklich progressive, eine menschliche, eine demokratische Gesellschaft, eine demokratische Alternative zum Kapitalismus.
01:51Das ist ja durchaus bei ihr angelegt, das hat sie immer gelebt, das hat sie angetrieben.
01:57Und deswegen finde ich, wenn man über eine bessere Welt nachdenkt, dann sollte man Rosa Luxemburg lesen.
02:03Und sie glaubte, dass das Ziel auch in ihrer Lebenszeit zu erreichen ist, gesellschaftliche Verhältnisse herzustellen,
02:15in denen Nationalitätenunterschiede kein großes Gewicht mehr für gesellschaftliche Entscheidungen spielen.
02:21Ich fand das ja auch so sehr deutsch, dass sie sozusagen dreimal umgebracht worden ist.
02:34Also man hat ihr ja schon einen Schlag auf den Kopf gegeben, als sie rauskam aus dem Hotel.
02:40Dann ist sie zum Auto gebracht worden, da hat man sie erschossen.
02:45Und dann hat man sie zum Kanal gebracht und reingeworfen.
02:54Sie hatten solche Angst vor ihr und vor ihren Ideen natürlich, für ihrem Wesen, für ihre Persönlichkeit,
03:02dass sie sie dreimal töten mussten, um ganz sicher zu sein.
03:05Ein Jahrhundert ist seitdem vergangen.
03:15Die Spuren der Erinnerung an Rosa Luxemburg finden sich noch heute im Berliner Osten.
03:24Sind ihre Ideen aber von einem freien, demokratischen Sozialismus für immer nur ein Traum?
03:30In der DDR gehörte die Erinnerung an Rosa Luxemburg zur Staatsräson.
03:35An jedem zweiten Sonntag im Januar wurde in Ostberlin die Frankfurter Allee für die Demonstrationen zu Ehren von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gesperrt.
03:44Die Karl Liebknecht und Rosa Luxemburgs für die Wendigung des westdeutschen Militarismus stärkt und festigt die deutsche Militarismus.
03:57Die Staatsführung der DDR propagierte nur das, was ihr passte.
04:06Rosas Ablehnung jeglicher Kriege und ihre grundlegende Kritik am Kapitalismus.
04:12Ihre Forderung nach Meinungs-, Presse- und Organisationsfreiheit aber wurde ignoriert.
04:17Wenn Sie so wollen, war das Verhältnis der SED zu Rosa Luxemburg, aber nicht nur der SED, überhaupt der kommunistischen Bewegung,
04:32einerseits ein positives, weil sie eine Heldin war, weil sie ja auch völlig richtige Forderungen gestellt hatte, dafür umgebracht worden ist,
04:40und andererseits ein negatives, weil sie eben auch kritisch mit der Bewegung umging, was man dort nicht so sehr anstrebt.
04:49Dass politische Freiheit für Rosa Luxemburg der Grundpfeiler ihrer Ideen war, ignorierte die Staatsführung der DDR.
04:56Sie hofften, dem Volk genügt das einseitige Bild von der Revolutionärin. Aber sie irrten sich.
05:02Gerade auch ihre prophetischen Analysen, wo sie die sowjetische Revolution, also die Oktoberrevolution und das, was daraus entstanden ist,
05:14sehr weitsichtig als potenziell eben nicht demokratisch analysiert hat, wo sie bei aller Solidarität eben auch ihre Kritik formuliert hat.
05:23Das war natürlich in der DDR nicht gut angesehen. Und der klassische Spruch von ihr, Freiheit ist immer auch die Freiheit des Andersdenkenden,
05:35das ist natürlich nicht unbedingt die Grundhaltung gewesen.
05:41Am 17. Januar 1988, am Rande der offiziellen Demonstration zu Ehren von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg,
05:49wird eine Gruppe von DDR-Bürgerrechtlern festgenommen.
05:54Ihre Plakate mit dem Luxemburg-Zitat über Freiheit der Andersdenkenden entlösten die Rituale der staatlich organisierten Demonstrationen.
06:03Mit eigenen Plakaten und Fahnen schirmt die Stasi das Geschehen vor den Kameras der Westkorrespondenten ab.
06:10Die aber tragen das Ereignis dennoch in die Welt hinaus.
06:1369 Jahre nach dem Tod von Rosa Luxemburg erlangte dieser Satz Berühmtheit und wird zum Vorboten für das Ende der Deutschen Demokratischen Republik.
06:2820 Jahre zuvor hatte sich die linke Studentenbewegung im Westen mit der revolutionären Rosa Luxemburg geschmückt.
06:34Also sie ist als Fahne mitgeführt worden, musste einfach die Apo-Demonstrationen angucken.
06:49Da ist neben Ho Chi Minh und Mao Zedong auch fast immer Rosa Luxemburg dabei.
06:54Aber eine wirkliche Luxemburg-Rezeption hat es im Westen nicht gegeben.
07:01Am Karfreitagnachmittag versammelten sich um 15 Uhr am Leniner Platz auf dem Kurfürstendamm vorwiegend jugendliche Demonstranten.
07:11Der Sozialistische Studentenbund und andere linke Gruppierungen protestierten 1968 gegen den Vietnamkrieg und die nationalsozialistische Gesinnung ihrer Eltern und Großeltern.
07:23Tausende gingen auf die Straße.
07:24Die roten Fahnen und die Porträts der Revolutionäre trugen sie wie Schutzschilde vor sich her.
07:31Gerade Rosa Luxemburg entzündete die Fantasie der Jugend.
07:35Die Neinsagerin, die selbstbestimmt liebende Frau, die Jüdin, die von den Feiglingen in deutscher Uniform hinterhältig ermordet worden war.
07:44Sie wurde zum Idol.
07:45Die erste Begegnung war eigentlich bei den Demonstrationen von den 68ern und da wurde sie auch als Porträt durch die Straße getragen mit Ho Chi Minh, mit Marx und Lenin und so.
07:59Und sie war die einzige Frau und sie sah eigentlich sehr traurig aus.
08:03Also sie sah überhaupt nicht so aus, wie ich mir eine Revolutionärin vorgestellt habe.
08:08Und das war so der erste Moment, was mich gereizt hat.
08:11Das war diese Widersprüche, reizt mich ja immer.
08:14Es wird behauptet, der gegenseitige Kampf liege in der Natur des Menschen.
08:19Wer nicht rüste, laufe Gefahr, die Beute des Nachbarn zu werden.
08:23Wir sind anderer Meinung.
08:25Die Völker können und sollen in Frieden zusammenleben.
08:29Geboren wurde Rosa Luxemburg als Rosalia Luxemburg am 5. März 1871 in der kleinen Stadt Samocz im Südosten Polens.
08:46Als sie drei Jahre alt war, zog die Familie nach Warschau.
08:50Der jüdische Friedhof in Warschau zeigt noch die Spuren ihrer Ahnen.
08:54Rosalias Eltern entstammten alten jüdischen Familien, führten jedoch kein streng orthodoxes Leben.
09:03Sie sprachen polnisch, deutsch und russisch mit ihren Kindern.
09:07Jiddisch war als Jargon verpönt.
09:12Warschau gehörte damals zum verhassten russischen Zarenreich.
09:17Juden wurden diskriminiert und gedemütigt, wo es nur ging.
09:20Sie waren Sondergesetzgebungen unterworfen und von Bildungsmöglichkeiten weitgehend ausgeschlossen.
09:30Rosa Luxemburg gehörte zu den Menschen jüdischer Herkunft, die sehr früh mit ihrer Religion brachen.
09:39Das taten nicht nur Juden, das taten auch viele Christen in den linken Bewegungen damals.
09:44Was Rosa Luxemburg aber immer wieder daran erinnerte, dass sie jüdischer Herkunft war, war der Antisemitismus.
09:52Sie hat als Kind in Warschau, zumindest aus der Ferne, genau das wissen wir nicht,
10:00Pogrome in Warschau erlebt, in den 70er Jahren.
10:03Sie hat, als sie das Abitur machte, als beste Schülerin abgeschlossen und da hätte ihr eine Leistungsmedaille zugestanden.
10:12Weil sie aber jüdischer Herkunft war, wurde ihr die verweigert.
10:18Elias Luxemburg, der Vater von Rosa, ernährte als Holzhändler die Familie.
10:23Die Mutter Liene Luxemburg aber war es, die ihren fünf Kindern mit Literatur, Sprachen und Geschichten den Zugang zur Bildung und auch die Neugier auf die Welt eröffnete.
10:35Zu Hause schlich ich mich in den frühen Morgenstunden ans Fenster, öffnete es leise und spähte hinaus in den großen Hof.
10:49Da war freilich nicht viel zu sehen.
10:51Damals glaubte ich fest, dass das Leben, das richtige Leben, irgendwo weit ist, dort über die Dächer hinweg.
10:58Seitdem reise ich ihm nach, aber es versteckt sich immer hinter irgendwelchen Dächern.
11:05Rosas ältere Schwester hatte ein Hüftleiden.
11:11Heute gehen Luxemburg-Forscher davon aus, dass die fünfjährige Rosa, auf Anraten des Arztes, prophylaktisch in ein Gipsbett gelegt wurde.
11:20Nach einem Jahr kam Rosas Gips ab.
11:24Der Schrecken war groß.
11:25Der harte Korpus hatte das Wachstum des linken Beins behindert.
11:30Es blieb kürzer als das rechte.
11:32Ein Leben lang.
11:35Rosa wollte kein Mitleid und übte das Gehen ohne zu hinken.
11:43Ihre Klugheit und Intelligenz, ihre Zielstrebigkeit und Neugier auf die Welt eröffneten ihr neue Horizonte in einer Epoche großer gesellschaftlicher Umbrüche.
11:54Für die Gesellschaft ihrer Zeit hatte Rosa Luxemburg keine oder bestenfalls eine negative Bedeutung.
12:02Sie war eine Linke.
12:05Sie war eine Frau.
12:06Sie war eine Jüdin.
12:07Sie war eine Polin.
12:10Sie war körperbehindert.
12:12Und das ist so ziemlich das Allerschlimmste, was man in dieser Mischung dann auch noch in Deutschland, in Preußen-Deutschland sein konnte.
12:20Sie war eine Intellektuelle.
12:21Der Weg nach Deutschland führt Rosa Luxemburg zunächst über Zürich.
12:28Als sie im Winter 1889 Warschau verlässt, ist sie 17 Jahre alt.
12:34Es wird eine lange Reise in die neue Welt.
12:37Zürich ist über 1000 Kilometer weit entfernt von Warschau und hat auf den ersten Blick wenig gemein mit ihrer fernen Heimat.
12:44Neun Jahre wird Rosa Luxemburg in Zürich bleiben.
12:59Mitten in Zürich findet sie ein erstes Zimmer zur Untermiete.
13:03Hier wird sie sich auf ihr Studium vorbereiten.
13:06Naturwissenschaften will sie studieren.
13:08Rosa Luxemburg ist wahrscheinlich wie ganz viele Frauen zu dieser Zeit nach Zürich gekommen, weil hier überhaupt nur ein Frauenstudium möglich war.
13:19Ein vollständiges Frauenstudium an anderen Orten, Berlin zum Beispiel, da konnte man sich als Frau nur als Hörerin einschreiben.
13:27Und nur hier in Zürich konnte man eben eine vollständige Promotion machen.
13:32Und die Promotion war Rosas Ziel.
13:35Acht Monate nach ihrer Ankunft, im Oktober 1889, immatrikuliert sich die Polin Rosalia Luxemburg als Rosa Luxemburg an der Universität für das Studium der Zoologie.
13:50Das liberale Zürich ist damals ein Zentrum für verfolgte Sozialisten aus ganz Europa, vor allem aus dem russischen Zarenreich.
13:58Und die bringen neue Gedanken und Modernität ins Land.
14:04Kurze Haare werden zum Symbol der Gleichberechtigung und neuen Freiheit für die Frauen.
14:08Ja, das war eben dieses Umfeld, was hier war, dieses sozialistische Umfeld.
14:16Hier waren ja eben einerseits ganz viele Männer, auch solche, die eben dann berühmt wurden, aber auch Frauen.
14:23Hier hat keiner gefragt, bist du Mann, bist du Frau, bist du Jüdin, bist du sonst was.
14:27Das war ganz entscheidend. Sie konnte einfach sich selber sein, sie konnte sehr eigenständig sein.
14:33Und das hat es ausgemacht. Das hat jetzt aber weniger mit Zürich, sagen wir, als Stadt zu tun.
14:39Weil eben die Zürcher selber hier, die Frauen, die Frauenemanzipation, die war hier nicht.
14:44Auch die Arbeiterbewegung, das kam eigentlich genau von all diesen Emigranten, die von außen kamen.
14:50Die haben das hier an, den Motor gemacht und alles angetrieben.
14:55Und deswegen war das für Rosa Luxemburg optimal hier.
15:02Rosa beschäftigt sich intensiv mit den Naturwissenschaften.
15:06Sie wohnt im Studentenviertel.
15:09Unter den anderen Studenten aus dem russischen Imperium ist sie eine Exotin.
15:13Denn sie ist allein wegen des Studiums nach Zürich gekommen.
15:17Die anderen sind politische Emigranten und mit Gleichgesinnten in Zirkeln organisiert.
15:23Rosa verbringt viel Zeit mit russischen und polnischen Studenten und lernt viel über politische Verhältnisse.
15:33Rosa Luxemburg ist keine Emigrantin gewesen, als sie Polen verließ.
15:38Sie ist nicht aus politischen Gründen wie in die Schweiz.
15:41Und sie hat dort einen Revolutionär aus Litauen kennengelernt, der tatsächlich als Immigrant in der Schweiz lebte.
15:52Er hatte fliehen müssen, weil er unterdessen so viel politisch gearbeitet hatte, dass er auffällig geworden war.
15:59Und dieser junge Mann stammte, was nicht selten bei russischen Revolutionären war, aus einer der reichsten Familien Litauens.
16:09Und er hat sein Leben lang nie wirklich arbeiten müssen und hat sich sozusagen immer über die Schecks seiner Familie finanzieren können.
16:19Er hat auch Rosa mitfinanziert.
16:20Im Frühjahr 1890 begegnet Rosa Luxemburg Leo Jogiches und ist schon bald in seinem Bann.
16:29Sein Ruf als mutiger Revolutionär eilt ihm voraus.
16:33Er strahlt Kraft, Autorität und Selbstbewusstsein aus.
16:38Und Leo bewundert Rosa, ihre Leidenschaft, die scharfe Intelligenz, ihre mitreißende Art zu reden.
16:44Die beiden werden ein Paar.
16:51Leo studiert in Zürich, was er in Vilna begonnen hatte.
16:55Zoologie und Botanik.
16:57In Rosa erkennt Leo das große Talent zur klaren politischen Analyse.
17:01Er ermuntert sie, das Studium zu wechseln.
17:04Sie studiert Volkswirtschaft, Philosophie und Statistik.
17:08Sie leben nicht in einer gemeinsamen Wohnung, aber sie reisen zusammen.
17:12Nach Italien, nach Frankreich und in die schöne Umgebung von Zürich.
17:17Jedes Mal flattert mir das Herz auf wie ein Falter.
17:21Das jenseitige Ufer, die weiße schroffe Bergwand, ist unten meist in blauen Duft verhüllt,
17:27sodass nur die oberen Schneepartien so unwirklich im Himmel schweben.
17:34Rosa Luxemburg ist in den ersten Jahren, ohne Leo Jogiches überhaupt nicht zu denken,
17:41sie war anfangs wirklich sein Geschöpf, weil er sprach nur Russisch.
17:47Er war auch keine Feder, er konnte nicht wirklich schreiben, er kriegte nichts selber hin.
17:54War aber ein guter Redakteur.
17:56Und er hat ihre politischen Vorstellungen anfangs geprägt und dann wurde daraus sehr, sehr schnell ein Dialog.
18:07Und die beiden waren, auch als sie dann schon nicht mehr miteinander lebten, bis zum Schluss ein Tandem.
18:15Und wenn man Rosa Luxemburg sagt, muss man immer Leo Jogiches mitdenken.
18:19Ich hab viel gearbeitet.
18:23Leider nicht immer mit dem nötigen Erfolg.
18:26Der deutsche Marxismus ist ein alter Gichtonkel geworden, der sich vor jedem frischen Luftzug fürchtet.
18:32Heißt das doch, als deine Lächer dich in Idealismus begraben?
18:35Ach, bist du da. Heißt das ganz und gar nicht.
18:38Bin nur nicht mein kartugensame Esel, der sich für andere abrackert.
18:42Zumindest scheinst du gelernt zu haben, das Temperament allein nicht ausreicht.
18:45Ja, doch, du Affe.
18:49Den Leo Jogiches hat sie ja nun wirklich sehr geliebt.
18:53Und ich denke mal, der war zwar ein bisschen verkopft, würde man heute sagen.
18:57Der hat sich mehr so wirklich für die Revolution stark gemacht und wollte immer nur das eine.
19:04Und sie wollte eben beides.
19:05Sie war eine Frau und sie wollte auch beides, was man als Frau und als intelligente Frau vom Leben erwarten kann.
19:12Nämlich einerseits seinen Kopf benutzen und andererseits aber auch seine Gefühle.
19:18Und da ist sie bei ihm nicht immer ganz so aufgenommen worden, wie sie es sich gewünscht hätte.
19:26Jogiches hatte, was er wollte.
19:28Eine ihn innig liebende Frau und eine hochbegabte Schülerin im Fach Weltveränderung.
19:34Leo und Rosa gründen gemeinsam die Sozialdemokratische Partei des Königreichs Polen.
19:39Sie kämpft gegen nationalistische Tendenzen und für eine enge Zusammenarbeit mit der europäischen Sozialdemokratie.
19:48Rosa kämpft für ihr persönliches Glück und für die Verbesserung der Welt.
19:54Leo wirft ihr Genusssucht vor und fehlende Beharrlichkeit.
19:58Rosa will nach Deutschland gehen, um von dort aus die Arbeiter im deutsch besetzten Teil Polens für ihre Partei zu gewinnen.
20:11Und vielleicht auch Abstand zu Leo.
20:14Erst aber verteidigt sie in Zürich ihre Doktorarbeit.
20:22Die industrielle Entwicklung Polens.
20:24Magna cum laude, 1897.
20:28Rosa Luxemburg ist 26 Jahre alt.
20:31Ein Jahr später heiratet sie in Basel den deutschen Schlosser Gustav Lübeck.
20:37Er war der Sohn einer ihrer Zimmervermieterinnen.
20:40Eine Scheinehe.
20:42Durch die Heirat bekommt Rosa Luxemburg die preußische Staatsbürgerschaft und damit die Möglichkeit, in Deutschland zu leben und zu arbeiten.
20:50Da, wo die Sozialdemokratie am stärksten war.
20:53Am 12. Mai 1898 kommt Rosa Luxemburg als Frau Dr. Rosalia Lübeck nach Berlin und schreibt fünf Tage später ihrem Leo
21:03Es stimmt. Ich habe verdammte Lust, glücklich zu sein und bin bereit, tagtäglich mit dem Starrsinn eines Tauben, um mein Portionchen Glück zu falschen.
21:14Sie tritt in die deutsche SPD ein, schreibt für deutsche und polnische Zeitungen über die Ausbeutung der Arbeiterklasse und macht Wahlkampf.
21:21Rosas Leidenschaft schlägt die Massen in ihren Bann.
21:25Die Luxemburg wollte, dass die Leute zum eigenen Handeln kommen und zu ihren eigenen Entscheidungen.
21:32Für sie war Sozialismus nur als Entscheidung einer Mehrheit denkbar und damit dann auch unumtäuscht.
21:51Joachimburg, die ZD-1.
21:52Sollte aus dem Betrachtung bleiben, haben sie zur Gunstaufgabe auf den Gämmungs TT-Bann.
21:54Sollte aus dem Betrachtung bleiben, machen wir das erste Mal.
21:57Sollte aus dem Betrachtung bleiben, sind wir die Fahrer an der Gämmungsstelle.
22:00Sollte aus dem Betrachtung bleiben, bin ich mir die Fahrer an der Gämmungsstelle an.
22:03De wo die der Gämmungsstelle an.
22:04Massen Sie die jetzt nicht alle, weil die Schmerz an der Gämmungsstelle aner Gämmungsstelle ist.
22:06Aber wir haben sie nicht alle, die Leute zum Beispiel, die Spukechen-Gämmungsstelle an.
22:09Frauen von guter Gämmungsstelle sind brechen.
22:10Untertitelung des ZDF für funk, 2017
22:40Leo bleibt wichtig, aber ihre Liebe hat er verloren. Drei andere Männer treten in ihr Leben.
22:50Kostja, Konstantin Zetkin, der Sohn von Rosas Parteifreundin Clara Zetkin, ist 14 Jahre jünger als Rosa.
22:58Sie liest ihm ihre Artikel vor und Kostjas Bewunderung steht im krassen Gegensatz zu Jogiches ewiger Unzufriedenheit.
23:05Sie zeichnet viel und sehr gekonnt.
23:08Beide lieben die Natur. Sie beobachten den untergehenden Mond und die aufgehende Sonne,
23:15lesen Goethe und Tolstoi und entdecken die Musik Ludwig van Beethovens für sich.
23:23Paul Levy, ein Frankfurter Rechtsanwalt. Er übernahm 1913 in einem Prozess Rosas Mandat.
23:30Ihr wurde vorgeworfen, die deutschen Arbeiter aufgerufen zu haben, nicht gegen andere Völker die Waffen zu erheben.
23:36Die leidenschaftliche Affäre zwischen Rosa und Paul Levy ist nur von kurzer Dauer. Ihre Freundschaft hält ein Leben lang.
23:46Hans, Hans Diefenbach übertraf alle Menschen, die ich kenne, an Noblesse, Reinheit und Güte, schreibt Rosa über ihn.
24:00Nach dem Krieg wollte sie mit dem Arzt Hans Diefenbach zusammenleben.
24:03Doch er kam 1917 an der Westfront ums Leben.
24:06Rosa Luxemburgs Ablehnung des Terrors ist der zentrale Punkt, wenn man ihr ganzes politisches Herangehen verstehen will.
24:24Und Rosa Luxemburg war sich darüber im Klaren, dass Sozialismus und Gewalt miteinander nicht vereinbar sind.
24:33Das war der wirklich tiefe, tiefe Dissens, den sie mit den russischen Bolschewiki hatte, die der Meinung waren, dass mit Gewalt ein Weg zum Sozialismus freigeschlagen werden könne.
24:47Und das war für Rosa Luxemburg ein Ansatz, den sie von Anfang an verworfen hat.
24:53Sie konnte die Menschen absolut begeistern und sogar um die Finger wickeln, ja.
25:08Also ich meine, sonst hätte man ihr auch nicht so zugehört.
25:10Die hat ja Reden gehalten, wie gesagt, über eine Stunde oder noch länger und die Leute waren begeistert.
25:15Also nicht nur, dass sie Temperament hatte. Ich meine, man kann nicht eine Rede halten, nur so ganz abgezirkelt, sondern sie hat sich da wirklich, glaube ich, mit ihrem ganzen Wesen auch reinbegeben.
25:26Und das hat die Leute begeistert.
25:27Sie war eigentlich eine Utopistin. Und wir wissen ja, was in dem Jahrhundert alles noch geschehen ist, ja.
25:39Und da gibt es eine Szene, da hält Bebel eine Rede, also eine wunderbare Rede, aber eigentlich auch eben so eine positive Sicht auf die Zukunft.
25:49Es wird ein Jahrhundert der Erfüllung sein, so wie das 19. Jahrhundert ein Jahrhundert der Hoffnung war.
25:57Es ist mächtig vorwärts gegangen und es wird je länger, je mächtiger vorwärts gehen.
26:06Und hinter ihm, während er das sagt, wird ein rotes Bild hochgezogen, also roten Nelken.
26:14Und auf diesem roten, großen Fleck eine unschuldige 1900 in Weiß, ja.
26:22Und für mich ist das ein riesiger Blutfleck. Also er spricht von der Hoffnung.
26:26Und wir wissen aber, dass das Jahrhundert nicht die Realisation war, sondern die Zerstörung.
26:32Rosa Luxemburg ist im Jahre 1900 29 Jahre alt.
26:37Sie glaubt, dass die Welt sich ändern kann.
26:39Sie glaubt an den Sieg der Unterdrückten über die Unterdrücker, an die Kraft der Schwachen und an den Sieg der Vernunft.
26:48Die Sozialdemokratin Clara Zetkin kämpft für die Emanzipation der Frau.
26:53Rosa Luxemburg sieht dagegen,
26:55Die Gleichberechtigung von Frau und Mann ist ein Hirngespinst, solange die Bourgeoisie herrschen wird.
27:00Bei ihr war die Tatsache, dass sie sagte, sie ist keine Politikerin, sondern Politiker, Ausdruck dafür,
27:16dass sie gleichberechtigt mit den männlichen Kollegen sein wollte.
27:19Heute würde man das wieder ganz anders verstehen, weil eben eine andere Zeit herrscht.
27:23Aber für die damalige Zeit verstehe ich ihre Herangehensweise.
27:26Politikerin, das klang schon, naja, wie Ballettsänzerin.
27:31Also die weibliche Form hat nicht denselben Wert wie die männliche Form,
27:36während heute die Frauen zu Recht darum kämpfen, dass die weibliche Form genauso verbannt wird wie die männliche Form.
27:42Rosa Luxemburg hält mitreißende Reden.
27:45Sie spricht über die Bigotterie der herrschenden Eliten,
27:48über ihre Dreistigkeit, mit Hilfe des Staates die unteren Schichten auszuplündern
27:53und ihre Absicht, sich mit Krieg zu bereichern.
27:57Ich glaube, Rosa Luxemburg hat es richtig gemacht,
28:05dass sie ihre Arbeit nicht auf Frauenarbeit beschränken wollte.
28:08So hatten es sich die sozialdemokratischen Führer, die Chefs wohl nicht vorgestellt.
28:16Sie wollten, dass sie sich nur mit feministischen Themen auseinandersetzt.
28:20Aber Rosa Luxemburg war eine Intellektuelle und genauso wichtig
28:25wie die bedeutenden männlichen Intellektuellen der Sozialdemokratie.
28:29Das sind ja auch solche Dispute überliefert,
28:34wo ihr dann von den Altvorderen der Sozialdemokratie nahegelegt wurde,
28:40sie soll sich doch mal um die Frauenfrage kümmern.
28:42Und sie hat gesagt, nein, ich kümmere mich um die Ökonomie.
28:45Ich bin Ökonomin, ich bin Politikerin, ich kümmere mich um die großen Fragen,
28:51zu denen natürlich auch Gleichberechtigung gehört.
28:53Dafür hat sie sich immer eingesetzt.
28:55Aber sie hat sich nie darauf reduzieren lassen,
28:59sich sozusagen jetzt ausschließlich um ein solches Thema zu kümmern.
29:02Sondern das war für sie Teil der allgemeinen Auseinandersetzung
29:06für eine Emanzipation des Menschen, für eine bessere Gesellschaft.
29:13Im Deutschen Kaiserreich galt der Prolet nichts.
29:17Er gehörte nicht zur Gesellschaft.
29:19Er war unsichtbar, wie heutzutage die Flüchtlinge.
29:22Der Kampf für eine gerechtere Welt ist für Rosa Luxemburg Bürgerpflicht.
29:33Ich würde sagen, Rosa Luxemburg war gegen jegliche Art von Gewalt,
29:40Unterdrückung und Diskriminierung, sei es wie Frauengewalt oder Diskriminierung
29:46und Unterdrückung, sei es auch postkoloniale Unterdrückung und Diskriminierung.
29:51Und ich glaube, dieses Engagement für die Revolution des Proletariats,
29:57das war so umfangreich, dass für sie klar war,
30:01dass wenn so eine Revolution vorkommt, dann werden ja auch alle davon profitieren.
30:06Rosa Luxemburg engagiert sich in ganz Europa.
30:28Sie hält Reden vor tausenden Zuhörern.
30:30Sie spricht nicht nur Deutsch, Russisch und Polnisch,
30:33sondern auch Französisch und Italienisch.
30:36Ihre Artikel werden von Hunderttausenden gelesen.
30:39Sie kämpft gegen die Hetze, mit denen die europäischen Völker
30:42gegeneinander aufgebracht und in den Krieg getrieben werden.
30:46Im Januar 1905 bricht in Russland die Revolution aus.
30:51Rosa Luxemburg berichtet täglich in der Zeitung über die Ereignisse.
30:55Die polnischen Arbeiter in den russisch besetzten Gebieten
30:58organisieren monatelang Streiks.
31:02Ende des Jahres 1905 reist Rosa Luxemburg nach Warschau.
31:08Am 4. März 1906, einen Tag vor ihrem 35. Geburtstag,
31:13wird sie dort verhaftet.
31:15Rosa Luxemburg spielt in der sozialdemokratischen Bewegung
31:22Deutschland sowie im internationalen Sozialismus eine große Rolle.
31:27Sie hetzt in fanatischer Weise zur Propaganda der Tat auf,
31:31das heißt zum Umsturz der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung
31:35auf revolutionären Wege unter Anwendung der schlimmsten Mittel.
31:40Sie wird gegen Kaution entlassen.
31:46Auf Umwegen gelingt ihr die Flucht, zurück nach Berlin.
31:52Von 1916 bis zur Revolution im November 1918
31:56sitzt Rosa Luxemburg mehrfach im Gefängnis.
32:01Zuerst in Berlin, dann in Wronke in der Nähe von Posen,
32:05zuletzt in Breslau.
32:10Rosa Luxemburg hat vor allem mit Arbeit
32:13sich versucht, über Wasser zu halten.
32:17Und sie war schon seit ihrer Jugend stark depressiv.
32:21Und Depressionen galten damals als Frauenkrankheit,
32:26die man nicht ernst nehmen musste, die man nicht behandelte.
32:29Und Rosa Luxemburg hat Zeit ihres Lebens,
32:31sich immer wieder selbst versucht zu therapieren
32:34und immer wieder selbst aus dem Schlamassel zu ziehen.
32:37So liege ich hier in der dunklen Zelle
32:41auf einer steinharten Matratze.
32:45Um mich im Hause herrscht die übliche Kirchhofstille.
32:49Man kommt sich vor wie im Grabe.
32:50Vom Fenster her zeichnet sich auf der Decke
32:52der Reflex der Laterne,
32:54die vor dem Gefängnis die ganze Nacht über brennt.
32:57Von Zeit zu Zeit hört man unter den Fenstern
32:59das Räuspern der Schildwache,
33:01die in ihren schweren Stiefeln ein paar Schritte macht.
33:03Der Sand knirscht so hoffnungslos unter diesen Schritten,
33:07dass die ganze Öde und Ausweglosigkeit des Daseins daraus klingt.
33:16Rosa Luxemburg saß insgesamt 48 Monate
33:19von ihren knapp 48 Lebensjahren im Gefängnis.
33:23Das waren kleinere Gefängnisstrafen
33:25im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts
33:29in Zwickau und anderswo.
33:32Und sie saß während des Krieges fast die gesamte Zeit.
33:37Es wird Krieg kommen.
33:40Und die meisten Sozialisten werden mitmarschieren.
33:42Die Regierung schürt erfolgreich die Angst
33:52vor dem russischen Zarenreich.
33:54Am 4. August 1914 erklärt die SPD-Fraktion
33:58ihre Zustimmung zu Kriegskrediten.
34:01Sie werden finanziert über Anleihen bei der Bevölkerung,
34:04die ihr Geld nie wiedersehen wird.
34:06Es war nicht nur ein Krieg gegen den Zarismus.
34:10Es war ein Krieg zwischen imperialen Mächten
34:13um die Neuaufteilung der Welt, um die Kolonien.
34:16Und das hat sie sehr klar durchschaut,
34:18dass es hier um ökonomische Interessen geht,
34:20dass es letztlich um Profit geht.
34:22Und dass dafür eben Millionen Menschenleben geopfert werden.
34:25Und für sie war völlig klar,
34:27dass eine linke, eine sozialdemokratische Partei
34:31sich für so etwas nicht einbinden lassen darf.
34:33Rosa Luxemburg ist verzweifelt und zornig.
34:38Die Kriegsbegeisterung erfasst das ganze Land.
34:41Und Rosas SPD-Genossen unterstützen den Krieg,
34:43weil sie fürchten, dass ihre mühsam aufgebaute Partei
34:46sonst ihre Anhängerschaft verlieren wird.
34:49Denn nur ein winziger Teil der Arbeiterschaft
34:51beteiligt sich nicht am patriotischen Taumel.
34:54Rosa steht fast allein da.
35:01Am liebsten würde ich nur noch mit dir leben.
35:03Mimi.
35:06Diese Einsamkeit auch auf der anderen Seite von ihr.
35:09Da sitzt sie mit der Katze und isst mit ihr zu Abend
35:13und hat sonst niemand um sich herum.
35:16Also auf der einen Seite diese unglaubliche Begabung,
35:22Menschen und Massen für sich einzunehmen und zu begeistern.
35:27Ja, und dann diesen Rückzug in die Einsamkeit oder in das Alleinsein.
35:36Und deswegen hat sie das auch, denke ich mal,
35:39im Gefängnis gut ausgehalten.
35:44Sie konnte allein sein.
35:45Im Gefängnis Fronke hatte Rosa sogar Blumen und Pflanzen.
35:54Der Gefängnisdirektor genehmigte ihr einen kleinen Garten direkt vor ihrer Zelle.
35:59Ich möchte laut über die Mauer hinausrufen.
36:02Oh, bitte, beachten Sie doch diesen herrlichen Tag.
36:06Vergessen Sie nicht, wenn Sie noch so beschäftigt sind,
36:09wenn Sie auch nur im dringenden Tagewerk durch den Hof eilen,
36:12vergessen Sie nicht, den Kopf zu heben
36:14und einen Blick auf diese riesigen silbernen Wolken zu werfen
36:17und auf den stillen blauen Ozean, in dem sie schwimmen.
36:22Beachten Sie doch die Luft,
36:23die vom leidenschaftlichen Atem der letzten Lindenblüten schwer ist
36:27und den Glanz und die Herrlichkeit, die auf diesen Tage liegen.
36:31Denn dieser Tag kommt nie, nie wieder.
36:34Da sieht man, wie viel Sympathie sie für jeden Aspekt des Lebens hatte.
36:49Wenn also jemand so leidenschaftlich versucht, die Welt zu verbessern
36:52und gleichzeitig so viel Sensibilität hat für alles,
36:55was vielleicht Freude bringt oder schön ist im Leben,
36:58dann lässt es einen fast demütig werden.
37:04Aus einem Brief aus dem Gefängnis
37:08Vor einigen Tagen kam ein Wagen mit Säcken hereingefahren.
37:14Die Last war so hoch aufgetürmt,
37:16dass die Büffel nicht über die Schwelle bei der Toreinfahrt konnten.
37:19Der begleitende Soldat, ein brutaler Kerl,
37:22fing an, auf die Tiere loszuschlagen.
37:25Die Tiere zogen schließlich an und kamen über den Berg,
37:28aber eins blutete.
37:31Ich stand davor und das Tier blickte mich an.
37:34Mir rannen die Tränen herunter.
37:37Es waren seine Tränen.
37:39Und der ganze herrliche Krieg zog an mir vorbei.
37:52Nach zwölf Monaten Haft wird Rosa Luxemburg im Februar 1916 entlassen
37:58und im Juli des gleichen Jahres ohne Gerichtsverhandlung erneut in Schutzhaft genommen.
38:04Rosas Gesundheitszustand verschlechtert sich.
38:07Sie leidet unter Magengeschwüren und Depressionen.
38:11Leo Jurgiches bleibt ihr engster Vertrauter.
38:13Rosas heimlich im Gefängnis verfasste Texte über die politische Situation im Land
38:18verbreitet er illegal unter den Arbeitern.
38:20Mathilde Jakob, bei der sie Schreibarbeiten erledigen ließ, wird zur engsten Vertrauten.
38:27Sie ist es, die Rosas Texte aus den Gefängnissen schmuggelt.
38:31Die Kunsthistorikerin Sonja Liebknecht.
38:34Sie ist die Ehefrau von Karl Liebknecht.
38:36Und zugleich die Adressatin vieler Gefängnisbriefe von Rosa Luxemburg.
38:40Sie war schon weitgehend isoliert, aber nun war es wirklich nur noch eine Handvoll Leute.
38:46Wobei Rosa Luxemburg es abgelehnt hat, anders als andere Linke, auch aus ihrem Freundeskreis, aus der SPD auszutreten.
38:56Rosa Luxemburg war noch 1917 der festen, festen Überzeugung, dass die Linke in der SPD bleiben muss
39:04und dass sie um die Hegemonie in der SPD kämpfen müsse, weil Rosa Luxemburg hatte neben ihrer Phobie gegen Terror
39:14und ihrer politischen Ablehnung von Terror eine zweite große Angst und das war die Sekte.
39:20Sie wollte auf keinen Fall aus einer Großorganisation ausscheiden, nur um Recht zu haben.
39:26Als 1917 die Nachricht von der russischen Oktoberrevolution kommt, ist Rosa im Gefängnis.
39:35Sie begrüßt die Revolution, sagt aber voraus, dass es kein endgültiger Sieg über Ausbeutung und Unrecht sein wird.
39:43Denn ohne wahre Demokratie sei das nicht möglich.
39:50Die Herrschaft einer Minderheit durch Terror kann nie zum Sozialismus führen.
39:56Rosa Luxemburg war der Überzeugung und der richtigen Überzeugung,
40:08dass diese Diktatur des Politariats sicherlich eine Übergangsphase sei von der alten Gesellschaft in die neue Gesellschaft.
40:15Aber sie forderte, dass das ein möglichst kurzer Prozess sei.
40:20Und sie forderte, dass zu keiner Zeit, an keinem einzigen Tag die drei bürgerlichen Grundfreiheiten aufgegeben werden,
40:27nämlich die Freiheit der Meinung, die Freiheit der Organisation und die Freiheit der Versammlung.
40:34Am 3. November 1918 bricht in Kiel die Revolution aus.
40:40In den nächsten Tagen verbreitet sich die revolutionäre Welle über ganz Deutschland
40:43und erreicht am 9. November Berlin.
40:49Der Vorsitzende der SPD, Philipp Scheidemann, ruft aus dem Fenster des Berliner Schlosses die Republik aus.
40:56Arbeiter und Soldaten, das Albo und Morsche, die Monarchie ist zusammengebrochen.
41:08Es lebe das Neue, es lebe die deutsche Republik.
41:12Der Kaiser dankt ab.
41:15Fast gleichzeitig erklärt Karl Liebknecht Deutschland zur Sozialistischen Republik.
41:20Nur wenige Arbeiter unterstützen ihn.
41:23Zu abstoßend ist das Beispiel der radikalen bolschewistischen Revolution in Russland.
41:29Für Rosa Luxemburg galt,
41:30Der Sozialismus wird nicht gemacht durch Dekrete.
41:33Der Sozialismus muss durch die Massen, durch jeden Proletarier gemacht werden.
41:38Die Proletarier aber waren nicht bereit dazu.
41:42Rosa Luxemburg kommt am 10. November 1918 nach Berlin zurück.
41:47Das Ende der Revolution war schon entschieden.
41:50Zum Schluss war sie müde.
41:52Zum Schluss war sie müde.
41:54Ich glaube, dieses lange Warten im Gefängnis auf den Moment, wo es losgeht.
41:59Dann ist es in Russland losgegangen, die Revolution.
42:01Das war der Moment, wo sie eben ein Leben lang darauf hingearbeitet hat.
42:07Dann kommt sie raus und sie gibt sich total dem hin.
42:11Und dann merkt sie, nein, es ist noch zu früh.
42:14Das wird nichts.
42:15Also das sagt sie ja auch.
42:17Sie wollte ja auch, dass das wirklich ein Volksaufstand, ein wirklicher Volksaufstand wird.
42:26Dass das Volk bereit ist.
42:29Und das hat sie gemerkt, dass die eben noch nicht bereit waren.
42:31Und da wollte sie sich zurückziehen.
42:33Sie wollte auch keine kommunistische Partei.
42:36Sie hatte plädiert für sozialistische Partei, zusammen mit Jogiches, war aber überstimmt worden.
42:42Und sie hat dann aus pragmatischen Beweggründen gesagt, na gut, dann heißt das Ding eben jetzt kommunistische Partei.
42:51Wir fangen jetzt sowieso neu an.
42:53Und für sie war klar, dass es ein ganz langer Weg werden würde.
43:02Aber sie ist nicht mit Freuden in diese kommunistische Partei gegangen.
43:07Am 5. Januar 1919 brechen in Berlin wieder Kämpfe aus, die von den linken Sozialdemokraten geführt werden.
43:15Die gerade gebildete kommunistische Partei schließt sich an.
43:18Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg waren die Köpfe jener Kräfte, die nun noch einmal wagen wollten,
43:26die Revolution in Richtung demokratischer Sozialismus zu treiben.
43:31Es gelingt ihnen aber nicht, Einfluss auf die Januarkämpfe in Berlin zu erlangen.
43:48Dienstag, den 15. Januar in Berlin-Wilmersdorf in der Mannheimer Straße 43 bei der Familie des Arztes Markusson.
44:02Karl Liebknecht empfängt im sonst so stillen Wohnhaus mehrfach Besucher.
44:07Eine Bürgerwehr wird aufmerksam, verhaftet beide und bringt sie ins Hotel Eden,
44:12wo die stärkste Militäreinheit, die Garde-Kavalerie-Schützendivision, ihr Hauptquartier aufgeschlagen hat.
44:29Wir sind die Macht im Staat, nicht Sie und Ihre jämmerlichen Bundesgenossen.
44:34Die Geschichte wird Ihnen das Gegenteil beweisen.
44:36Sie musste ja damit rechnen, dass man sie umbringen will, gleichzeitig aber doch nicht.
44:46Also sie hat gedacht, naja klar, das kenne ich ja schon alles und man nimmt mich fest,
44:51man steckt mich wieder ins Gefängnis, da muss ich dann wieder ein bisschen ausharren,
44:55dann komme ich vielleicht raus und kann weiter agitieren.
44:57Ja, also sie hat nicht damit gerechnet, dass das der Moment ihres Todes sein würde.
45:06Das war zuvegen, so ist eine中共 Ausführung in der Bevölkerung.
45:27Das wurde mir montón, aber auch sie erwarten.
45:28Untertitelung des ZDF, 2020
45:58Die Mörder feiern ihre Bluttat.
46:12Der oberste Kommandierende der Schützendivision ist Hauptmann Waldemar Papst.
46:17Noch im Jahre 1962 bekennt er,
46:21Ich nahm damals an einer KPD-Versammlung teil, auf der Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg sprachen.
46:26Ich gewann den Eindruck, die beiden seien die geistigen Führer der Revolution und ich beschloss, sie umbringen zu lassen.
46:34Ich vertrete auch weiterhin die Auffassung, dass dieser Entschluss auch vom moralisch-theologischen Gesichtspunkt durchaus vertretbar ist.
46:42Am 25. Januar 1919 werden die Opfer der Berliner Januarkämpfe beerdigt, unter ihnen auch Karl Liebknecht.
46:52Rosa Luxemburgs Sarg bleibt leer. Ihre Leiche wird erst vier Monate später gefunden.
46:57Am 13. Juni wird ihr Leichnam begraben.
47:08Zehntausende nehmen Abschied von Rosa Luxemburg.
47:11Der Trauerzug wird zur machtvollen Demonstration.
47:16Die Mörder werden namhaft gemacht.
47:18Doch der Mord bleibt ungesühnt.
47:21Und sie war völlig verschrien. Also nicht bei den 68er, nur nicht bei den Linken, aber sonst.
47:30Es gab ja sogar eine Zeit lang eine Briefmarke mit ihrem Porträt drauf.
47:36Und es gab Menschen, die haben abgelehnt, die Briefe, die an sie gerichtet waren, anzunehmen, zu akzeptieren, nur weil das Porträt von Rosa drauf war.
47:46Und sie hieß ja bei uns auch die rote und blutige Rosa.
47:50Und das war eben auch mein Begehr sozusagen oder mein Wunsch, dass ich dieses so falsche Bild von ihr irgendwie richtigstellen könnte.
48:06Ja, Rosa Luxemburg ist gefährlich.
48:21Sie ist gefährlich gewesen und sie bleibt es.
48:24Ihre Absichten sind gefährlich.
48:26Warum?
48:27Weil sie Freiheit und Gleichheit gleichzeitig einforderte.
48:31Und wir haben weder die Freiheit noch die Gleichheit erlangt.
48:34Es ist somit ein Kampf, der immer noch aktuell, immer noch lebendig ist.
48:42Das Wesentliche an der Luxemburg, was sie von Politikern bis heute, oder die meisten Politikern bis heute unterscheidet, ist,
48:52bei ihr war eine bewusste Einheit von Wort und Tat.
48:57Die Frau machte wirklich das, was sie schrieb, das, was sie in ihren Reden verkündete.
49:04Und sie wusste, dass sie zwar den meisten ihrer Zeitgenossen intellektuell überlegen war,
49:10aber ihre eigentliche Kraft war ihr moralisches Kapital.
49:15Freiheit ist die Freiheit der Andersdenkenden.
49:18Und das ist richtig, aber so ihr Leben, ihr Schicksal, vor allem die Ermordung von Rosa Luxemburg, ist ja auch so ein Zeugnis dafür,
49:30dass die Andersdenkenden sehr oft einen hohen Preis für die Freiheit, auch für die Freiheit der anderen zahlen müssen.
49:39Ihre Überzeugung gipfelte meines Erachtens darin, dass sie sagte,
49:44Menschen unterschiedlicher Nationalität können lernen, in einer Gesellschaft gemeinsam zu streiten
49:50und ihre Interessen durchzusetzen und zwar nicht entlang der Linien der Nationalitätentrennung.
49:55Und ich glaube, dass sie hat recht gehabt.
49:57Und wenn man heute auf die Europäische Union schaut, ist das eine Frage, die man relativ schnell entdecken kann.
50:03Sie ist einfach unkonventionell und kompromisslos.
50:07Sie ist eine unbezwingbare Comicfigur, wenn man so will.
50:11Sie schlägt Asterix.
50:12Sie lässt sich einfach nicht unterkriegen vom Leben
50:15und sie ist trotz jeglicher Konvention auf ganz unterschiedliche Art und Weise,
50:19sowohl politisch als auch persönlich.
50:21Sie ist eine sehr ungewöhnliche Heldin.
50:33Sie ist nicht unbedingt an die Spitzen wollte, sondern durch ihr Auftreten gelangte sie dann an die Spitze.
50:52Und deshalb genießt sie bei mir auch so einen hohen Respekt.
50:56Sie ist einfach eine wirklich tapfere, sehr kluge, sehr belesene, sehr intelligente,
51:02die Schönheit des Lebens kennende und schätzende Frau gewesen,
51:07die sich für die noch Schwächeren engagiert eingesetzt hat und dafür ermordet wurde.
51:15Sie hat in ihrem Leben viel geleistet und teuer dafür bezahlt.
51:26Die Geschichte funktioniert, dass es dann eben auch immer wieder Momente gibt,
51:48wo man sich zurückbesinnt und wo man dann wieder auf ihre Ideale, sagen wir mal, sich besinnt.
51:58Das glaube ich schon. Also so kann es ja nicht weitergehen.
52:01Die Geschichte funktioniert, dass es dann eben auch immer wieder auf ihre Ideale ist.