Frankreich: Muslime fürchten um ihre Zukunft

  • vor 3 Monaten
Chalone sur Saone ist eine Hochburg der französischen Rechtspopulisten. Junge Muslime versuchen, deren Vormarsch in der kleinen Stadt im Osten Frankreichs zu stoppen.

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00:00Sie feiern die französische Vielfalt in Châlons-sur-Sonne.
00:06Denn zur Überraschung vieler hat die extreme Rechte bei den Wahlen Anfang Juli national keine Mehrheit erlangt.
00:13Doch wir sind ziemlich erleichtert, auch wenn die Ergebnisse in dieser Region ziemlich erschreckend sind.
00:19Hier haben die Rechtspopulisten stark zugelegt, in den vier Generationen seit Morgangeschis Vorfahren aus Algerien eingewandert sind.
00:28Diese französische Muslima sagt, die Stimmung im Ort verändere sich.
00:35Am schockierendsten ist, dass Rassismus jetzt Mainstream geworden ist.
00:39Die Leute fühlen sich jetzt legitimiert, andere zu beleidigen oder muslimischen Frauen den Schleier vom Kopf zu ziehen.
00:45Auch wenn die Rechten nicht gewonnen haben, wir spüren, dass es einen Bruch gibt, dass etwas zerbrochen ist und die Dinge nicht mehr so sein werden wie früher.
00:53Wir wollen beweisen, dass wir zusammenleben können.
00:57Die kleine Stadt im Osten Frankreichs ist eine derer, die den Rechtspopulisten mehr als 50 neue Parlamentssätze gebracht haben.
01:03Morgane und andere muslimische Frauen haben Angst davor, dass es der Rechten gelingen könnte, ihre politischen Versprechen einzulösen,
01:10wie den Ausschluss von Franzosen mit doppelter Staatsangehörigkeit, von wichtigen Jobs und das Verbot, in der Öffentlichkeit Kopftuch zu tragen.
01:19Die Rechtspopulisten geben uns das Gefühl, wir wären das Problem, als wären wir keine echten französischen Bürger, obwohl in Wirklichkeit auch wir Frankreich sind.
01:31Das Land hat eine der größten muslimischen Bevölkerungen in Europa.
01:35Aber Morgane fühlt seit Jahren, wie auch in Chalon-sur-Sonne, die Toleranz schwindet.
01:412015 hob der rechtsgerichtete Bürgermeister die Regeln auf, in Schulen Schweinefleisch-freie Mahlzeiten anzubieten.
01:47Seine Begründung, dies passe nicht zur Trennung von Religion und Staat.
01:51Einige Minderheiten haben das Gefühl, dass die Rechten und ihre Wähler Grundrechte einschränken wollen.
01:56Doch hier auf dem Markt werden auch andere Gründe genannt.
02:03Es hängt mit allem zusammen.
02:05Die steigenden Preise, die schlechte Kaufkraft. Ich kann es selbst sehen.
02:09Die Kunden bestellen jetzt oft ein Gericht für zwei Personen, weil es finanziell für sie wirklich schwierig ist.
02:20Auch dieser Bäcker hat diesmal die Rechtspopulisten gewählt, nachdem er jahrelang gar nicht zur Wahl gegangen ist.
02:36Unser derzeitiger Präsident hält uns für Idioten. Wir sind nur dazu gut, zu arbeiten und zu zahlen.
02:41Aber irgendwann müssen wir sagen, stopp! Es ist nicht nur die Einwanderung.
02:45Wir leben in einem Land, in dem ich mich alleingelassen fühle und nicht mehr sicher bin.
02:49Es gibt Gegenden, da kannst du dein Auto nicht verlassen, kannst nicht in Restaurants gehen.
02:55Er ist nicht der einzige, der die Idee der Rechtspopulisten richtig findet,
02:59dass Migranten sich bei staatlichen Leistungen hinten anstellen müssen.
03:03Wir müssen die Migration bremsen. Wirklich bremsen.
03:09Experten sagen, diese Debatte gebe es in Frankreich schon, seit das Land Kolonialmacht war
03:14und nach dem Zweiten Weltkrieg Arbeitskräfte für den wirtschaftlichen Aufschwung suchte.
03:19Doch sie berühre den Kern der französischen Gesellschaft.
03:23Antimigranten-Rhetorik, rechtsextreme Rhetorik, das ist eine Art französische Spezialität.
03:29Man sagt, diese Menschen sollten nicht so sein wie wir.
03:33Sie sollten nicht Franzosen sein, nicht die gleichen Rechte haben.
03:37Wenn man aber damit selbst Familien meint, die mehr als drei Generationen Franzosen sind,
03:42dann gibt es definitiv einen Kampf darum, was französisch sein heißt.
03:49Dieser Kampf berührt auch Morgans eigene Familie.
03:52Eine Gedenktafel in der Stadt ist ihrem Großonkel gewidmet.
03:55Er wurde in Chalon als Sohn eines algerischen Einwanderers geboren und von Nazi-Besatzern getötet.
04:02Er wurde während des Zweiten Weltkriegs genau auf dieser Brücke erschossen
04:06und die Stadt beschloss, ihn hier zu ehren.
04:09Morgan kämpft jetzt ihren eigenen Kampf.
04:12Sie will Picknicks und Diskussionsgruppen organisieren,
04:15um das Image ihrer Stadt wieder zu ändern und Menschen umzustimmen.
04:26Im Jahr 2027 sind wieder Wahlen und es könnte wieder dasselbe passieren.
04:30Wir müssen also weiterhin in unseren Vierteln mobilisieren, und zwar vor allem junge Menschen.
04:35Wenn wirklich das Schlimmste passiert, haben wir vielleicht keine andere Wahl,
04:39als wegzugehen, um eine bessere Zukunft zu finden.
04:47Im Moment aber bleibt sie in ihrer Stadt und hofft,
04:50dass sie und andere sich dort bald wieder mehr zu Hause fühlen.

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