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Deutschland verliert seine Wälder – und das in rasantem Tempo. Was zunächst wie eine Katastrophe wirkt, birgt auch Chancen. Anstelle des früheren Monokulturwaldes entsteht nun nach und nach ein widerstandsfähigerer, wilderer Mischwald.

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Transkript
00:00Große Teile deutscher Wälder sahen früher so aus.
00:05Heute sehen sie so aus.
00:08Dieser Wald ist nicht mehr wiederzuerkennen.
00:11Und so sieht es in vielen Teilen Europas und Nordamerikas aus.
00:18Aber das hier ist keine typische traurige Geschichte.
00:22Das hier könnte was Positives sein.
00:24Aber um zu verstehen, warum das so ist, müssen wir in der Zeit zurückgehen.
00:30Der Zweite Weltkrieg ist gerade zu Ende.
00:33Ein großer Teil der Welt liegt in Trümmern und muss wieder aufgebaut werden.
00:38Die Alliierten wollen Reparationen von Deutschland.
00:41Aber das Land ist pleite.
00:43Also einigen sich die Parteien darauf, dass das Land einen Teil in Form von Holz zahlt.
00:48Und zwar eine ganze Menge Holz. Schätzungsweise 10% der deutschen Wälder.
00:53Die Förster mussten also so schnell wie möglich große Flächen wieder bepflanzen.
00:58Und dabei fiel die Wahl in vielen Teilen des Landes auf die Fichte.
01:03Was rückblickend vielleicht nicht die beste Entscheidung war.
01:07Aber damals schien es eine gute Idee zu sein.
01:10Um herauszufinden, warum, fahren wir nach Thüringen, um Försterin Fanny Hurtig zu treffen.
01:16Die Fichte ist schnellwüchsig.
01:18Sie bringt ein häufig gerades und qualitativ hochwertiges Holz,
01:22was sich dann eben auch gut durch die Sägewerke verarbeiten lässt.
01:25Zu Möbeln, zu Fußböden, fürs Papier etc.
01:29Also sie ist eigentlich sehr weiträumig einsetzbar.
01:32Deshalb ist die Fichte auch ein sehr lukrativer Baum.
01:36Deutsche Förster haben große Flächen damit bepflanzt.
01:39In geraden Reihen, damit man leichter hineingehen und ernten kann.
01:42Die Fichte ist der häufigste Baum in Deutschland und macht ca. ein Viertel aller Wälder aus.
01:48Aber das könnte sich bald ändern.
01:51Weil diese Monokulturen profitabel, aber gleichzeitig auch sehr verwundbar sind.
01:56Wälder auf der ganzen Welt leiden.
01:59Unter langen Dürreperioden Waldbränden und Stürmen.
02:02Deutschland ist da keine Ausnahme.
02:05Die längeren Sommer aufgrund des Klimawandels führen dazu,
02:08dass die Wälder zu trocken sind und die Bäume Durst haben.
02:12Fichten sind an höhere Berglagen angepasst und brauchen vergleichsweise viel Wasser.
02:18Aber durch ihr flaches Wurzelsystem kommen sie kaum an tiefer liegende Wasserspeicher ran.
02:23Das alles ist nicht gerade gut für die Wälder.
02:27Aber es gibt ein kleines Lebewesen, das sich über die aktuelle Situation sehr freut.
02:32Der Borkenkäfer.
02:34Dieses winzige Insekt knabbert sich gerade durch viele deutsche und europäische Wälder.
02:39Der Borkenkäfer bohrt Löcher in den Baum und setzt dann Pheromone frei, um Artgenossen ins Innere zu locken.
02:46Dort pflanzen sie sich fort und legen Eier ab.
02:50Ein gesunder Baum produziert normalerweise Harz, um sich vor den Käfern zu schützen.
02:55Aber durstige, schwache Bäume können das nicht.
02:58Deshalb feiert der Borkenkäfer gerade ein Festmahl.
03:01Also vor fünf Jahren war die Fläche noch voll bewaldet.
03:04Wenn wir jetzt heute hier stehen und die Fläche ist vielleicht letztes Jahr befallen gewesen,
03:09kann durchaus dieses Jahr diese Fläche innerhalb weniger Wochen auch noch befallen sein.
03:13Die Käfer fressen die Schichten ab, die Nährstoffe und Wasser transportieren.
03:18Die Fichten sterben dann an Durst und Unterernährung.
03:24Der Käfer breitet sich in Deutschland und Europa immer weiter aus.
03:27Und je wärmer es wird, desto öfter können sich die Käfer vermehren.
03:33Wir sind unterwegs in den Nationalpark Harz, der besonders unter dem Borkenkäfer gelitten hat.
03:40Hier sind etwa 90 Prozent aller Fichten tot.
03:44Zurück bleibt eine Region, die einfach nur schockierend aussieht.
03:49Wir treffen Roland Piech, den Leiter des Nationalparks Harz.
03:53Der Harz ist so stark betroffen, weil dort besonders viele Fichten standen.
03:58Aber für Piech und viele andere ist dieses postapokalyptisch anmutende Szenario keine Katastrophe.
04:04Ganz im Gegenteil.
04:07Für ihn ist der Borkenkäfer nicht der Bösewicht.
04:11Er ist einfach nur ein Teil der Natur.
04:14Für ihn ist der Borkenkäfer nicht der Bösewicht.
04:18Er ist eigentlich ein Segen.
04:21Die Frage ist ja, was passiert hier.
04:24Und was hier passiert, die ollen Fichten sind weg.
04:27Und hier kommt jetzt der Wald, der hier hingehört.
04:30Wenn das grün ist und Sie sehen, was hier für eine Kraft, was für ein Leben drin ist, finde ich das schön.
04:33Ich finde das hier super toll und super spannend.
04:36Der Park hat am äußeren Rand einen Schutzstreifen abgeholzt,
04:39damit sich der Borkenkäfer schlechter in die benachbarten Wälder verbreiten kann.
04:43Aber abgesehen davon überließ man alles weitere der Natur und unternahm nichts gegen den Borkenkäfer.
04:50Und die Natur macht in der Tat ihr Ding.
04:53Der Park ist in verschiedene Zonen aufgeteilt.
04:56In manchen wachsen unterschiedlichste Bäume von selbst.
04:59Wie in diesem Gebiet, das vor fünf oder sechs Jahren abgestorben ist.
05:04An anderen Stellen werden einheimische Arten gepflanzt, die von den Fichtenmonokulturen verdrängt wurden.
05:10Abgestorbene Bäume setzen beim Verrotten CO2 frei, was bedeutet, dass diese Wälder insgesamt weniger CO2 binden.
05:18Ein Problem, das auch die neueste Bundeswaldinventur hervorhebt.
05:22Die Hoffnung ist hier, dass die neu nachwachsenden Bäume bald wieder mehr CO2 binden, als die toten Bäume freisetzen.
05:29Der Nationalpark ist ein Schutzgebiet, das nicht mehr zur Holzgewinnung genutzt werden darf.
05:34Aber nur etwa drei Prozent des gesamten Waldes in Deutschland sind geschützt.
05:38Der Rest wird öffentlich oder privat bewirtschaftet, zum Beispiel, um Holz zu produzieren.
05:43Die Nachfrage wächst, denn Holz ist ein nachhaltiges Baumaterial.
05:47Bewirtschaftet und angebaut von Förstern.
05:50Sie müssen mit dem Borkenkäfer anders umgehen.
05:58Die Bäume werden regelmäßig auf Befall kontrolliert.
06:01Ist ein Baum befallen, wird er markiert.
06:07Dann werden sie so schnell wie möglich gefällt und entfernt, um die Ausbreitung des Borkenkäfers zu stoppen.
06:14Zurück bleiben riesige Flächen mit vorzeitig gefällten Bäumen.
06:19Auf die freigewordenen Bereiche werden stattdessen mehrere verschiedene Baumarten neu gepflanzt.
06:25Bei Aktien im Portfolio versucht man ja auch zu streuen, um nicht zu rutschen.
06:31Und genauso was versuchen wir im Mischwald auch.
06:35Nico Frischbier ist Wissenschaftler und sucht nach dem richtigen Wald der Zukunft.
06:42Hier sind einige der Kandidaten.
06:45Zuerst kommen Buche, Eiche und Bergahorn.
06:49Sie können niedrigere Höhenlagen ab, haben tiefgehende Wurzeln und kommen deswegen besser mit Trockenheit klar.
06:55Dann gibt es Neuankömmlinge wie die Douglasie aus Nordamerika.
06:59Sie verträgt auch größere Hitze und Trockenheit.
07:02Diese Bäume gelten derzeit als gute Kandidaten.
07:06Heizen wir aber den Planeten weiter auf, brauchen wir noch ein paar Joker aus wärmeren Regionen.
07:12Um die zu finden, läuft im trockensten Teil des Thüringer Waldes seit über zehn Jahren ein Experiment.
07:18Also es ist aufwendiger, schon mal weil man sich mit mehreren Baumarten im Mischbestand beschäftigen muss.
07:25Die Bäume haben unterschiedliches Risiko, die haben unterschiedliche Kosten.
07:29Also es ist tatsächlich aufwendiger bis hin zur Vermarktung von Holz oder anderen Produkten.
07:36Aber aus unserer Sicht lohnt es sich, weil man eben das Risiko reduziert.
07:41Also man hat vielleicht mehr Ausgaben und einen geringeren Ertrag,
07:45der kommt aber weniger risikobehaftet tatsächlich beim Waldbesitzer an.
07:50Diese Ansätze zeigen, wohin sich viele europäische und auch internationale Wälder entwickeln könnten.
07:57Es ist ja jetzt auch eine Chance, diesen Klimawandel oder den Waldumbau,
08:03den wir eigentlich sehr langsam einleiten sonst, eben etwas zügiger voranzubringen.
08:08Das ist aus den Aspekten Klimakrise, Widerstandsfähigkeit gut, das ist für die Artenvielfalt gut.
08:17Es mag katastrophal aussehen, aber ein neuer widerstandsfähiger Wald beginnt bereits zu wachsen.
08:22Einer, der hoffentlich den Entwicklungen der nächsten Jahrzehnte gewachsen ist.

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