Was macht ein Leben aus? Wie setzt es sich zusammen? Diese Fragen stehen im Zentrum des berührenden, aber auch humorvollen Einfrauenstücks von Gilla Cremer. Es fördert zutage, was uns bei unserem Heranwachsen wichtig war. Gefühle, Gerüche, Gegenstände …Persönliche Wahrnehmungen, die sich in unser Gedächtnis eingeprägt haben und bleiben werden, wenn wir uns an sie erinnern.
Agnes soll das Haus ihrer Eltern räumen. Allein, obwohl sie doch eigentlich vier Schwestern sind. Aber die anderen sind alle unglaublich beschäftigt und karrieremäßig in alle Winde verstreut: Dallas, Hanoi, die Philippinen...
www.freiebuehnewieden.at
Agnes soll das Haus ihrer Eltern räumen. Allein, obwohl sie doch eigentlich vier Schwestern sind. Aber die anderen sind alle unglaublich beschäftigt und karrieremäßig in alle Winde verstreut: Dallas, Hanoi, die Philippinen...
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NewsTranskript
00:00Warum überlegt ihr nicht schon mal, was von meinen Sachen ihr am liebsten behalten wollt,
00:28wenn ich nicht mehr da bin? Dann gibt es nachher keinen Streit.
00:31Ja, wir sind in der freien Bühne Wieden und wir sehen im Hintergrund, da wird an der Bühne
00:37gearbeitet. Wir sind praktisch bei der letzten Probe vor der Premiere. Ja,
00:42und was für ein Stück erwartet uns? Ja, also das Stück heißt »Die Dinge meiner Eltern«,
00:47ist ein Stück von einer Autorin, von der Gilla Kremer. Ich bin auf das Stück eigentlich schon
00:53vor ein paar Jahren aufmerksam geworden. Es wurde an den Hamburger Kammerspielen uraufgeführt und
00:59ja, es hat jetzt ein bisschen Zeit gebraucht, bis ich gedacht habe, jetzt ist es genau richtig,
01:03dieses Stück zu machen. Ich glaube, das auch ganz gut in diese Vorweihnachtszeit passt,
01:07weil es wirklich sehr viel Gefühl, sehr viel Emotionen, Liebe, Poesie, aber auch ein bisschen
01:14Wehmut natürlich hat bei dem Thema. Also es geht darum, dass eine Tochter, die eigentlich noch drei
01:22Schwestern hat, beauftragt wird, sie soll das Elternhaus auflösen, aufräumen oder aufräumen
01:30ist der falsche Ausdruck. Sie soll das Elternhaus räumen und die Schwestern sind in alle Winde
01:37verstreut, karrieremäßig unterwegs und so bleibt es an ihr hängen und ja, was ihr da alles
01:44entgegenschlägt an Erinnerungen und Emotionen, wo sie sich an ihre Kindheit erinnert und also
01:50einfach ein ganz tolles Thema, das uns wahrscheinlich auch alle im Leben irgendwann
01:56einmal betrifft, weil entweder ziehen wir um oder wir müssen eine Wohnung räumen. Es muss ja nicht
02:01immer aus einem Todesfall sein, es kann ja auch einfach ein Umzug sein und ich habe selber
02:06vergangenes Jahr im Sommer eben eine Wohnung aufgelöst, Gott sei Dank nicht wegen Todesfalls.
02:12Ja, ich kann mich da gut reinfühlen und ich freue mich auf diese Produktion.
02:42Ein volles Haus, ein Haus in dem gefeiert wurde, Taufen, Geburtstage, Firmungen, Hochzeiten. Ein Haus für viele Familienfeiern, immer 30, 40, 50 Personen, der wurde aufgedeckt und abgedeckt.
03:01Jetzt hast du einen Regisseur, den man im Hintergrund, glaube ich, bei der Arbeit schon sieht. Was kann man zu ihm sagen?
03:07Ja, also ich freue mich ganz besonders, dass ich Markus Ganser für diese Produktion gewinnen konnte. Ich habe mit ihm bei meinem
03:14allerersten Auftritt in Wien zusammengearbeitet, da sind wir gemeinsam auf der Bühne gestanden, im Theaterexperiment.
03:20Und ich glaube, ungefähr drei Jahre später war er mein Regisseur bereits und zwar bei einer U-Aufführung von Albert Drach.
03:28Ja, und natürlich sind wir uns immer wieder mal über den Weg gelaufen, aber dass sich jetzt diese Wege hier jetzt kreuzen, das freut mich ganz besonders und es waren wirklich schöne Proben.
03:38Also ich glaube, die Zuschauer können sich auf das Ergebnis freuen.
03:43Jetzt brauchen wir natürlich noch ganz was Wichtiges. Wann beginnt es und wie lange kann man es sehen?
03:48Ja, die Premiere findet am 26. November statt, also praktisch, sie steht vor der Tür. Dann gibt es noch vier Vorstellungen an den November und dann an ausgewählten Tagen,
04:00am 3., 4., 10. und 12. Dezember kann man es eben auch noch vor Weihnachten sehen.
04:08Am besten auf die Webseite schauen?
04:10Am besten, wie immer, auf die Webseite schauen. Da gibt es dann sicher auch ein paar Fotos und vielleicht auch bei sonst ein paar hübsche Beiträge.
04:17Und ich glaube, es ist ein Stück, das sich auch besonders gut eignet, um vielleicht mit Freunden zu kommen, weil man sich da einfach viel zu erzählen hat, auch nach dem Stück.
04:26Wunderbare Sache und wir sind jetzt gespannt auf die Szenen, die wir jetzt sehen werden.
04:32Dankeschön, ich bin auch schon ein bisschen aufgeregt.
04:36Die hohe Wand, ideale Kulisse für meinen unbändigen Spiel- und Verkleidungsring.
04:43Ich bin Schriftwitzchen oder der Chef der sieben Zwerge oder je nach Stimmung die böse Stiefmutter.
04:50Ich bin das ritterverräuderte Rumpelstilzchen. Ich bin die totgeweite Jungfrau vom Drachenfels.
04:56Ich bin, nein, ich bin nicht die totgeweite Jungfrau vom Drachenfels. Ich bin Mäuschen.
05:03Du sagst nicht immer Mäuse. Mäuschen.
05:07Hatten wir uns nicht darauf geeinigt, dass keine von uns so ein großes Haus braucht?
05:14Ja, vor mir steht Markus Ganser, der Regisseur des Stückes, aber auch der Bühnenarrangeur kann man sagen.
05:22Im wahrsten Sinne des Wortes diesmal nicht Bühnenbildner, sondern Arrangeur von vieler, vieler Umzugskisten.
05:29Was kann man zu diesem Stück sagen und wo liegt da eigentlich für die Regie die Herausforderung?
05:35Das Stück klingt nach einem sehr ernsten Thema, weil es letztendlich um die Auflösung von den Dingen der Eltern geht nach dem Tod.
05:43Und dass man das Ganze aber auch noch mit einem Augenzwinkern erzählen kann, nämlich die Verzweiflung.
05:49Was schmeiße ich weg? Was behalte ich? Was verschenke ich?
05:54Da den Witz zu behalten in der Verzweiflung dieser Figur, das ist eigentlich die Herausforderung.
06:01Ein Vorschlaghammer, ein Faustkeil aus der Steinesammlung meines Vaters.
06:09Der Faustkeil. Ein handlicher Stahl. Unten abgerundet, oben zugespitzt.
06:16Ein multifunktionaler Gebrauchsgegenstand aus der Steinzeit.
06:21Damit kann man schneiden, einschneiden, ausschneiden, zuschneiden, einritzen, auskratzen, zerquetschen, verstampfen, schaben und färben.
06:34Damit konnte der Jan der Pfarrer zum Beispiel seinen Feind verjagen, ein Wildschwein erlegen,
06:44seinen neugeborenen Kind dynamisch nur noch trennen, seiner Frau einen Lederrock walten.
06:51Jetzt wird diese Rolle oder die Rollen ja von einer Person gespielt. Das ist ja zusätzliche Herausforderung, oder?
06:58Ja, aber weniger meine. Die Herausforderung liegt ja bei der Michi Ehrenstein, ihre eigenen Schwester mitzuspielen,
07:05die Mutter zu spielen, den Vater zu spielen, sich eine Kuschelritze vorzustellen, in die sie sich hineinsetzt.
07:12Das ist quasi Michis Aufgabe, sich in das hineinzustürzen.
07:17Jetzt vom Bühnenbild, würde ich einmal sagen, also mir gefällt das sehr gut, weil das einfach irgendwo so den Fokus dann doch auf die Person lenkt.
07:26Darum geht es ja. Wir haben lange überlegt, ob wir diese 15.000 irgendetwas Dinge,
07:33die sie aufzählt in diesem Stück, irgendetwas davon im Raum sichtbar machen.
07:38Und ich habe dann gemeint, nein, ich glaube, es ist in der Fantasie viel schöner, das schon in den Packkartons drinnen zu haben,
07:45dass jeder sich das nur vorstellen kann, diesen Wust an Dingen, diese Menge, die man da zu verpacken hat.
07:53Und wir haben eigentlich nur zwei kleine Dinge sichtbar.
07:57Ein Aufzieh-Bambi, das Lieblingsstück quasi, das diese Figur als Kind schon hatte und ein Klebeband.
08:05Alles klar.
08:15Erinnerungen.
08:18Erinnerungen.
08:19Erinnerungen.
08:21Erinnerungen.
08:24Kistenweise 8mm-Filme.
08:27Fotoalben von meinem Großeltern.
08:31Alte Kinderbilder.
08:33Schulaufsätze.
08:36Koffer von meinem Vater, in die ich noch nie herangeschaut habe.
08:39Koffer von meiner Mutter, in die ich noch nie herangeschaut habe.
08:42Ja, und auch die Platzierung der Lampen, das hat schon etwas.
08:46Genau, das ist ja, wie es ja oft so ist, wenn man schon so mal eine Auflösung gemacht hat.
08:51Das Letzte, was den Raum verlässt, sind die Lampen.
08:55Also das heißt, man hat zwar schon alles verpackt, aber es hängen noch die Lüster,
08:59es steht vielleicht noch das Telefon angesteckt dort, aber ansonsten ist der Raum leer.
09:03Und das symbolisiert eben auch unser Raum hier, das zwar alles in Kisten verpackt ist,
09:08aber die Lampen bleiben in den Zimmern noch übrig.
09:12Absolut interessantes Stück und ich glaube, ein Stück, wo man auch nachher dann miteinander
09:16vielleicht ein bisschen plaudern kann und über das Stück sprechen kann
09:19und vielleicht eine oder andere Erfahrung austauscht.
09:21Also ich glaube, so geht es mir zumindest, dass man sich nach diesem Stück fragt,
09:27was will ich eigentlich hinterlassen?
09:30Sollte ich das nicht vorher irgendwie ordnen und selbst wegschmeißen?
09:34Will ich das meinen Angehörigen da antun, dass die quasi dann wie Vandalen
09:40über Dinge herfallen müssen, meine Dinge herfallen müssen und entscheiden müssen,
09:44schmeiße ich das weg?
09:46Mache ich jetzt etwas falsch, wenn ich Dinge von meinem Vater wegschmeiße?
09:50Der hat vielleicht daran gehangen.
09:52Nein, weg damit oder bewusst vererben.
09:55Genau, wollte ich gerade sagen.
09:57Das sage ich schon recht herzlichen Dank.
09:59Ein interessantes Stück und wir sind jetzt schon gespannt auf die Probe.
10:02Ja, dann toi toi toi für uns alle.
10:11Neben dem Nachtkästchen meiner Mutter steht ihr Hochzeitsbild.
10:17Wunderschön.
10:21Meine Mutter war wirklich eine unglaublich schöne Frau.
10:26Sinnlich, attraktiv.
10:31Dieser strahlende junge Braut auf dem Foto ist ein vollkommen anderer Mensch als meine Mutter.
10:38Meine Mutter war auch schön in gewissem Sinn, aber eben immer irgendwie auch schon alt.
10:45Natürlich nicht so alt wie meine Großmutter, aber naja, wie eine Mutter eben.
10:53Wie hat sie sich wohl ihr Hochzeitsbild angeschaut vor dem Schlafen gehen oder in der Früh nach dem Aufstehen?
10:59Mit Freude?
11:02Oder mit Wehmut?
11:04Mit Wut?
11:06Mit Wut oder?
11:08Oder war es ihr egal?
11:12Auch mein Vater ist so ein Klagebeben ohne Schnurrbart.
11:17Eine kleine Frau, die das sehen konnte.